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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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gewesen wäre, der die dänische Bühne mit so vielen Werken des Witzes und der
Laune bereichert hat. Wir entnehmen dieser Lebensbeschreibung in Kurzem
die folgenden Angaben.

Ludwig Holberg war IMi zu Bergen in Norwegen geboren, wo sein
Bater'als Oberst eines dänischen Regiments stand. Derselbe stammte aus
ganz niederer Familie und hatte sich durch eignes Verdienst vom gemeinen
Soldaten bis zu seiner Stelle emporgeschwungen, und da der Großvater
mütterlicherseits Bischof in Bergen war, so ließen sich die Aussichten für daS
Kind gewiß nicht trüb an. Allein sehr frühzeitig verlor Ludwig seine Eltern
und in einem großen Brand sein Vermögen, so daß er nur mit großer Mühe
und unter vielen Entbehrungen die hohe Schule zu Kopenhagen beziehen
.konnte und auch nur die notdürftigste Zeit dort blieb. Nach abgelegtem
theologischen Gramm mußte er sich bequeme", das Amt eines Hauslehrers
zu übernehmen. Doch nicht lange hielt sein unruhiger Geist dies aus, er
unternahm mit 60 Thalern eine Reise nach Holland, wo er bessere Erwerbs¬
quellen zu finden hoffte. Er sollte entiäuscht werben. Nirgend bot sich ihm
Gelegenheit zum Erwerb, wol aber ward er krank, und beschloß deshalb nach
Aachen in das Bad zu reisen.

Die Erzählung seiner Badecur ist deshalb'interessant, weil sie uns einen
Blick in die damaligen Verhältnisse thun läßt. In Nuremvnde mußte er einige
Gulden für einen Paß nach Aachen bezahlen, auf dem aber zu seinem Aerger
weiter nichts stand, als: l-Mse/. M"5er vt rspasse? Is ttaryon l.ouis ä'ttolbsrtz
"Z'^mstkrS'AM. Der kleine, schmächtige - junge Mann wurde noch öfters für
einen Knaben geholten. Doch in"Aachen war ihm noch mehr des Schlimmen
vorbehalten. Als er dort ankam, bestand seine ganze Baarschaft noch ans
sechs Reichsthalern, und mit diesen sollte er die ganze Cur bestreiten! Doch
eS muß damals wol nicht zu den Unmöglichkeiten gehört haben, denn Holberg
unternahm es, und lebt.e drei Wochen daselbst. Freilich gesteht er ein, daß
er sehr sparsam gelebt und am Ende doch den verzweifelten Entschluß gefaßt
habe, seinem Wirth -- ohne Bezahlung durchzugehen. Allein entweder muß
dieser schon, lange solches von seinem Gast gefürchtet, oder,Holberg seine Flucht
schlecht angelegt haben, -- kurz, er wurde von dem nacheilenden Wirth er¬
wischt, und mußte alles bezahlen, wodurch aber seine Kasse in so verzwei¬
felte Umstände kam, daß er zu Fuß uach Holland zurück mußte'. In Amsterdam,
wo er indessen in guter Gesundheit .ankam, wußte er sich endlich so viel Geld
zu leihen, daß er seine Heimfahrt nach Norwegen bestreiten konnte, wo er
sich wiederum einen Winter lang als Lehrer herumschlug. Im nächsten Früh¬
jahr aber trieb ihn der unstete Geist und die Wanderlust wieder fort und zwar
dies Mal nach England. Er widmete sich in Oxford den Studien, mußte aber
dabei so kümmerlich leben, daß er oft nur den vierten Tag Fleisch essen konnte.


Grnizboteu. IV. 48ö6. 23

gewesen wäre, der die dänische Bühne mit so vielen Werken des Witzes und der
Laune bereichert hat. Wir entnehmen dieser Lebensbeschreibung in Kurzem
die folgenden Angaben.

Ludwig Holberg war IMi zu Bergen in Norwegen geboren, wo sein
Bater'als Oberst eines dänischen Regiments stand. Derselbe stammte aus
ganz niederer Familie und hatte sich durch eignes Verdienst vom gemeinen
Soldaten bis zu seiner Stelle emporgeschwungen, und da der Großvater
mütterlicherseits Bischof in Bergen war, so ließen sich die Aussichten für daS
Kind gewiß nicht trüb an. Allein sehr frühzeitig verlor Ludwig seine Eltern
und in einem großen Brand sein Vermögen, so daß er nur mit großer Mühe
und unter vielen Entbehrungen die hohe Schule zu Kopenhagen beziehen
.konnte und auch nur die notdürftigste Zeit dort blieb. Nach abgelegtem
theologischen Gramm mußte er sich bequeme», das Amt eines Hauslehrers
zu übernehmen. Doch nicht lange hielt sein unruhiger Geist dies aus, er
unternahm mit 60 Thalern eine Reise nach Holland, wo er bessere Erwerbs¬
quellen zu finden hoffte. Er sollte entiäuscht werben. Nirgend bot sich ihm
Gelegenheit zum Erwerb, wol aber ward er krank, und beschloß deshalb nach
Aachen in das Bad zu reisen.

Die Erzählung seiner Badecur ist deshalb'interessant, weil sie uns einen
Blick in die damaligen Verhältnisse thun läßt. In Nuremvnde mußte er einige
Gulden für einen Paß nach Aachen bezahlen, auf dem aber zu seinem Aerger
weiter nichts stand, als: l-Mse/. M«5er vt rspasse? Is ttaryon l.ouis ä'ttolbsrtz
«Z'^mstkrS'AM. Der kleine, schmächtige - junge Mann wurde noch öfters für
einen Knaben geholten. Doch in"Aachen war ihm noch mehr des Schlimmen
vorbehalten. Als er dort ankam, bestand seine ganze Baarschaft noch ans
sechs Reichsthalern, und mit diesen sollte er die ganze Cur bestreiten! Doch
eS muß damals wol nicht zu den Unmöglichkeiten gehört haben, denn Holberg
unternahm es, und lebt.e drei Wochen daselbst. Freilich gesteht er ein, daß
er sehr sparsam gelebt und am Ende doch den verzweifelten Entschluß gefaßt
habe, seinem Wirth — ohne Bezahlung durchzugehen. Allein entweder muß
dieser schon, lange solches von seinem Gast gefürchtet, oder,Holberg seine Flucht
schlecht angelegt haben, — kurz, er wurde von dem nacheilenden Wirth er¬
wischt, und mußte alles bezahlen, wodurch aber seine Kasse in so verzwei¬
felte Umstände kam, daß er zu Fuß uach Holland zurück mußte'. In Amsterdam,
wo er indessen in guter Gesundheit .ankam, wußte er sich endlich so viel Geld
zu leihen, daß er seine Heimfahrt nach Norwegen bestreiten konnte, wo er
sich wiederum einen Winter lang als Lehrer herumschlug. Im nächsten Früh¬
jahr aber trieb ihn der unstete Geist und die Wanderlust wieder fort und zwar
dies Mal nach England. Er widmete sich in Oxford den Studien, mußte aber
dabei so kümmerlich leben, daß er oft nur den vierten Tag Fleisch essen konnte.


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[0185] gewesen wäre, der die dänische Bühne mit so vielen Werken des Witzes und der Laune bereichert hat. Wir entnehmen dieser Lebensbeschreibung in Kurzem die folgenden Angaben. Ludwig Holberg war IMi zu Bergen in Norwegen geboren, wo sein Bater'als Oberst eines dänischen Regiments stand. Derselbe stammte aus ganz niederer Familie und hatte sich durch eignes Verdienst vom gemeinen Soldaten bis zu seiner Stelle emporgeschwungen, und da der Großvater mütterlicherseits Bischof in Bergen war, so ließen sich die Aussichten für daS Kind gewiß nicht trüb an. Allein sehr frühzeitig verlor Ludwig seine Eltern und in einem großen Brand sein Vermögen, so daß er nur mit großer Mühe und unter vielen Entbehrungen die hohe Schule zu Kopenhagen beziehen .konnte und auch nur die notdürftigste Zeit dort blieb. Nach abgelegtem theologischen Gramm mußte er sich bequeme», das Amt eines Hauslehrers zu übernehmen. Doch nicht lange hielt sein unruhiger Geist dies aus, er unternahm mit 60 Thalern eine Reise nach Holland, wo er bessere Erwerbs¬ quellen zu finden hoffte. Er sollte entiäuscht werben. Nirgend bot sich ihm Gelegenheit zum Erwerb, wol aber ward er krank, und beschloß deshalb nach Aachen in das Bad zu reisen. Die Erzählung seiner Badecur ist deshalb'interessant, weil sie uns einen Blick in die damaligen Verhältnisse thun läßt. In Nuremvnde mußte er einige Gulden für einen Paß nach Aachen bezahlen, auf dem aber zu seinem Aerger weiter nichts stand, als: l-Mse/. M«5er vt rspasse? Is ttaryon l.ouis ä'ttolbsrtz «Z'^mstkrS'AM. Der kleine, schmächtige - junge Mann wurde noch öfters für einen Knaben geholten. Doch in"Aachen war ihm noch mehr des Schlimmen vorbehalten. Als er dort ankam, bestand seine ganze Baarschaft noch ans sechs Reichsthalern, und mit diesen sollte er die ganze Cur bestreiten! Doch eS muß damals wol nicht zu den Unmöglichkeiten gehört haben, denn Holberg unternahm es, und lebt.e drei Wochen daselbst. Freilich gesteht er ein, daß er sehr sparsam gelebt und am Ende doch den verzweifelten Entschluß gefaßt habe, seinem Wirth — ohne Bezahlung durchzugehen. Allein entweder muß dieser schon, lange solches von seinem Gast gefürchtet, oder,Holberg seine Flucht schlecht angelegt haben, — kurz, er wurde von dem nacheilenden Wirth er¬ wischt, und mußte alles bezahlen, wodurch aber seine Kasse in so verzwei¬ felte Umstände kam, daß er zu Fuß uach Holland zurück mußte'. In Amsterdam, wo er indessen in guter Gesundheit .ankam, wußte er sich endlich so viel Geld zu leihen, daß er seine Heimfahrt nach Norwegen bestreiten konnte, wo er sich wiederum einen Winter lang als Lehrer herumschlug. Im nächsten Früh¬ jahr aber trieb ihn der unstete Geist und die Wanderlust wieder fort und zwar dies Mal nach England. Er widmete sich in Oxford den Studien, mußte aber dabei so kümmerlich leben, daß er oft nur den vierten Tag Fleisch essen konnte. Grnizboteu. IV. 48ö6. 23

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/185>, abgerufen am 23.07.2024.