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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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die Feilen. Die Knechte aber, die den Jungfrauen dienten, hatten daS unter
dem Holze ersehen, und fingen an miteinander zu raunen. DaS hörte ich
und sagte es ihm sogleich. Da erschrak er so sehr, daß er die Farbe wechselte,
nahm sie wieder zu sich und barg sie anderswohin, und sprach zu mir: Frau,
seht zu, daß wir Licht haben. Und ich bat eine alte Frau, daß sie mir etliche
Kerzen gäbe, weil ich viel zu beten hätte, denn es war an einem Samstag
Nacht, und war der nächste .Samstag nach Allermanns Fasching. -- Ich
nahm die Kerzen und verbarg sie in der Nähe. Als nun die Jungfrauen
und jedermann schlafen war, da blieben in der kleinern Stube ich und die
alte Frau, die ich mit mir gebracht hatte, die konnte kein Wort Deutsch und
wußte auch von der Sache nichts,' hatte auch vom Hause keine Kundschaft,
und lag da und schlief fest. Da jetzt die Zeit war, kam er, der da mit nur
in den Nöthen war, durch die Kapelle an die Thür und klopfte an. Da that
ich ihm auf und schloß nach ihm wieder zu. Nun hatte er einen Knecht mit
sich gebracht, der ihm helfen sollte, der hieß mit Taufnamen ebenso wie er,
der hatte ihm geschworen. Und ich gehe hin und will ihm die Kerzen bringen,
da waren sie verloren. Da erschrak ich so sehr, daß ich nicht wußte, was ich
thun sollte, und fast wäre die Sache gescheitert allein des Lichtes wegen. Da
bedachte ich mich, ging und weckte heimlich die Frau, die mir die Kerzen ge¬
geben hatte, und sagte ihr, die Kerzen wären verloren und ich hätte noch
viel zu beten. Da gab sie mir andere. Ich war froh, gab ihm die, gab ihm
auch die Schlösser, die man wieder anschlagen sollte, und meiner gnädigen
Frau kleines Siegel, womit man wieder zusiegeln sollte, und die drei Schlüssel,
die zu der vordem Thür gehörten. Er nahm das Tuch mit dem Petschaft
von dem Schloß, das der Burggraf darauf gelegt hatte, öffnete, ging hinein
mit seinem Diener und arbeitete stark an den andern Schlössern, daß das
Schlagen und Feilen überlaut war. Und die Wächter und des Burggrafen
Volk waren dieselbe Nacht gar munter in der Sorge, die sie um die Krone
hatten, dennoch hat der allmächtige Gott aller Ohren verstopft, daß keiner von
ihnen den Lärm hörte. Nur ich hörte alles wohl und ich hielt unterdeß die
Wache in großer Angst und Sorge. Und ich kniete nieder in großer Andacht
und bat zu Gott und zu unserer lieben Frau, daß sie mir und meinen Helfern
beistände. Doch hatte ich größere Sorge um meine Seele als um mein
Leben und bat zu Gott, 'wenn das wider Gott geschähe, so daß ich deshalb
verdammt werden sollte oder daß ein Unglück daraus für Land und Leute ent¬
stehen sollte, daß in diesem Fall Gott meiner Seele gnädig wäre und mich
lieber hier zur Stelle sterben ließe. Als ich so bat, da klang ein starker Ton
und ein Gerassel, als wenn viele mit Harnischen an der Thüre wären, durch
die ich den eingelassen hatte, der mein Helfer war, und mir kam vor, als
wollten sie die Thür ausstoßen. Da erschrak ich gar sehr, erhob mich, und


die Feilen. Die Knechte aber, die den Jungfrauen dienten, hatten daS unter
dem Holze ersehen, und fingen an miteinander zu raunen. DaS hörte ich
und sagte es ihm sogleich. Da erschrak er so sehr, daß er die Farbe wechselte,
nahm sie wieder zu sich und barg sie anderswohin, und sprach zu mir: Frau,
seht zu, daß wir Licht haben. Und ich bat eine alte Frau, daß sie mir etliche
Kerzen gäbe, weil ich viel zu beten hätte, denn es war an einem Samstag
Nacht, und war der nächste .Samstag nach Allermanns Fasching. — Ich
nahm die Kerzen und verbarg sie in der Nähe. Als nun die Jungfrauen
und jedermann schlafen war, da blieben in der kleinern Stube ich und die
alte Frau, die ich mit mir gebracht hatte, die konnte kein Wort Deutsch und
wußte auch von der Sache nichts,' hatte auch vom Hause keine Kundschaft,
und lag da und schlief fest. Da jetzt die Zeit war, kam er, der da mit nur
in den Nöthen war, durch die Kapelle an die Thür und klopfte an. Da that
ich ihm auf und schloß nach ihm wieder zu. Nun hatte er einen Knecht mit
sich gebracht, der ihm helfen sollte, der hieß mit Taufnamen ebenso wie er,
der hatte ihm geschworen. Und ich gehe hin und will ihm die Kerzen bringen,
da waren sie verloren. Da erschrak ich so sehr, daß ich nicht wußte, was ich
thun sollte, und fast wäre die Sache gescheitert allein des Lichtes wegen. Da
bedachte ich mich, ging und weckte heimlich die Frau, die mir die Kerzen ge¬
geben hatte, und sagte ihr, die Kerzen wären verloren und ich hätte noch
viel zu beten. Da gab sie mir andere. Ich war froh, gab ihm die, gab ihm
auch die Schlösser, die man wieder anschlagen sollte, und meiner gnädigen
Frau kleines Siegel, womit man wieder zusiegeln sollte, und die drei Schlüssel,
die zu der vordem Thür gehörten. Er nahm das Tuch mit dem Petschaft
von dem Schloß, das der Burggraf darauf gelegt hatte, öffnete, ging hinein
mit seinem Diener und arbeitete stark an den andern Schlössern, daß das
Schlagen und Feilen überlaut war. Und die Wächter und des Burggrafen
Volk waren dieselbe Nacht gar munter in der Sorge, die sie um die Krone
hatten, dennoch hat der allmächtige Gott aller Ohren verstopft, daß keiner von
ihnen den Lärm hörte. Nur ich hörte alles wohl und ich hielt unterdeß die
Wache in großer Angst und Sorge. Und ich kniete nieder in großer Andacht
und bat zu Gott und zu unserer lieben Frau, daß sie mir und meinen Helfern
beistände. Doch hatte ich größere Sorge um meine Seele als um mein
Leben und bat zu Gott, 'wenn das wider Gott geschähe, so daß ich deshalb
verdammt werden sollte oder daß ein Unglück daraus für Land und Leute ent¬
stehen sollte, daß in diesem Fall Gott meiner Seele gnädig wäre und mich
lieber hier zur Stelle sterben ließe. Als ich so bat, da klang ein starker Ton
und ein Gerassel, als wenn viele mit Harnischen an der Thüre wären, durch
die ich den eingelassen hatte, der mein Helfer war, und mir kam vor, als
wollten sie die Thür ausstoßen. Da erschrak ich gar sehr, erhob mich, und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/22>, abgerufen am 23.07.2024.