Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.Die Verschwornen dringen in den Palast und ermorden zuerst zwei Kosa¬ 3. September. -- Borodino. -- Großes Manöver. -- Nach dem Diner Der Kaiser hatte ein Monument auf dem Schlachtfelde errichten lassen, Ferner hatte er, um die Revue besser abhalten zu können und das Defi,? Die beiden Armeecorps, welche bei Borodino vereinigt waren, werden Es waren im Ganzen etwa 140,000 Mann vereinigt, bei mehren Revuen Es ist äußerst schwer für einen General, in Gegenwart des Kaisers zu Grenzboten. IV. 1866. 22
Die Verschwornen dringen in den Palast und ermorden zuerst zwei Kosa¬ 3. September. — Borodino. — Großes Manöver. — Nach dem Diner Der Kaiser hatte ein Monument auf dem Schlachtfelde errichten lassen, Ferner hatte er, um die Revue besser abhalten zu können und das Defi,? Die beiden Armeecorps, welche bei Borodino vereinigt waren, werden Es waren im Ganzen etwa 140,000 Mann vereinigt, bei mehren Revuen Es ist äußerst schwer für einen General, in Gegenwart des Kaisers zu Grenzboten. IV. 1866. 22
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Die Verschwornen dringen in den Palast und ermorden zuerst zwei Kosa¬
ken, welche vor dem Zimmer des Kaisers Wache hielten oder schliefen (quer
vor dem Eingange). Der Kaiser springt im Dunkeln aus dem Bette und
verbirgt sich hinter den Fahnen der Garderegimenter, welche stets in seinem
Zimmer standen. Die Verschwornen, welche das Bett leer finden, glauben
schon, der Kaiser sei entwischt und der Coup manquirt; da fällt eine Fahne
Um, sie eilen hin, der Kaiser entwischt ins Kamin. Er wird entdeckt, herab¬
gezogen, man bringt Licht. Nun folgt eine tragikomische Scene. Der Kai¬
ser, bekanntlich abscheulich häßlich, nackt, in einem im Kamin beschmutzten,
rußigen Hemde, fängt an zu declamiren und zu peroriren; die Verschwornen
selbst müssen lachen, aber sie zwingen endlich den Kaiser, sich niederzusetzen
und die Abdication zu unterschreiben. Während er damit beschäftigt war, sagt
Beningsen, einer der Verschwornen: Nessiours,. on us port, pas tairs et'ome-
I«Ac sar>8 oassiZi- 6<zö ovuts. Da entschließt man sich, den Kaiser zu erwür¬
gen; ich glaube, es geschah mit der Schärpe Subows. Der Kaiser von Ru߬
land sollte die perniciösen Schärpen abschaffen. —
3. September. — Borodino. — Großes Manöver. — Nach dem Diner
wurde das Schlachtfeld recognoscirt; wir gingen nach den Redouten von Tsche-
wardino, wo sich der Kaiser Napoleon während der Schlacht aufgehalten hatte.
Der Kaiser machte wieder den Corpora!; er stellte selbst die Aligncments ans
für den Tag, an welchem die Schlacht repräsentirt werden sollte. Dabei hörte ich
von ihm die pedantische Bemerkung: „Man hat bisher geglaubt, die russische
Armee sei am Tage der Schlacht stärker gewesen, als sie wirklich war; ich
habe mich heute selbst überzeugt, daß das Schlachtfeld zu enge wäre für die
Zahl, welche man gewöhnlich angibt." —
Der Kaiser hatte ein Monument auf dem Schlachtfelde errichten lassen,
das einem mit einer Zwiebel gekrönten Kegel ähnlich sieht; es ist eine in
Rußland consacrirte Form.
Ferner hatte er, um die Revue besser abhalten zu können und das Defi,?
tirer zu erleichtern, eine Hohle vor dem Monumente ausfüllen lassen, obgleich
- diese Hohle in der Schlacht eine bedeutende Rolle gespielt hatte.
Die beiden Armeecorps, welche bei Borodino vereinigt waren, werden
commandirt von den Generalen Creutz und Neidhardt; daS Corps Dragoner
von dem General Potapoff, die Abtheilungen der Garde vom Großfürsten Michael.
Es waren im Ganzen etwa 140,000 Mann vereinigt, bei mehren Revuen
waren -120,000 und darüber präsent nach'dem Ausrückungsetat. Die Batail¬
lone sind im Durchschnitt 700 bis 7S0 Mann, die Cavalerieregimenter 800,
die Dragoner 1000 Pferde und darüber stark.
Es ist äußerst schwer für einen General, in Gegenwart des Kaisers zu
»lanövriren, weil dieser nach den Eingebungen seiner Einbill'Uiigökraft sehr
Grenzboten. IV. 1866. 22
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