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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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grausam lebten, da erschraken sie gar sehr. Und viele der Häuser wurden aus
großer Furcht geräumt; Etliche unterhandelten mit den Feinden und gaben Geld sür
die Hofe und für die Dörfer. Und alö nun die Landschaft sah und erkannte,
wie es zuging, daß kein Aufgebot und keine Wehr in dem Lande war und
keine Hilfe von andern Landen, da begann dem Lande zu grauen und zu
bangen. Aber der tüchtige Hermann Zettritz von Fürstenstein nahm Geleit zu
der Hussen Heer, dieweil sie noch vor Wcderau lagen, und das that er nach
Berathung mit andern Schloßherrn, doch die Landschaft wußte davon nichts.
Und als er nun zu ihnen in das Heer kam und dort für der Landschaft Bestes
sprach und von ihnen begehrte, daß sie das Land unbeschädigt ließen uno
nicht so jämmerlich und kläglich und gründlich verdürben, da hielten die Siel¬
testen der Taborer und der Waisen ein Gespräch, beredeten und beriethen sich
und gaben Hermann Zettritz solche Antwort, sie wären öffentliche Feinde der
Landschaft, und man hieße sie in diesem Lande Ketzer. Auch hätte diese
Landschaft ihr Böhmerlaud überzogen und hätte es verderben helfen. "Und
darum," sprachen sie, "verdrießt Euch das, so wehrt uns das. Allhier sind
wir, wir wollen auf Euch warten, rüstet Euch dazu." Aber es trat ihnen
niemand entgegen, als Hermann Zettritz, der gab gute Worte und
war versöhnlich gegen sie, denn er war wohl bekannt und geachtet
von den böhmischen Schloßherrn. Da begehrte er von den Böhmen, sie sollten
dem Lande Friede geben auf einige Zeit und aus dem Lande ziehen. Da be¬
sprachen sich wieder die Böhmen und Hussen und gaben Hermann Zettritz solche
Antwort, sie wollten dem Lande einige Zeit Friede geben und ein gutes Ver¬
hältniß zu dem Lande haben, sofern wenn man wollte in dieser Zeit im Lande
den Tanz meiden lind im Lande auch die freien Weiber*) nicht halten und
nicht leiden, sondern diese aus dem Lande jagen und vertreiben, wie sie zu
Böhmen auch gethan hätten. Und eS war Hermann Zeltritz gar fremd, solchen
schmählichen Antrag zu hören, wie sie ihn stellten. Und sie erlaubten ihm,
das Land zu fragen und zu bereden, und die Sache sollte gütlich stehen vom
Sonnabend bis auf den Dienstag, sie wollten auch dieweil nicht brennen im
Lande, noch stürmen, noch morden, und niemand sahen, sondern stille liegen.
M,er Eßwaare und Futter müßten sie haben, sie wollten das nehmen, wo sie
es fänden und bekommen könnten. -- Da die Landschaft hörte und vernahm,
daß die Feinde ihr Friede geben wollten, da waren alle gar froh, und sagten
Hermann Zettritz, er sollte dem Lande Frieden schaffen, so gut er könnte. --
Da zogen die Hussen wieder gen Böhmen.



Die Eiurichiuug der öffentlichen Hänser im Miitclalter, und die Ausdehnung, welche
das Geschäft derselben damals erhalten Halle, konnte allerdings die Puritaner des -15. Jahr-
hunderts empören. Die Schlesier stellen auch sonst in diesen Kämpfe" die Cavaliere vor,
leider zumeist von der schlechten Seite.

grausam lebten, da erschraken sie gar sehr. Und viele der Häuser wurden aus
großer Furcht geräumt; Etliche unterhandelten mit den Feinden und gaben Geld sür
die Hofe und für die Dörfer. Und alö nun die Landschaft sah und erkannte,
wie es zuging, daß kein Aufgebot und keine Wehr in dem Lande war und
keine Hilfe von andern Landen, da begann dem Lande zu grauen und zu
bangen. Aber der tüchtige Hermann Zettritz von Fürstenstein nahm Geleit zu
der Hussen Heer, dieweil sie noch vor Wcderau lagen, und das that er nach
Berathung mit andern Schloßherrn, doch die Landschaft wußte davon nichts.
Und als er nun zu ihnen in das Heer kam und dort für der Landschaft Bestes
sprach und von ihnen begehrte, daß sie das Land unbeschädigt ließen uno
nicht so jämmerlich und kläglich und gründlich verdürben, da hielten die Siel¬
testen der Taborer und der Waisen ein Gespräch, beredeten und beriethen sich
und gaben Hermann Zettritz solche Antwort, sie wären öffentliche Feinde der
Landschaft, und man hieße sie in diesem Lande Ketzer. Auch hätte diese
Landschaft ihr Böhmerlaud überzogen und hätte es verderben helfen. „Und
darum," sprachen sie, „verdrießt Euch das, so wehrt uns das. Allhier sind
wir, wir wollen auf Euch warten, rüstet Euch dazu." Aber es trat ihnen
niemand entgegen, als Hermann Zettritz, der gab gute Worte und
war versöhnlich gegen sie, denn er war wohl bekannt und geachtet
von den böhmischen Schloßherrn. Da begehrte er von den Böhmen, sie sollten
dem Lande Friede geben auf einige Zeit und aus dem Lande ziehen. Da be¬
sprachen sich wieder die Böhmen und Hussen und gaben Hermann Zettritz solche
Antwort, sie wollten dem Lande einige Zeit Friede geben und ein gutes Ver¬
hältniß zu dem Lande haben, sofern wenn man wollte in dieser Zeit im Lande
den Tanz meiden lind im Lande auch die freien Weiber*) nicht halten und
nicht leiden, sondern diese aus dem Lande jagen und vertreiben, wie sie zu
Böhmen auch gethan hätten. Und eS war Hermann Zeltritz gar fremd, solchen
schmählichen Antrag zu hören, wie sie ihn stellten. Und sie erlaubten ihm,
das Land zu fragen und zu bereden, und die Sache sollte gütlich stehen vom
Sonnabend bis auf den Dienstag, sie wollten auch dieweil nicht brennen im
Lande, noch stürmen, noch morden, und niemand sahen, sondern stille liegen.
M,er Eßwaare und Futter müßten sie haben, sie wollten das nehmen, wo sie
es fänden und bekommen könnten. — Da die Landschaft hörte und vernahm,
daß die Feinde ihr Friede geben wollten, da waren alle gar froh, und sagten
Hermann Zettritz, er sollte dem Lande Frieden schaffen, so gut er könnte. —
Da zogen die Hussen wieder gen Böhmen.



Die Eiurichiuug der öffentlichen Hänser im Miitclalter, und die Ausdehnung, welche
das Geschäft derselben damals erhalten Halle, konnte allerdings die Puritaner des -15. Jahr-
hunderts empören. Die Schlesier stellen auch sonst in diesen Kämpfe» die Cavaliere vor,
leider zumeist von der schlechten Seite.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/200>, abgerufen am 23.07.2024.