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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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ward er hinübergeleitet zu den Lustspielen, die er in dem Zeitraum von wenigen
Jahren in großer Anzahl erscheinen ließ.

1722 erprobte sich sein erstes Stück, "der politische Kannengießer" zum
ersten Mal auf der Bühne, und mit diesem, das außerordentliches Glück machte,
eröffnete er seine Laufbahn als erster Lustspieldichter der Dänen. Auf seine
Eigenschaften als solcher werden wir weiter unten zu reden kommen.

Noch einmal zog es ihn nach Paris, und die Erzählung ist interessant,
daß er sich bestrebte, dort zwei, seiner Stücke, darunter den "Kannengießer"
aufführen zu lassen. Trotz der an sich sehr unschuldigen Idee des Stücks --
einer Verspottung des politisirenden Handwerksmanns -- wagte das italienische
Theater die Annahme nicht, ein Beweis der geringen Redefreiheit, die damals
in Frankreich gestattet war. Ueberhaupt, meinte man, seien dem Geschmack
des pariser Publicums Tänze und Gaukeleien viel angemessener. Die franzö¬
sische Bühne verlangte gar, daß erst alle Personen aus ihrem niedrigen Stand
zu Advocaten oder Doctoren verwandelt würden! -- ein Verlangen, dessen
Widersinn zu schreiend war, als daß Holberg noch ferner an die Realisirung
seiner Wünsche denken mochte.

Er kam nach Kopenhagen zurück, aber seine Thätigkeit als Lustspieldichter
war zu Ende, er beschäftigte sich nur noch mit staatsökonomischen und geschicht¬
lichen Werken -- höchstens, daß er noch eine neue Ausgabe seiner Lustspiele
veranstaltete -- und sah sich als alter Junggeselle endlich im Besitz einer hohen
Würde und eines bedeutenden Vermögens, so daß er, 1747 in den Freiherrn¬
stand erhoben, sich ein Landgut kaufen konnte, wo er seinen Lieblingsstudien
huldigte, bis er im Januar 17SL starb.

Man warf ihm in seinem Alter aristokratische Neigungen vor und wandte
auf ihn eines seiner eignen Lustspiele an, die "honette Ambition", worin ein
titelsüchtiger Narr über seinen Stand hinaufstrebt; und ein Franzose, ein
Baron de'Bar, machte folgendes Epigramm auf ihn:


I?MosopK>z inogiiLui- eoinihus Ali'adiliüi's
II luorck et älvsrtit tour 's, tour Is proodam,
of" vimois oexsnäant it ssrsit Is Molisrs,
8'it n'en se-ut x-is Is ^oni-äa-in.

/ Fassen wir aber Holberg einfach in"seiner Bedeutung als Lustspieldichter
auf -- und in dieser Beziehung betrachten wir ihn hier ja allein -- so finden
wir in ihm ein sonderbares Gemisch von fremden Einflüssen und selbstständiger
nationaler Eigenthümlichkeit, von trocknem Moralgelehrten und genialen Volks¬
mann und Menschenkenner. Holberg war ein gebildeter Mann, er hatte vieler
Herren Länder gesehen, dieselben meist zu Fuß durchwandert, und auf solche
Art das Leben in den mannigfaltigsten Zügen kennen gelernt. Er entnahm'
den Stoff zu seinen Stücken lateinischen, französischen, deutschen und englischen


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ward er hinübergeleitet zu den Lustspielen, die er in dem Zeitraum von wenigen
Jahren in großer Anzahl erscheinen ließ.

1722 erprobte sich sein erstes Stück, „der politische Kannengießer" zum
ersten Mal auf der Bühne, und mit diesem, das außerordentliches Glück machte,
eröffnete er seine Laufbahn als erster Lustspieldichter der Dänen. Auf seine
Eigenschaften als solcher werden wir weiter unten zu reden kommen.

Noch einmal zog es ihn nach Paris, und die Erzählung ist interessant,
daß er sich bestrebte, dort zwei, seiner Stücke, darunter den „Kannengießer"
aufführen zu lassen. Trotz der an sich sehr unschuldigen Idee des Stücks —
einer Verspottung des politisirenden Handwerksmanns — wagte das italienische
Theater die Annahme nicht, ein Beweis der geringen Redefreiheit, die damals
in Frankreich gestattet war. Ueberhaupt, meinte man, seien dem Geschmack
des pariser Publicums Tänze und Gaukeleien viel angemessener. Die franzö¬
sische Bühne verlangte gar, daß erst alle Personen aus ihrem niedrigen Stand
zu Advocaten oder Doctoren verwandelt würden! — ein Verlangen, dessen
Widersinn zu schreiend war, als daß Holberg noch ferner an die Realisirung
seiner Wünsche denken mochte.

Er kam nach Kopenhagen zurück, aber seine Thätigkeit als Lustspieldichter
war zu Ende, er beschäftigte sich nur noch mit staatsökonomischen und geschicht¬
lichen Werken — höchstens, daß er noch eine neue Ausgabe seiner Lustspiele
veranstaltete — und sah sich als alter Junggeselle endlich im Besitz einer hohen
Würde und eines bedeutenden Vermögens, so daß er, 1747 in den Freiherrn¬
stand erhoben, sich ein Landgut kaufen konnte, wo er seinen Lieblingsstudien
huldigte, bis er im Januar 17SL starb.

Man warf ihm in seinem Alter aristokratische Neigungen vor und wandte
auf ihn eines seiner eignen Lustspiele an, die „honette Ambition", worin ein
titelsüchtiger Narr über seinen Stand hinaufstrebt; und ein Franzose, ein
Baron de'Bar, machte folgendes Epigramm auf ihn:


I?MosopK>z inogiiLui- eoinihus Ali'adiliüi's
II luorck et älvsrtit tour 's, tour Is proodam,
of« vimois oexsnäant it ssrsit Is Molisrs,
8'it n'en se-ut x-is Is ^oni-äa-in.

/ Fassen wir aber Holberg einfach in"seiner Bedeutung als Lustspieldichter
auf — und in dieser Beziehung betrachten wir ihn hier ja allein — so finden
wir in ihm ein sonderbares Gemisch von fremden Einflüssen und selbstständiger
nationaler Eigenthümlichkeit, von trocknem Moralgelehrten und genialen Volks¬
mann und Menschenkenner. Holberg war ein gebildeter Mann, er hatte vieler
Herren Länder gesehen, dieselben meist zu Fuß durchwandert, und auf solche
Art das Leben in den mannigfaltigsten Zügen kennen gelernt. Er entnahm'
den Stoff zu seinen Stücken lateinischen, französischen, deutschen und englischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/187>, abgerufen am 23.07.2024.