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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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ab. Die Bienen füttern nämlich die Brut in den großen Königinzellen nur
mit vorgekauter und vvrverdauter Speise, die Brut in den kleinen Arbeiter¬
zellen aber erhält solche Speise nur in den ersten Tagen, später aber rohen
Blüthenstaub und Honig. Demgemäß bauen die Bienen, wenn ein Stock
plötzlich weisellos wird, öfters eine Arbeiterzelle größer und füttern die Larve
darin mit Königinnennahrung, worauf sie sich zu einem Weisel entwickelt. Wird
eine Arbeitsbiene zu lange mit solcher Speise genährt, so entwickelt sich ihr
Eierstock und sie beginnt Eier zu legen, da aber der Befrnchtungsapparat ver¬
kümmert bleibt und eine Begattung nicht stattfinden kann, so legt sie nur un¬
befruchtete, also Drohneneier.

Etwas Aehnliches findet statt, wenn die junge Königin durch irgend einen
Unfall flügellahm geworden ist, und den Hochzeitflug nicht hat machen können,
das Bläschen , wovon wir oben sprachen, enthält dann blos Wasser, keinen
Samen und die Königin legt alle Zellen voll Drohneneier; dasselbe thut sie,
wenn sie alt wird und der Samenvorrath der einzigen Begattung erschöpft ist.
Sie wird dann ebenfalls drohnenbrütig und die Bienen sind genöthigt, die
Arbeiterzellen zu vergrößern, um deu großen Drohnen Raum zu schaffen; da¬
durch werden die Weben unordentlich und buckelig gestaltet.

In neuerer Zeit haben die Bienenzüchter aus Italien eine ganz gelbe Bienen¬
sorte eingeführt, welche sie für friedfertiger und fleißiger halten, als die deutsche
schwärzliche. Beide Sorten paaren sich aber miteinander und bringen Mischlinge
hervor. Die Beschaffenheit derselben hat einen Beweis für die Richtigkeit der obi¬
gen Theorie gegeben. Denn alle rein italienischen Königinnen erzeugen, auch
wenn sie theils italienische, theils deutsche Arbeiter hervorbringen, nur italie¬
nische Drohnen; umgekehrt gilt dasselbe von den deutschen Weiseln. Wo die
Mutter aber selbst nicht schön gelb ist, sondern schon Bruchtheile schwarzen
Blutes in sich hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor; denn, mag die
Befruchtung von deutschen oder italienischen Männchen vorgenommen sein,
die Drohnen folgen immer der Mutter.

Dem Pfarrer Dzierzon in Karlsmarkt gebührt das Verdienst, die oben
vorgetragene Theorie zuerst aufgefaßt und in ihren Grundzügen klar und
bestimmt vorgetragen ZU haben. Nach ihm nahm ein andrer denkender Bienen¬
züchter, der Baron von Berlepsch in Seebach, sich der Sache besonders an,
machte an seinen zahlreichen Bienenstöcken viele gute Beobachtungen, und
stellte dieselben mit großer Liberalität den Naturforschern Siebold und Leuckart
zur Disposition für ihre Untersuchungen.

Die Theorie fand nämlich trotz ihrer augenscheinlichen Nichtigkeit unter
den Bienenzüchtern immer noch Widerspruch und endlich ward sogar Dzierzon
selbst infolge einer Beobachtung, die ihm dagegenzusprechen schien, wieder
Zweifelhaft. Um so eifriger wurden die drei andern Forscher, ihre Nichtigkeit


Grenzboten. IV. 28

ab. Die Bienen füttern nämlich die Brut in den großen Königinzellen nur
mit vorgekauter und vvrverdauter Speise, die Brut in den kleinen Arbeiter¬
zellen aber erhält solche Speise nur in den ersten Tagen, später aber rohen
Blüthenstaub und Honig. Demgemäß bauen die Bienen, wenn ein Stock
plötzlich weisellos wird, öfters eine Arbeiterzelle größer und füttern die Larve
darin mit Königinnennahrung, worauf sie sich zu einem Weisel entwickelt. Wird
eine Arbeitsbiene zu lange mit solcher Speise genährt, so entwickelt sich ihr
Eierstock und sie beginnt Eier zu legen, da aber der Befrnchtungsapparat ver¬
kümmert bleibt und eine Begattung nicht stattfinden kann, so legt sie nur un¬
befruchtete, also Drohneneier.

Etwas Aehnliches findet statt, wenn die junge Königin durch irgend einen
Unfall flügellahm geworden ist, und den Hochzeitflug nicht hat machen können,
das Bläschen , wovon wir oben sprachen, enthält dann blos Wasser, keinen
Samen und die Königin legt alle Zellen voll Drohneneier; dasselbe thut sie,
wenn sie alt wird und der Samenvorrath der einzigen Begattung erschöpft ist.
Sie wird dann ebenfalls drohnenbrütig und die Bienen sind genöthigt, die
Arbeiterzellen zu vergrößern, um deu großen Drohnen Raum zu schaffen; da¬
durch werden die Weben unordentlich und buckelig gestaltet.

In neuerer Zeit haben die Bienenzüchter aus Italien eine ganz gelbe Bienen¬
sorte eingeführt, welche sie für friedfertiger und fleißiger halten, als die deutsche
schwärzliche. Beide Sorten paaren sich aber miteinander und bringen Mischlinge
hervor. Die Beschaffenheit derselben hat einen Beweis für die Richtigkeit der obi¬
gen Theorie gegeben. Denn alle rein italienischen Königinnen erzeugen, auch
wenn sie theils italienische, theils deutsche Arbeiter hervorbringen, nur italie¬
nische Drohnen; umgekehrt gilt dasselbe von den deutschen Weiseln. Wo die
Mutter aber selbst nicht schön gelb ist, sondern schon Bruchtheile schwarzen
Blutes in sich hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor; denn, mag die
Befruchtung von deutschen oder italienischen Männchen vorgenommen sein,
die Drohnen folgen immer der Mutter.

Dem Pfarrer Dzierzon in Karlsmarkt gebührt das Verdienst, die oben
vorgetragene Theorie zuerst aufgefaßt und in ihren Grundzügen klar und
bestimmt vorgetragen ZU haben. Nach ihm nahm ein andrer denkender Bienen¬
züchter, der Baron von Berlepsch in Seebach, sich der Sache besonders an,
machte an seinen zahlreichen Bienenstöcken viele gute Beobachtungen, und
stellte dieselben mit großer Liberalität den Naturforschern Siebold und Leuckart
zur Disposition für ihre Untersuchungen.

Die Theorie fand nämlich trotz ihrer augenscheinlichen Nichtigkeit unter
den Bienenzüchtern immer noch Widerspruch und endlich ward sogar Dzierzon
selbst infolge einer Beobachtung, die ihm dagegenzusprechen schien, wieder
Zweifelhaft. Um so eifriger wurden die drei andern Forscher, ihre Nichtigkeit


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[0225] ab. Die Bienen füttern nämlich die Brut in den großen Königinzellen nur mit vorgekauter und vvrverdauter Speise, die Brut in den kleinen Arbeiter¬ zellen aber erhält solche Speise nur in den ersten Tagen, später aber rohen Blüthenstaub und Honig. Demgemäß bauen die Bienen, wenn ein Stock plötzlich weisellos wird, öfters eine Arbeiterzelle größer und füttern die Larve darin mit Königinnennahrung, worauf sie sich zu einem Weisel entwickelt. Wird eine Arbeitsbiene zu lange mit solcher Speise genährt, so entwickelt sich ihr Eierstock und sie beginnt Eier zu legen, da aber der Befrnchtungsapparat ver¬ kümmert bleibt und eine Begattung nicht stattfinden kann, so legt sie nur un¬ befruchtete, also Drohneneier. Etwas Aehnliches findet statt, wenn die junge Königin durch irgend einen Unfall flügellahm geworden ist, und den Hochzeitflug nicht hat machen können, das Bläschen , wovon wir oben sprachen, enthält dann blos Wasser, keinen Samen und die Königin legt alle Zellen voll Drohneneier; dasselbe thut sie, wenn sie alt wird und der Samenvorrath der einzigen Begattung erschöpft ist. Sie wird dann ebenfalls drohnenbrütig und die Bienen sind genöthigt, die Arbeiterzellen zu vergrößern, um deu großen Drohnen Raum zu schaffen; da¬ durch werden die Weben unordentlich und buckelig gestaltet. In neuerer Zeit haben die Bienenzüchter aus Italien eine ganz gelbe Bienen¬ sorte eingeführt, welche sie für friedfertiger und fleißiger halten, als die deutsche schwärzliche. Beide Sorten paaren sich aber miteinander und bringen Mischlinge hervor. Die Beschaffenheit derselben hat einen Beweis für die Richtigkeit der obi¬ gen Theorie gegeben. Denn alle rein italienischen Königinnen erzeugen, auch wenn sie theils italienische, theils deutsche Arbeiter hervorbringen, nur italie¬ nische Drohnen; umgekehrt gilt dasselbe von den deutschen Weiseln. Wo die Mutter aber selbst nicht schön gelb ist, sondern schon Bruchtheile schwarzen Blutes in sich hat, da kommen auch die Drohnen gemischt hervor; denn, mag die Befruchtung von deutschen oder italienischen Männchen vorgenommen sein, die Drohnen folgen immer der Mutter. Dem Pfarrer Dzierzon in Karlsmarkt gebührt das Verdienst, die oben vorgetragene Theorie zuerst aufgefaßt und in ihren Grundzügen klar und bestimmt vorgetragen ZU haben. Nach ihm nahm ein andrer denkender Bienen¬ züchter, der Baron von Berlepsch in Seebach, sich der Sache besonders an, machte an seinen zahlreichen Bienenstöcken viele gute Beobachtungen, und stellte dieselben mit großer Liberalität den Naturforschern Siebold und Leuckart zur Disposition für ihre Untersuchungen. Die Theorie fand nämlich trotz ihrer augenscheinlichen Nichtigkeit unter den Bienenzüchtern immer noch Widerspruch und endlich ward sogar Dzierzon selbst infolge einer Beobachtung, die ihm dagegenzusprechen schien, wieder Zweifelhaft. Um so eifriger wurden die drei andern Forscher, ihre Nichtigkeit Grenzboten. IV. 28

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/225>, abgerufen am 03.07.2024.