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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Doch auch Holberg blieb ein Kind seiner Zeit, und den Charakter einer
Periode spiegelt nichts besser und, den künftigen Geschlechtern verständlicher,-aW
das Lustspiel. So können wir in Holbergs Komödien ein lebendiges Bild
jener Zeit erblicken, und wir erkennen trotz alles Tadels die .damals noch
herrschende Einfalt und Einfachheit; wir verstehen aber auch die vollständige
Theilnahmlostgkeit der Bürger an den Geschicken des Vaterlands, so weit sie
den eignen Beutel nicht berührten, und verspüren selbst durch diese Volks-
scenen hindurch jene Ohnmacht und jenen Mangel des, sich fühlenden Volks¬
bewußtseins , das in den kleinlichen Intriguen der Cabinete ganz aufge¬
gangen schien.

Wir erkennen aber auch ferner den bedeutenden Verkehr, der zwischen
Dänemark und Deutschland waltete. Lübeck ist dort das Kleinparis der Kopen-
hagner, "lübsch" ist ihnen gleichbedeutend mit "fremd, neu und groß." Gleich
das erste hvlbergsche Lustspiel spielt in Hamburg unter den Bürgern, und in
einem spätern Lustspiel, dem "Ulysses von Jthacia", verspottet er das deutsche
Theater, das denn freilich damals auch den Höhepunkt des Unsinns und der
Abgeschmacktheit in den Haupt- und Staatsactionen erreicht hatte. Eine
deutsche Gesellschaft war nach Kopenhagen - gekommen, wie dies öfters geschah
-- wir erinnern hier an Elias Schlegel -- und Holberg mußte befürchten,
diese ihm schreckliche Art die Oberhand gewinnen zu sehen; -- was ihn Haupt>
sächlich zu seiner Persiflage veranlaßte.

Mur hat Holberg oft mit Moliere verglichen, aber wenn er irgend einem
Lustspieldichter ähnlich ist, so ist es unbedingt der freilich weit größere Plautus,
mit dem er in Wahl und Behandlung seines Stoffes, der Art seines Witzes
und dem ganzen kernigen Wesen übereinstimmt, -- übereinstimmt selbst in so
weit, alö auch Plautus von allen Seiten den Stoff seiner Komödien nehmend,
dieselben doch zu nationalen Erzeugnissen umschuf, sich mit Bewußtsein einer
conventionellen Richtung entgegenstellte und reiner, Volksdichter war. So
erklärt sich denn auch Holbergs Vorliebe für seinen Geistesverwandten, den er
in seiner Lebensbeschreibung weit über Terenz stellte, welcher letztere sich viel
besser wieder mit dem feinen, geschmackvollen Moliöre vergleichen läßt.
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Doch auch Holberg blieb ein Kind seiner Zeit, und den Charakter einer
Periode spiegelt nichts besser und, den künftigen Geschlechtern verständlicher,-aW
das Lustspiel. So können wir in Holbergs Komödien ein lebendiges Bild
jener Zeit erblicken, und wir erkennen trotz alles Tadels die .damals noch
herrschende Einfalt und Einfachheit; wir verstehen aber auch die vollständige
Theilnahmlostgkeit der Bürger an den Geschicken des Vaterlands, so weit sie
den eignen Beutel nicht berührten, und verspüren selbst durch diese Volks-
scenen hindurch jene Ohnmacht und jenen Mangel des, sich fühlenden Volks¬
bewußtseins , das in den kleinlichen Intriguen der Cabinete ganz aufge¬
gangen schien.

Wir erkennen aber auch ferner den bedeutenden Verkehr, der zwischen
Dänemark und Deutschland waltete. Lübeck ist dort das Kleinparis der Kopen-
hagner, „lübsch" ist ihnen gleichbedeutend mit „fremd, neu und groß." Gleich
das erste hvlbergsche Lustspiel spielt in Hamburg unter den Bürgern, und in
einem spätern Lustspiel, dem „Ulysses von Jthacia", verspottet er das deutsche
Theater, das denn freilich damals auch den Höhepunkt des Unsinns und der
Abgeschmacktheit in den Haupt- und Staatsactionen erreicht hatte. Eine
deutsche Gesellschaft war nach Kopenhagen - gekommen, wie dies öfters geschah
— wir erinnern hier an Elias Schlegel — und Holberg mußte befürchten,
diese ihm schreckliche Art die Oberhand gewinnen zu sehen; — was ihn Haupt>
sächlich zu seiner Persiflage veranlaßte.

Mur hat Holberg oft mit Moliere verglichen, aber wenn er irgend einem
Lustspieldichter ähnlich ist, so ist es unbedingt der freilich weit größere Plautus,
mit dem er in Wahl und Behandlung seines Stoffes, der Art seines Witzes
und dem ganzen kernigen Wesen übereinstimmt, — übereinstimmt selbst in so
weit, alö auch Plautus von allen Seiten den Stoff seiner Komödien nehmend,
dieselben doch zu nationalen Erzeugnissen umschuf, sich mit Bewußtsein einer
conventionellen Richtung entgegenstellte und reiner, Volksdichter war. So
erklärt sich denn auch Holbergs Vorliebe für seinen Geistesverwandten, den er
in seiner Lebensbeschreibung weit über Terenz stellte, welcher letztere sich viel
besser wieder mit dem feinen, geschmackvollen Moliöre vergleichen läßt.
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[0192] Doch auch Holberg blieb ein Kind seiner Zeit, und den Charakter einer Periode spiegelt nichts besser und, den künftigen Geschlechtern verständlicher,-aW das Lustspiel. So können wir in Holbergs Komödien ein lebendiges Bild jener Zeit erblicken, und wir erkennen trotz alles Tadels die .damals noch herrschende Einfalt und Einfachheit; wir verstehen aber auch die vollständige Theilnahmlostgkeit der Bürger an den Geschicken des Vaterlands, so weit sie den eignen Beutel nicht berührten, und verspüren selbst durch diese Volks- scenen hindurch jene Ohnmacht und jenen Mangel des, sich fühlenden Volks¬ bewußtseins , das in den kleinlichen Intriguen der Cabinete ganz aufge¬ gangen schien. Wir erkennen aber auch ferner den bedeutenden Verkehr, der zwischen Dänemark und Deutschland waltete. Lübeck ist dort das Kleinparis der Kopen- hagner, „lübsch" ist ihnen gleichbedeutend mit „fremd, neu und groß." Gleich das erste hvlbergsche Lustspiel spielt in Hamburg unter den Bürgern, und in einem spätern Lustspiel, dem „Ulysses von Jthacia", verspottet er das deutsche Theater, das denn freilich damals auch den Höhepunkt des Unsinns und der Abgeschmacktheit in den Haupt- und Staatsactionen erreicht hatte. Eine deutsche Gesellschaft war nach Kopenhagen - gekommen, wie dies öfters geschah — wir erinnern hier an Elias Schlegel — und Holberg mußte befürchten, diese ihm schreckliche Art die Oberhand gewinnen zu sehen; — was ihn Haupt> sächlich zu seiner Persiflage veranlaßte. Mur hat Holberg oft mit Moliere verglichen, aber wenn er irgend einem Lustspieldichter ähnlich ist, so ist es unbedingt der freilich weit größere Plautus, mit dem er in Wahl und Behandlung seines Stoffes, der Art seines Witzes und dem ganzen kernigen Wesen übereinstimmt, — übereinstimmt selbst in so weit, alö auch Plautus von allen Seiten den Stoff seiner Komödien nehmend, dieselben doch zu nationalen Erzeugnissen umschuf, sich mit Bewußtsein einer conventionellen Richtung entgegenstellte und reiner, Volksdichter war. So erklärt sich denn auch Holbergs Vorliebe für seinen Geistesverwandten, den er in seiner Lebensbeschreibung weit über Terenz stellte, welcher letztere sich viel besser wieder mit dem feinen, geschmackvollen Moliöre vergleichen läßt. i!>iltti-> >N?it<i!i7'/7<IilI« s,»Ulk»it M, -0.!et ,1?et'i','^. lüll,<^ sjittli'iA

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/192>, abgerufen am 23.07.2024.