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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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den praktischen Uebergriffen und theoretischen Anmaßungen der Hierarchie
wenigstens eine Gemeinsamkeit deutscher Staaten entgegentreten werde. Und
Hessen-Darmstadt war der erste von den Verbündeten gewesen, welcher Son-
derverhandlungcn pflog mit seinem Bischöfe zu Mainz; grade mit ihm, in wel¬
chem ja bekanntlich bis heute der eigentliche Leiter der Operationen der Ecclesia
militans am Rheine und der vom Ultramontanismus gewünschte Nachfolger
auf dem Erzbischofssttze zu Freiburg erblickt wird. Damals wurde auch die
an den Napoleonstagen und sonst zu Darmstadt so eifrig in den Vordergrund
gedrängte Svmpathie für den Bonapartismus um so schmerzlicher empfunden,
als man in Paris einen Hauptsil) begünstigender Einflüsse für die Erstarkung
der hierarchischen Gewalt gegen die klcinstaatlichen Souveränetäten des Süd¬
westens suchte. Man begriff Hessens Politik um so weniger, als sie doch schwer¬
lich die bedrohlichen Nachgedanken derartiger Tendenzen verkennen konnte.
Man glaubte sogar in der Gereiztheit gegen Preußen, welches damals wegen
seiner Verheißungen gegen etwaige Nheingelüste des Neunapoleonismuö einer
gewissen Popularität im Publicum genoß, eine antinationale Neigung erblicken
ZU sollen, welche von französischen Sympathien specifische Vortheile erhoffte.

Unter solchen Verhältnissen ward denn auch die Gestattung der darmstädter
Bank, welche von vornherein ihr Filialverhältniß zum Credit mobilier zur
Schau trug, mehr vom politischen Standpunkt beurtheilt. Theilweise mochte
allerdings rein kaufmännische Rivalität, namentlich von Frankfurt aus, mit¬
wirken, um dem Institute im Publicum eine mißgünstige Beurtheilung entgegen¬
zubringen. Aber dies war es keineswegs allein. Man konnte vielmehr tag¬
täglich grade Ruch in solchen Kreisen, welche nicht entfernt mit den kaufmän¬
nischen zusammenhängen, wir möchten sagen, in den Kreisen des bloßen poli¬
tischen Instincts dieses Bankinstitut und seine Begünstigung als ein absichtliches
Hereinziehen französischer Einflüsse in das Leben der westlichen Gre^izstaaten
Deutschlands bezeichnen hören. -- Dazu kam weiter das Uniformirungsmandat
für alle Menschen aller Branchen, welche sich in irgend einem Dienstverhält¬
nisse zum Staate befinden, um das ganze rheinländische Naturell noch mehr
ZU verletzen und gleichzeitig jene socialen Absonderungen von neuem aufzufri¬
schen, die nach der gänzlichen Verflüchtigung wirklicher Parteien ihrem allmä-
l'gen Wiederverschwinden entgegengingen. -- Selbst als die Lebensmitteltheu-
rung durch Ausfuhrverbote für das Großherzogthum bekämpft werden sollte, ge¬
schah es gegen die ganze damalige Strömung am Mittelrhein. Denn niemals hatte
in seinem Publicum das Princip der vollen Nerkehrsfreiheit mehr praktische
Propaganda gemacht, als grade in jener Zeit der neuen und darum härtesten
Noth. Man fühlte es so ganz unmittelbar, wie einzig und allein ein unge¬
hemmtester Austausch der Lebensbedürfnisse die Zustände erträglich zu gestalten
vermochte. Jede Getreidesendung legte Zeugniß dafür ab. Man mag damals


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den praktischen Uebergriffen und theoretischen Anmaßungen der Hierarchie
wenigstens eine Gemeinsamkeit deutscher Staaten entgegentreten werde. Und
Hessen-Darmstadt war der erste von den Verbündeten gewesen, welcher Son-
derverhandlungcn pflog mit seinem Bischöfe zu Mainz; grade mit ihm, in wel¬
chem ja bekanntlich bis heute der eigentliche Leiter der Operationen der Ecclesia
militans am Rheine und der vom Ultramontanismus gewünschte Nachfolger
auf dem Erzbischofssttze zu Freiburg erblickt wird. Damals wurde auch die
an den Napoleonstagen und sonst zu Darmstadt so eifrig in den Vordergrund
gedrängte Svmpathie für den Bonapartismus um so schmerzlicher empfunden,
als man in Paris einen Hauptsil) begünstigender Einflüsse für die Erstarkung
der hierarchischen Gewalt gegen die klcinstaatlichen Souveränetäten des Süd¬
westens suchte. Man begriff Hessens Politik um so weniger, als sie doch schwer¬
lich die bedrohlichen Nachgedanken derartiger Tendenzen verkennen konnte.
Man glaubte sogar in der Gereiztheit gegen Preußen, welches damals wegen
seiner Verheißungen gegen etwaige Nheingelüste des Neunapoleonismuö einer
gewissen Popularität im Publicum genoß, eine antinationale Neigung erblicken
ZU sollen, welche von französischen Sympathien specifische Vortheile erhoffte.

Unter solchen Verhältnissen ward denn auch die Gestattung der darmstädter
Bank, welche von vornherein ihr Filialverhältniß zum Credit mobilier zur
Schau trug, mehr vom politischen Standpunkt beurtheilt. Theilweise mochte
allerdings rein kaufmännische Rivalität, namentlich von Frankfurt aus, mit¬
wirken, um dem Institute im Publicum eine mißgünstige Beurtheilung entgegen¬
zubringen. Aber dies war es keineswegs allein. Man konnte vielmehr tag¬
täglich grade Ruch in solchen Kreisen, welche nicht entfernt mit den kaufmän¬
nischen zusammenhängen, wir möchten sagen, in den Kreisen des bloßen poli¬
tischen Instincts dieses Bankinstitut und seine Begünstigung als ein absichtliches
Hereinziehen französischer Einflüsse in das Leben der westlichen Gre^izstaaten
Deutschlands bezeichnen hören. — Dazu kam weiter das Uniformirungsmandat
für alle Menschen aller Branchen, welche sich in irgend einem Dienstverhält¬
nisse zum Staate befinden, um das ganze rheinländische Naturell noch mehr
ZU verletzen und gleichzeitig jene socialen Absonderungen von neuem aufzufri¬
schen, die nach der gänzlichen Verflüchtigung wirklicher Parteien ihrem allmä-
l'gen Wiederverschwinden entgegengingen. — Selbst als die Lebensmitteltheu-
rung durch Ausfuhrverbote für das Großherzogthum bekämpft werden sollte, ge¬
schah es gegen die ganze damalige Strömung am Mittelrhein. Denn niemals hatte
in seinem Publicum das Princip der vollen Nerkehrsfreiheit mehr praktische
Propaganda gemacht, als grade in jener Zeit der neuen und darum härtesten
Noth. Man fühlte es so ganz unmittelbar, wie einzig und allein ein unge¬
hemmtester Austausch der Lebensbedürfnisse die Zustände erträglich zu gestalten
vermochte. Jede Getreidesendung legte Zeugniß dafür ab. Man mag damals


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/155>, abgerufen am 23.07.2024.