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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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ungarische Herren mit ihr. Sie gingen in das Gewölbe, trugen die Truhe
mit der heiligen Krone herauf, und nahmen die heilige Krone mit dem Ge¬
häuse heraus. An diesem waren viele Siegel. Die brachen sie ab, nahmen
die Krone heraus und sahen dieselbe recht genau an. Ich war dabei. Dar¬
nach nahmen sie die heilige Krone und setzten sie in eine kleine Kiste. Nun
stand nahe bei derselben Kiste ein Bett, darauf lag die edle Königin mit
schwerer Leibesbürde, und bei ihr in demselben Gemach lagen zwei Jung¬
frauen, die eine hieß Barbara, eines ungarischen Herrn Tochter, die andere
hieß die Jronacherin; ein Nachtlicht, auch eine Wachskerze dabei, wie denn
Gewohnheit ist bei den Fürstinnen. Nun war die Jungfrau bei der Nacht
aufgestanden, und weil sie übersehen hatte, daß das Licht umgefallen war,
entstand Feuer in dem Gemach, und es brannte an die Kiste, so daß diese ver¬
sengt ward, und oben auf der Kiste lag ein blaues sammtnes Polster, darein
brannte ein Loch, größer als eine Spanne. Und merket das Wunder, es war
der König noch verschlossen in seinem Mutterleib, der die heilige Krone tragen
sollte, und beide, waren kaum zwei Klaftern voneinander, entfernt, die hätte
der böse Feind gern mit der Feuersbrunst geschädigt, aber Gott war Hüter,
der hat die Königin zu rechter Zeit aufgeweckt. Ich lag damals bei der jungen
Königin. Da kamen die Jungfrauen, ich solle schnell aufstehen, es brenne in dem
Gewölbe, worin meine gnädige Frau läge. Ich erschrak gar sehr, stand eilig
auf und eilte in das Gemach. Es war voller Rauch, und ich dämpfte und
löschte das Feuer, ließ den Rauch heraus, und füllte es wieder mit reiner
Luft, daß die edle Königin die Nacht darin schlafen konnte. Des Morgens
kamen die ungarischen Herren zu meiner Frau Gnaden, da sagte ihnen Ihre
Gnaden, wie es ihr über Nacht ergangen war und wie nahe es gebrannt
hätte bei ihr und bei der heiligen Krone. Das nahm die Herren Wunder,
und sie riethen, man sollte die heilige Krone wieder in die Truhe thun, und
sollte sie wieder in das Gewölbe tragen, worin sie vorher gewesen war. Das
geschah an demselben Tage, Die Thür ward wieder versiegelt wie zuvor, aber
es waren der Siegel nicht so viele als vorher. Und' die ungarischen Herren
wollten haben, daß sie das Schloß ihrem Vetter Laßla Wan von Gara*)
übergebe. Das geschah. Herr Laßla Wan von Gara nahm das Schloß ein,
und besetzte es mit einem Burggrafen.

Nachdem das alles geschehen, schied die edle Witwe, meine gnädige Frau,
> nach Ofen, beladen mit schwerer Leibesbürde, und umgeben mit viel Sorgen,
denn die ungarischen Herren die wollten nur, sie sollte einen Mann nehmen.
Und eS wollte Herr Laßla Wan, ihr Vetter, sie sollte den König von Polen
nehmen; aber sie wollte nicht, denn ihr hatten alle ihre Aerzte gesagt, sie trüge



*) Ban Ladislaus von Gara, Cousin der Königin Elisabeth.
2*

ungarische Herren mit ihr. Sie gingen in das Gewölbe, trugen die Truhe
mit der heiligen Krone herauf, und nahmen die heilige Krone mit dem Ge¬
häuse heraus. An diesem waren viele Siegel. Die brachen sie ab, nahmen
die Krone heraus und sahen dieselbe recht genau an. Ich war dabei. Dar¬
nach nahmen sie die heilige Krone und setzten sie in eine kleine Kiste. Nun
stand nahe bei derselben Kiste ein Bett, darauf lag die edle Königin mit
schwerer Leibesbürde, und bei ihr in demselben Gemach lagen zwei Jung¬
frauen, die eine hieß Barbara, eines ungarischen Herrn Tochter, die andere
hieß die Jronacherin; ein Nachtlicht, auch eine Wachskerze dabei, wie denn
Gewohnheit ist bei den Fürstinnen. Nun war die Jungfrau bei der Nacht
aufgestanden, und weil sie übersehen hatte, daß das Licht umgefallen war,
entstand Feuer in dem Gemach, und es brannte an die Kiste, so daß diese ver¬
sengt ward, und oben auf der Kiste lag ein blaues sammtnes Polster, darein
brannte ein Loch, größer als eine Spanne. Und merket das Wunder, es war
der König noch verschlossen in seinem Mutterleib, der die heilige Krone tragen
sollte, und beide, waren kaum zwei Klaftern voneinander, entfernt, die hätte
der böse Feind gern mit der Feuersbrunst geschädigt, aber Gott war Hüter,
der hat die Königin zu rechter Zeit aufgeweckt. Ich lag damals bei der jungen
Königin. Da kamen die Jungfrauen, ich solle schnell aufstehen, es brenne in dem
Gewölbe, worin meine gnädige Frau läge. Ich erschrak gar sehr, stand eilig
auf und eilte in das Gemach. Es war voller Rauch, und ich dämpfte und
löschte das Feuer, ließ den Rauch heraus, und füllte es wieder mit reiner
Luft, daß die edle Königin die Nacht darin schlafen konnte. Des Morgens
kamen die ungarischen Herren zu meiner Frau Gnaden, da sagte ihnen Ihre
Gnaden, wie es ihr über Nacht ergangen war und wie nahe es gebrannt
hätte bei ihr und bei der heiligen Krone. Das nahm die Herren Wunder,
und sie riethen, man sollte die heilige Krone wieder in die Truhe thun, und
sollte sie wieder in das Gewölbe tragen, worin sie vorher gewesen war. Das
geschah an demselben Tage, Die Thür ward wieder versiegelt wie zuvor, aber
es waren der Siegel nicht so viele als vorher. Und' die ungarischen Herren
wollten haben, daß sie das Schloß ihrem Vetter Laßla Wan von Gara*)
übergebe. Das geschah. Herr Laßla Wan von Gara nahm das Schloß ein,
und besetzte es mit einem Burggrafen.

Nachdem das alles geschehen, schied die edle Witwe, meine gnädige Frau,
> nach Ofen, beladen mit schwerer Leibesbürde, und umgeben mit viel Sorgen,
denn die ungarischen Herren die wollten nur, sie sollte einen Mann nehmen.
Und eS wollte Herr Laßla Wan, ihr Vetter, sie sollte den König von Polen
nehmen; aber sie wollte nicht, denn ihr hatten alle ihre Aerzte gesagt, sie trüge



*) Ban Ladislaus von Gara, Cousin der Königin Elisabeth.
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[0019] ungarische Herren mit ihr. Sie gingen in das Gewölbe, trugen die Truhe mit der heiligen Krone herauf, und nahmen die heilige Krone mit dem Ge¬ häuse heraus. An diesem waren viele Siegel. Die brachen sie ab, nahmen die Krone heraus und sahen dieselbe recht genau an. Ich war dabei. Dar¬ nach nahmen sie die heilige Krone und setzten sie in eine kleine Kiste. Nun stand nahe bei derselben Kiste ein Bett, darauf lag die edle Königin mit schwerer Leibesbürde, und bei ihr in demselben Gemach lagen zwei Jung¬ frauen, die eine hieß Barbara, eines ungarischen Herrn Tochter, die andere hieß die Jronacherin; ein Nachtlicht, auch eine Wachskerze dabei, wie denn Gewohnheit ist bei den Fürstinnen. Nun war die Jungfrau bei der Nacht aufgestanden, und weil sie übersehen hatte, daß das Licht umgefallen war, entstand Feuer in dem Gemach, und es brannte an die Kiste, so daß diese ver¬ sengt ward, und oben auf der Kiste lag ein blaues sammtnes Polster, darein brannte ein Loch, größer als eine Spanne. Und merket das Wunder, es war der König noch verschlossen in seinem Mutterleib, der die heilige Krone tragen sollte, und beide, waren kaum zwei Klaftern voneinander, entfernt, die hätte der böse Feind gern mit der Feuersbrunst geschädigt, aber Gott war Hüter, der hat die Königin zu rechter Zeit aufgeweckt. Ich lag damals bei der jungen Königin. Da kamen die Jungfrauen, ich solle schnell aufstehen, es brenne in dem Gewölbe, worin meine gnädige Frau läge. Ich erschrak gar sehr, stand eilig auf und eilte in das Gemach. Es war voller Rauch, und ich dämpfte und löschte das Feuer, ließ den Rauch heraus, und füllte es wieder mit reiner Luft, daß die edle Königin die Nacht darin schlafen konnte. Des Morgens kamen die ungarischen Herren zu meiner Frau Gnaden, da sagte ihnen Ihre Gnaden, wie es ihr über Nacht ergangen war und wie nahe es gebrannt hätte bei ihr und bei der heiligen Krone. Das nahm die Herren Wunder, und sie riethen, man sollte die heilige Krone wieder in die Truhe thun, und sollte sie wieder in das Gewölbe tragen, worin sie vorher gewesen war. Das geschah an demselben Tage, Die Thür ward wieder versiegelt wie zuvor, aber es waren der Siegel nicht so viele als vorher. Und' die ungarischen Herren wollten haben, daß sie das Schloß ihrem Vetter Laßla Wan von Gara*) übergebe. Das geschah. Herr Laßla Wan von Gara nahm das Schloß ein, und besetzte es mit einem Burggrafen. Nachdem das alles geschehen, schied die edle Witwe, meine gnädige Frau, > nach Ofen, beladen mit schwerer Leibesbürde, und umgeben mit viel Sorgen, denn die ungarischen Herren die wollten nur, sie sollte einen Mann nehmen. Und eS wollte Herr Laßla Wan, ihr Vetter, sie sollte den König von Polen nehmen; aber sie wollte nicht, denn ihr hatten alle ihre Aerzte gesagt, sie trüge *) Ban Ladislaus von Gara, Cousin der Königin Elisabeth. 2*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/19>, abgerufen am 23.07.2024.