Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Diese Lage der Dinge dauerte zum Glück nicht lange, obschoy füssf Jahre
immer genügen, um böse Saat in Menge auszustreuen^. Man hatte die Je¬
suiten zurückberufen. 55,000 Oestreicher zehrten am schwindenden Wohlstand
des Landes. Aus der Insel Sicilien allein hatte die Summe der politischen
Gefangenen die Höhe von -16,000 erreicht -- aus .ejner Gesammtbevölk^rung
von kaum 2 Millionen. Das Deficit der Staats.rechnung war jährlich im
Wachsen. Endlich, nach Ferdinand I. Tode, schien mit dem Regierungsantritte
seines Sohnes Franz I. eine glücklichere Zeit für dje vereinigten Königreiche
zu beginnen. Amnestien wurden erlassen, die Kerker gelichtet, mit Oestreich
vereinbart, daß der Bestand seiner Hilfsarmee auf 13,000 und demnächst auf
12,000 Mann vermindert werde, sobald die Kapitulation mit den schweizer
Cantonen Ersatzmannschaft in hinreichender Anzahl gestellt habe. Da indessen
das eigne Landheer nach der Beseitigung der Verfassung aufgelöst und den
Offizieren das Tragen ihrer Uniform verboten worden w,ar, sehlt.e es nicht an
Räuberbanden im Gebirge .und ein -großer Theil der Wehrkraft des Staats
wurde durch sie allein in Athem gehalten. Aus dieser Zeit lind aus ähnlichen
Anlässen batir.t im Wesentlichen die Theilnahme der italienischen Bevölkerung
für alles, was den Namen Bngan^e od.er selbst Birbante führt; es warben in der
That größtenteils politisch Unzufriedene. Nun die Begriffe einmal verwirrt
sind, bringt kein Moralprediger, sie wieder auf den richtigen Weg zurück.

Unter Franz I. Negierung taucht zum ersten AMe der Name Del Car-
rctto auf. Er zeichnete sich als Gendarmenobcrst 1828 in der Verfol¬
gung der verschworenen Gebrüder Capozzoli aus, zerstörte die Commune Bosco
und setzte dieser That .ein Denkmal in Gestalt einer Säule. Zugleich sprach
ein Circular die Weisung an.ö, in .Civilsachen die Anhänger der Murati
und Masoni und alle des CarhoMriömus Verdächtigen mit den höchsten, die
Gutgesinnten mit de.n niedrigsten Strafsätzen heimzusuchen.

Schon im November 1830 indessen gab es neuen Regierungswechsel,
n,cuc Hoffnungen, neue Säuberung der rasch wieder schmuzig gewordenen
Regierungsmaschine. Ferdinand It., der jetzige König, folgte seinem Va¬
ter Franz. Er war erst zwanzig Jahre alt und die politisch," Mmosphäre
des Jahres 183,0 brachte reformatorische Wünsche selbst verständlich mit sich.
So erfolgte denn am 10. November das Versprechen besserer Verwaltung,
.sparsameren Haushaltes, nationalerer Politik. Es wurde einigermaßen Wort
gehalten, und fast vier Jahre lang genoß Ferdinand U. das Glück, ein ge¬
horsames Volk zu regieren und durch Milde zu erreichen, waS seine Vorgänger
durch Strenge nicht durchgesetzt hatten. Die früheren Einflüsse machten sich
indessen nach und nach auch bei Ferdinand geltend. Man sprach ihm von den
Gefahren seines liberalen Systems, man ängstigte ihn mit erfundenen Vcr-


Grenzboten. IV. -I8SV. 30
> '

Diese Lage der Dinge dauerte zum Glück nicht lange, obschoy füssf Jahre
immer genügen, um böse Saat in Menge auszustreuen^. Man hatte die Je¬
suiten zurückberufen. 55,000 Oestreicher zehrten am schwindenden Wohlstand
des Landes. Aus der Insel Sicilien allein hatte die Summe der politischen
Gefangenen die Höhe von -16,000 erreicht — aus .ejner Gesammtbevölk^rung
von kaum 2 Millionen. Das Deficit der Staats.rechnung war jährlich im
Wachsen. Endlich, nach Ferdinand I. Tode, schien mit dem Regierungsantritte
seines Sohnes Franz I. eine glücklichere Zeit für dje vereinigten Königreiche
zu beginnen. Amnestien wurden erlassen, die Kerker gelichtet, mit Oestreich
vereinbart, daß der Bestand seiner Hilfsarmee auf 13,000 und demnächst auf
12,000 Mann vermindert werde, sobald die Kapitulation mit den schweizer
Cantonen Ersatzmannschaft in hinreichender Anzahl gestellt habe. Da indessen
das eigne Landheer nach der Beseitigung der Verfassung aufgelöst und den
Offizieren das Tragen ihrer Uniform verboten worden w,ar, sehlt.e es nicht an
Räuberbanden im Gebirge .und ein -großer Theil der Wehrkraft des Staats
wurde durch sie allein in Athem gehalten. Aus dieser Zeit lind aus ähnlichen
Anlässen batir.t im Wesentlichen die Theilnahme der italienischen Bevölkerung
für alles, was den Namen Bngan^e od.er selbst Birbante führt; es warben in der
That größtenteils politisch Unzufriedene. Nun die Begriffe einmal verwirrt
sind, bringt kein Moralprediger, sie wieder auf den richtigen Weg zurück.

Unter Franz I. Negierung taucht zum ersten AMe der Name Del Car-
rctto auf. Er zeichnete sich als Gendarmenobcrst 1828 in der Verfol¬
gung der verschworenen Gebrüder Capozzoli aus, zerstörte die Commune Bosco
und setzte dieser That .ein Denkmal in Gestalt einer Säule. Zugleich sprach
ein Circular die Weisung an.ö, in .Civilsachen die Anhänger der Murati
und Masoni und alle des CarhoMriömus Verdächtigen mit den höchsten, die
Gutgesinnten mit de.n niedrigsten Strafsätzen heimzusuchen.

Schon im November 1830 indessen gab es neuen Regierungswechsel,
n,cuc Hoffnungen, neue Säuberung der rasch wieder schmuzig gewordenen
Regierungsmaschine. Ferdinand It., der jetzige König, folgte seinem Va¬
ter Franz. Er war erst zwanzig Jahre alt und die politisch,« Mmosphäre
des Jahres 183,0 brachte reformatorische Wünsche selbst verständlich mit sich.
So erfolgte denn am 10. November das Versprechen besserer Verwaltung,
.sparsameren Haushaltes, nationalerer Politik. Es wurde einigermaßen Wort
gehalten, und fast vier Jahre lang genoß Ferdinand U. das Glück, ein ge¬
horsames Volk zu regieren und durch Milde zu erreichen, waS seine Vorgänger
durch Strenge nicht durchgesetzt hatten. Die früheren Einflüsse machten sich
indessen nach und nach auch bei Ferdinand geltend. Man sprach ihm von den
Gefahren seines liberalen Systems, man ängstigte ihn mit erfundenen Vcr-


Grenzboten. IV. -I8SV. 30
> '
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102836"/>
          <p xml:id="ID_796"> Diese Lage der Dinge dauerte zum Glück nicht lange, obschoy füssf Jahre<lb/>
immer genügen, um böse Saat in Menge auszustreuen^. Man hatte die Je¬<lb/>
suiten zurückberufen. 55,000 Oestreicher zehrten am schwindenden Wohlstand<lb/>
des Landes. Aus der Insel Sicilien allein hatte die Summe der politischen<lb/>
Gefangenen die Höhe von -16,000 erreicht &#x2014; aus .ejner Gesammtbevölk^rung<lb/>
von kaum 2 Millionen. Das Deficit der Staats.rechnung war jährlich im<lb/>
Wachsen. Endlich, nach Ferdinand I. Tode, schien mit dem Regierungsantritte<lb/>
seines Sohnes Franz I. eine glücklichere Zeit für dje vereinigten Königreiche<lb/>
zu beginnen. Amnestien wurden erlassen, die Kerker gelichtet, mit Oestreich<lb/>
vereinbart, daß der Bestand seiner Hilfsarmee auf 13,000 und demnächst auf<lb/>
12,000 Mann vermindert werde, sobald die Kapitulation mit den schweizer<lb/>
Cantonen Ersatzmannschaft in hinreichender Anzahl gestellt habe. Da indessen<lb/>
das eigne Landheer nach der Beseitigung der Verfassung aufgelöst und den<lb/>
Offizieren das Tragen ihrer Uniform verboten worden w,ar, sehlt.e es nicht an<lb/>
Räuberbanden im Gebirge .und ein -großer Theil der Wehrkraft des Staats<lb/>
wurde durch sie allein in Athem gehalten. Aus dieser Zeit lind aus ähnlichen<lb/>
Anlässen batir.t im Wesentlichen die Theilnahme der italienischen Bevölkerung<lb/>
für alles, was den Namen Bngan^e od.er selbst Birbante führt; es warben in der<lb/>
That größtenteils politisch Unzufriedene. Nun die Begriffe einmal verwirrt<lb/>
sind, bringt kein Moralprediger, sie wieder auf den richtigen Weg zurück.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_797"> Unter Franz I. Negierung taucht zum ersten AMe der Name Del Car-<lb/>
rctto auf. Er zeichnete sich als Gendarmenobcrst 1828 in der Verfol¬<lb/>
gung der verschworenen Gebrüder Capozzoli aus, zerstörte die Commune Bosco<lb/>
und setzte dieser That .ein Denkmal in Gestalt einer Säule. Zugleich sprach<lb/>
ein Circular die Weisung an.ö, in .Civilsachen die Anhänger der Murati<lb/>
und Masoni und alle des CarhoMriömus Verdächtigen mit den höchsten, die<lb/>
Gutgesinnten mit de.n niedrigsten Strafsätzen heimzusuchen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_798" next="#ID_799"> Schon im November 1830 indessen gab es neuen Regierungswechsel,<lb/>
n,cuc Hoffnungen, neue Säuberung der rasch wieder schmuzig gewordenen<lb/>
Regierungsmaschine. Ferdinand It., der jetzige König, folgte seinem Va¬<lb/>
ter Franz. Er war erst zwanzig Jahre alt und die politisch,« Mmosphäre<lb/>
des Jahres 183,0 brachte reformatorische Wünsche selbst verständlich mit sich.<lb/>
So erfolgte denn am 10. November das Versprechen besserer Verwaltung,<lb/>
.sparsameren Haushaltes, nationalerer Politik. Es wurde einigermaßen Wort<lb/>
gehalten, und fast vier Jahre lang genoß Ferdinand U. das Glück, ein ge¬<lb/>
horsames Volk zu regieren und durch Milde zu erreichen, waS seine Vorgänger<lb/>
durch Strenge nicht durchgesetzt hatten. Die früheren Einflüsse machten sich<lb/>
indessen nach und nach auch bei Ferdinand geltend. Man sprach ihm von den<lb/>
Gefahren seines liberalen Systems, man ängstigte ihn mit erfundenen Vcr-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. -I8SV. 30<lb/>
&gt; '</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0241] Diese Lage der Dinge dauerte zum Glück nicht lange, obschoy füssf Jahre immer genügen, um böse Saat in Menge auszustreuen^. Man hatte die Je¬ suiten zurückberufen. 55,000 Oestreicher zehrten am schwindenden Wohlstand des Landes. Aus der Insel Sicilien allein hatte die Summe der politischen Gefangenen die Höhe von -16,000 erreicht — aus .ejner Gesammtbevölk^rung von kaum 2 Millionen. Das Deficit der Staats.rechnung war jährlich im Wachsen. Endlich, nach Ferdinand I. Tode, schien mit dem Regierungsantritte seines Sohnes Franz I. eine glücklichere Zeit für dje vereinigten Königreiche zu beginnen. Amnestien wurden erlassen, die Kerker gelichtet, mit Oestreich vereinbart, daß der Bestand seiner Hilfsarmee auf 13,000 und demnächst auf 12,000 Mann vermindert werde, sobald die Kapitulation mit den schweizer Cantonen Ersatzmannschaft in hinreichender Anzahl gestellt habe. Da indessen das eigne Landheer nach der Beseitigung der Verfassung aufgelöst und den Offizieren das Tragen ihrer Uniform verboten worden w,ar, sehlt.e es nicht an Räuberbanden im Gebirge .und ein -großer Theil der Wehrkraft des Staats wurde durch sie allein in Athem gehalten. Aus dieser Zeit lind aus ähnlichen Anlässen batir.t im Wesentlichen die Theilnahme der italienischen Bevölkerung für alles, was den Namen Bngan^e od.er selbst Birbante führt; es warben in der That größtenteils politisch Unzufriedene. Nun die Begriffe einmal verwirrt sind, bringt kein Moralprediger, sie wieder auf den richtigen Weg zurück. Unter Franz I. Negierung taucht zum ersten AMe der Name Del Car- rctto auf. Er zeichnete sich als Gendarmenobcrst 1828 in der Verfol¬ gung der verschworenen Gebrüder Capozzoli aus, zerstörte die Commune Bosco und setzte dieser That .ein Denkmal in Gestalt einer Säule. Zugleich sprach ein Circular die Weisung an.ö, in .Civilsachen die Anhänger der Murati und Masoni und alle des CarhoMriömus Verdächtigen mit den höchsten, die Gutgesinnten mit de.n niedrigsten Strafsätzen heimzusuchen. Schon im November 1830 indessen gab es neuen Regierungswechsel, n,cuc Hoffnungen, neue Säuberung der rasch wieder schmuzig gewordenen Regierungsmaschine. Ferdinand It., der jetzige König, folgte seinem Va¬ ter Franz. Er war erst zwanzig Jahre alt und die politisch,« Mmosphäre des Jahres 183,0 brachte reformatorische Wünsche selbst verständlich mit sich. So erfolgte denn am 10. November das Versprechen besserer Verwaltung, .sparsameren Haushaltes, nationalerer Politik. Es wurde einigermaßen Wort gehalten, und fast vier Jahre lang genoß Ferdinand U. das Glück, ein ge¬ horsames Volk zu regieren und durch Milde zu erreichen, waS seine Vorgänger durch Strenge nicht durchgesetzt hatten. Die früheren Einflüsse machten sich indessen nach und nach auch bei Ferdinand geltend. Man sprach ihm von den Gefahren seines liberalen Systems, man ängstigte ihn mit erfundenen Vcr- Grenzboten. IV. -I8SV. 30 > '

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/241
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/241>, abgerufen am 23.07.2024.