Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

klarer waren beim Ausbruche der Cholera geflohen und wenig mehr als die
untere Classe des Volkes hatte solcher Art Gelegenheit gehabt, thätig oder
unthätig der Umwälzung zuzusehen. Es war zum großen Theil eine socialistische
Bewegung gewesen, veranlaßt durch die Feigheit oder das Ausreißen der Be¬
amten und der Begüterten; den regierungsfeindlichen Stempel gab ihr eine
Handvoll dreister Anhänger des jungen Italiens. So genügten denn 3000
Mann Schweizertruppen, in deren Gefolge der schon gefürchtete Del Carretto
seinen Einzug hielt, um die Insel fast ohne Blutverlust der Bourbonenkrone
wieder zu unterwerfen. Nachdem die Entvölkerung noch eine Weile durch
standrechtliche Begnadigungen fortgesetzt worden war, ging Sicilien durch die
Acte vom 31. October 1837 seiner eignen Verwaltung verlustig und wurde
eroberte Provinz.

Auch im Neapolitanischen waren zur nämlichen Zeit die Anhänger des
jungen Italiens thätig gewesen. Die Abbruzzen ernannten eine provisorische
Regierung und proclamirten die sogenannte Constitution von Palermo; Co-
senza und Civita ti Penna lieferten als Häupter der Aufruhrspartei Cäsari,
Castiglioni, Forcella und den Notar Caponetti. Doch erlagen auch diese Be¬
strebungen bald dem Einschreiten des Majors Ducarne. Die wirklichen Urheber
entkamen. Die Verleiteten wurden hingerichtet; acht derselben allein in Teramo.

Die Schwefelfrage gab 1840 der Negierung eine erwünschte Gelegenheit,
der Unzufriedenheit eine andere Richtung anzuweisen und sie in eine Art
Fremdenhaß umzustimmen. Bekanntlich mußte Ferdinand U. in dem Streit
mit England sich die Vermittlung Thiers gefallen lassen; er hatte aber
der von Malta herübergekommenen englischen Flotte doch die Zähne gezeigt
und diese Befriedigung des neapolitanischen Nationalgefühls gab ihm wieder
einige Popularität. Inzwischen ständen schon wieder im Herbst 1842 die Orte
Montercale, La Matrice und der Rest der Provinz in vollen Aufruhrflammen.
Ein früherer Spion der verstorbenen Königin Marie Caroline (Gattin Fer¬
dinands I.), Gennaro Tansani mit Namen, verhaßt wegen Rohheit und Härte,
wurde auf dem Wege zum Castell, dessen Commandant er war, in Aquila
erdolcht. General Casella dämpfte auch diesen Aufstand. 133 Menschen,
darunter der Marchese Dragonetti, Luigi Falcone, der Baron Giuseppe Cappa,
der Advocat Marrclli, kamen auf die Anklagebank. Vier wurden erschossen,
66 zu Galeeren- und andern Strafen verurtheilt.

Am 1ü. März 1844 ergriff Cosenza wieder die Fahne des Aufruhrs; auch
dies Mal gab es keinen Erfolg, aber großes Blutvergießen. Wir übergehen
die Liste der kämpfend Gefallenen. Sieben wurden susilirt, 14 auf die Ga-.
leeren geschickt. Diese trugen kaum ihre rothen Jacken und drehten, die Kugel
am Bein, die schweren Tauwinden im Graben des Castell Nuovo, als von


30*

klarer waren beim Ausbruche der Cholera geflohen und wenig mehr als die
untere Classe des Volkes hatte solcher Art Gelegenheit gehabt, thätig oder
unthätig der Umwälzung zuzusehen. Es war zum großen Theil eine socialistische
Bewegung gewesen, veranlaßt durch die Feigheit oder das Ausreißen der Be¬
amten und der Begüterten; den regierungsfeindlichen Stempel gab ihr eine
Handvoll dreister Anhänger des jungen Italiens. So genügten denn 3000
Mann Schweizertruppen, in deren Gefolge der schon gefürchtete Del Carretto
seinen Einzug hielt, um die Insel fast ohne Blutverlust der Bourbonenkrone
wieder zu unterwerfen. Nachdem die Entvölkerung noch eine Weile durch
standrechtliche Begnadigungen fortgesetzt worden war, ging Sicilien durch die
Acte vom 31. October 1837 seiner eignen Verwaltung verlustig und wurde
eroberte Provinz.

Auch im Neapolitanischen waren zur nämlichen Zeit die Anhänger des
jungen Italiens thätig gewesen. Die Abbruzzen ernannten eine provisorische
Regierung und proclamirten die sogenannte Constitution von Palermo; Co-
senza und Civita ti Penna lieferten als Häupter der Aufruhrspartei Cäsari,
Castiglioni, Forcella und den Notar Caponetti. Doch erlagen auch diese Be¬
strebungen bald dem Einschreiten des Majors Ducarne. Die wirklichen Urheber
entkamen. Die Verleiteten wurden hingerichtet; acht derselben allein in Teramo.

Die Schwefelfrage gab 1840 der Negierung eine erwünschte Gelegenheit,
der Unzufriedenheit eine andere Richtung anzuweisen und sie in eine Art
Fremdenhaß umzustimmen. Bekanntlich mußte Ferdinand U. in dem Streit
mit England sich die Vermittlung Thiers gefallen lassen; er hatte aber
der von Malta herübergekommenen englischen Flotte doch die Zähne gezeigt
und diese Befriedigung des neapolitanischen Nationalgefühls gab ihm wieder
einige Popularität. Inzwischen ständen schon wieder im Herbst 1842 die Orte
Montercale, La Matrice und der Rest der Provinz in vollen Aufruhrflammen.
Ein früherer Spion der verstorbenen Königin Marie Caroline (Gattin Fer¬
dinands I.), Gennaro Tansani mit Namen, verhaßt wegen Rohheit und Härte,
wurde auf dem Wege zum Castell, dessen Commandant er war, in Aquila
erdolcht. General Casella dämpfte auch diesen Aufstand. 133 Menschen,
darunter der Marchese Dragonetti, Luigi Falcone, der Baron Giuseppe Cappa,
der Advocat Marrclli, kamen auf die Anklagebank. Vier wurden erschossen,
66 zu Galeeren- und andern Strafen verurtheilt.

Am 1ü. März 1844 ergriff Cosenza wieder die Fahne des Aufruhrs; auch
dies Mal gab es keinen Erfolg, aber großes Blutvergießen. Wir übergehen
die Liste der kämpfend Gefallenen. Sieben wurden susilirt, 14 auf die Ga-.
leeren geschickt. Diese trugen kaum ihre rothen Jacken und drehten, die Kugel
am Bein, die schweren Tauwinden im Graben des Castell Nuovo, als von


30*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0243" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102838"/>
          <p xml:id="ID_802" prev="#ID_801"> klarer waren beim Ausbruche der Cholera geflohen und wenig mehr als die<lb/>
untere Classe des Volkes hatte solcher Art Gelegenheit gehabt, thätig oder<lb/>
unthätig der Umwälzung zuzusehen. Es war zum großen Theil eine socialistische<lb/>
Bewegung gewesen, veranlaßt durch die Feigheit oder das Ausreißen der Be¬<lb/>
amten und der Begüterten; den regierungsfeindlichen Stempel gab ihr eine<lb/>
Handvoll dreister Anhänger des jungen Italiens. So genügten denn 3000<lb/>
Mann Schweizertruppen, in deren Gefolge der schon gefürchtete Del Carretto<lb/>
seinen Einzug hielt, um die Insel fast ohne Blutverlust der Bourbonenkrone<lb/>
wieder zu unterwerfen. Nachdem die Entvölkerung noch eine Weile durch<lb/>
standrechtliche Begnadigungen fortgesetzt worden war, ging Sicilien durch die<lb/>
Acte vom 31. October 1837 seiner eignen Verwaltung verlustig und wurde<lb/>
eroberte Provinz.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_803"> Auch im Neapolitanischen waren zur nämlichen Zeit die Anhänger des<lb/>
jungen Italiens thätig gewesen. Die Abbruzzen ernannten eine provisorische<lb/>
Regierung und proclamirten die sogenannte Constitution von Palermo; Co-<lb/>
senza und Civita ti Penna lieferten als Häupter der Aufruhrspartei Cäsari,<lb/>
Castiglioni, Forcella und den Notar Caponetti. Doch erlagen auch diese Be¬<lb/>
strebungen bald dem Einschreiten des Majors Ducarne. Die wirklichen Urheber<lb/>
entkamen. Die Verleiteten wurden hingerichtet; acht derselben allein in Teramo.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_804"> Die Schwefelfrage gab 1840 der Negierung eine erwünschte Gelegenheit,<lb/>
der Unzufriedenheit eine andere Richtung anzuweisen und sie in eine Art<lb/>
Fremdenhaß umzustimmen. Bekanntlich mußte Ferdinand U. in dem Streit<lb/>
mit England sich die Vermittlung Thiers gefallen lassen; er hatte aber<lb/>
der von Malta herübergekommenen englischen Flotte doch die Zähne gezeigt<lb/>
und diese Befriedigung des neapolitanischen Nationalgefühls gab ihm wieder<lb/>
einige Popularität. Inzwischen ständen schon wieder im Herbst 1842 die Orte<lb/>
Montercale, La Matrice und der Rest der Provinz in vollen Aufruhrflammen.<lb/>
Ein früherer Spion der verstorbenen Königin Marie Caroline (Gattin Fer¬<lb/>
dinands I.), Gennaro Tansani mit Namen, verhaßt wegen Rohheit und Härte,<lb/>
wurde auf dem Wege zum Castell, dessen Commandant er war, in Aquila<lb/>
erdolcht. General Casella dämpfte auch diesen Aufstand. 133 Menschen,<lb/>
darunter der Marchese Dragonetti, Luigi Falcone, der Baron Giuseppe Cappa,<lb/>
der Advocat Marrclli, kamen auf die Anklagebank. Vier wurden erschossen,<lb/>
66 zu Galeeren- und andern Strafen verurtheilt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_805" next="#ID_806"> Am 1ü. März 1844 ergriff Cosenza wieder die Fahne des Aufruhrs; auch<lb/>
dies Mal gab es keinen Erfolg, aber großes Blutvergießen. Wir übergehen<lb/>
die Liste der kämpfend Gefallenen. Sieben wurden susilirt, 14 auf die Ga-.<lb/>
leeren geschickt. Diese trugen kaum ihre rothen Jacken und drehten, die Kugel<lb/>
am Bein, die schweren Tauwinden im Graben des Castell Nuovo, als von</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 30*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0243] klarer waren beim Ausbruche der Cholera geflohen und wenig mehr als die untere Classe des Volkes hatte solcher Art Gelegenheit gehabt, thätig oder unthätig der Umwälzung zuzusehen. Es war zum großen Theil eine socialistische Bewegung gewesen, veranlaßt durch die Feigheit oder das Ausreißen der Be¬ amten und der Begüterten; den regierungsfeindlichen Stempel gab ihr eine Handvoll dreister Anhänger des jungen Italiens. So genügten denn 3000 Mann Schweizertruppen, in deren Gefolge der schon gefürchtete Del Carretto seinen Einzug hielt, um die Insel fast ohne Blutverlust der Bourbonenkrone wieder zu unterwerfen. Nachdem die Entvölkerung noch eine Weile durch standrechtliche Begnadigungen fortgesetzt worden war, ging Sicilien durch die Acte vom 31. October 1837 seiner eignen Verwaltung verlustig und wurde eroberte Provinz. Auch im Neapolitanischen waren zur nämlichen Zeit die Anhänger des jungen Italiens thätig gewesen. Die Abbruzzen ernannten eine provisorische Regierung und proclamirten die sogenannte Constitution von Palermo; Co- senza und Civita ti Penna lieferten als Häupter der Aufruhrspartei Cäsari, Castiglioni, Forcella und den Notar Caponetti. Doch erlagen auch diese Be¬ strebungen bald dem Einschreiten des Majors Ducarne. Die wirklichen Urheber entkamen. Die Verleiteten wurden hingerichtet; acht derselben allein in Teramo. Die Schwefelfrage gab 1840 der Negierung eine erwünschte Gelegenheit, der Unzufriedenheit eine andere Richtung anzuweisen und sie in eine Art Fremdenhaß umzustimmen. Bekanntlich mußte Ferdinand U. in dem Streit mit England sich die Vermittlung Thiers gefallen lassen; er hatte aber der von Malta herübergekommenen englischen Flotte doch die Zähne gezeigt und diese Befriedigung des neapolitanischen Nationalgefühls gab ihm wieder einige Popularität. Inzwischen ständen schon wieder im Herbst 1842 die Orte Montercale, La Matrice und der Rest der Provinz in vollen Aufruhrflammen. Ein früherer Spion der verstorbenen Königin Marie Caroline (Gattin Fer¬ dinands I.), Gennaro Tansani mit Namen, verhaßt wegen Rohheit und Härte, wurde auf dem Wege zum Castell, dessen Commandant er war, in Aquila erdolcht. General Casella dämpfte auch diesen Aufstand. 133 Menschen, darunter der Marchese Dragonetti, Luigi Falcone, der Baron Giuseppe Cappa, der Advocat Marrclli, kamen auf die Anklagebank. Vier wurden erschossen, 66 zu Galeeren- und andern Strafen verurtheilt. Am 1ü. März 1844 ergriff Cosenza wieder die Fahne des Aufruhrs; auch dies Mal gab es keinen Erfolg, aber großes Blutvergießen. Wir übergehen die Liste der kämpfend Gefallenen. Sieben wurden susilirt, 14 auf die Ga-. leeren geschickt. Diese trugen kaum ihre rothen Jacken und drehten, die Kugel am Bein, die schweren Tauwinden im Graben des Castell Nuovo, als von 30*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/243
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/243>, abgerufen am 23.07.2024.