Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.politischen Grenzen abzuschließen, die Stände zu sondern, die confessionellen Grade die hessische Politik bedürfte also auch der Versöhnung mit dem politischen Grenzen abzuschließen, die Stände zu sondern, die confessionellen Grade die hessische Politik bedürfte also auch der Versöhnung mit dem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0154" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102749"/> <p xml:id="ID_507" prev="#ID_506"> politischen Grenzen abzuschließen, die Stände zu sondern, die confessionellen<lb/> Gegensätze im ganzen Leben fühlbar zu machen, das mittelrheinische Wesen<lb/> in höchster Ausbildung kleinstaatlicher Beschränkung und Absonderet zu ertin-<lb/> guiren streben. Manche dieser Fesselungen und Verwundungen des rheini¬<lb/> schen Naturells mochten, wo sie bureaukratisch auftraten, nicht einmal mit dem<lb/> Bewußtsein so bestimmter Endzwecke geschehen. Aber im Erfolge blieben sie<lb/> sich gleich. Während in den abgelegenen Gegenden alte Trachten, ererbte<lb/> Besonderheiten u. s. w., also der Stillstand und Rückschritt als conscrvatives<lb/> Element cajolirt wurde, träufelte man mit jenen Richtungen in eine heitere<lb/> Blüte der höhern Lebensentwicklungen fortdauernd ein verbitterndes Gift,<lb/> anstatt die nach allen Seiten nothwendigen Aussöhnungen auch auf außer¬<lb/> politischen Gebieten wenigstens gewähren zu lassen. Es hat sehr lange ge¬<lb/> dauert, ehe solche Ueberzeugungen in den maßgebenden Kreisen Eingang fanden.<lb/> Daß es aber nunmehr geschehen, dafür betrachtet man das darmstädter Musik-<lb/> fest als erstes vollkommen unzweifelhaftes Zeugniß. Denn Hessen-Darmstadt<lb/> hatte diese sich isolirende, die Stände scheidende, die Interessen localistrende<lb/> Politik fortwährend am konsequentesten festgehalten; auch als politische Ge¬<lb/> fahren wahrlich nirgend mehr aufzufinden waren.</p><lb/> <p xml:id="ID_508" next="#ID_509"> Grade die hessische Politik bedürfte also auch der Versöhnung mit dem<lb/> mittelrheinischen Wesen am meisten. Mit seinen drei isolirten Provinzen<lb/> ist das Großherzogthum am meisten von den geschlosseneren Nachbarlanden<lb/> abhängig, nirgend für diese bedingend, local selbst den kleineren gegen¬<lb/> über ein noch kleinerer Staat. Man kam und kommt aber immer in falsche<lb/> Stellungen, indem man bei den provinziellen Wechselverhältnissen mit allerlei<lb/> Absonderungen und Absonderlichkeiten das Gewicht des ganzen Großherzog-<lb/> thums in die Wagschale werfen will. Weil man z. B. in politischer Hinsicht<lb/> nach einem bureaukratischen Calcül zu Darmstadt unmögliche Centralisirungen<lb/> der gänzlich verschiedenen Landestheile betrieb, so verfuhr man auch in allen<lb/> mehr gemeinsamen Fragen des Rheinlandes ganz bestimmt anders als die an¬<lb/> dern mittelrheinischen Staaten. Gewisse äußere Formen, schienen dabei fort¬<lb/> während an die nahe russische Verwandtschaft des Fürstenhauses mahnen zu<lb/> sollen, der Charakter der Staatspolitik Baiern vorzugsweise zum Vorbilde ge¬<lb/> nommen zu haben — selbst in dem boudirenden Verhältnisse zu Preußen und<lb/> in der ostentiösen Sympathie für den Bonapartismus oder vielmehr für dessen<lb/> Repräsentation durch Napoleon III. Dies alles wurde nun bis zum Beginne<lb/> des orientalischen Krieges mit besonderem Eifer betrieben und stand grade bis<lb/> zu diesem Moment am entschiedensten in Widerspruch mit der öffentlichen Stim¬<lb/> mung des ganzen Südwestens. Damals war die kirchlich-staatliche Machtfrage<lb/> noch ein frisches und starkes Interesse, damals hatte das erste Programm der<lb/> Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz noch die Hoffnung genährt, daß</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0154]
politischen Grenzen abzuschließen, die Stände zu sondern, die confessionellen
Gegensätze im ganzen Leben fühlbar zu machen, das mittelrheinische Wesen
in höchster Ausbildung kleinstaatlicher Beschränkung und Absonderet zu ertin-
guiren streben. Manche dieser Fesselungen und Verwundungen des rheini¬
schen Naturells mochten, wo sie bureaukratisch auftraten, nicht einmal mit dem
Bewußtsein so bestimmter Endzwecke geschehen. Aber im Erfolge blieben sie
sich gleich. Während in den abgelegenen Gegenden alte Trachten, ererbte
Besonderheiten u. s. w., also der Stillstand und Rückschritt als conscrvatives
Element cajolirt wurde, träufelte man mit jenen Richtungen in eine heitere
Blüte der höhern Lebensentwicklungen fortdauernd ein verbitterndes Gift,
anstatt die nach allen Seiten nothwendigen Aussöhnungen auch auf außer¬
politischen Gebieten wenigstens gewähren zu lassen. Es hat sehr lange ge¬
dauert, ehe solche Ueberzeugungen in den maßgebenden Kreisen Eingang fanden.
Daß es aber nunmehr geschehen, dafür betrachtet man das darmstädter Musik-
fest als erstes vollkommen unzweifelhaftes Zeugniß. Denn Hessen-Darmstadt
hatte diese sich isolirende, die Stände scheidende, die Interessen localistrende
Politik fortwährend am konsequentesten festgehalten; auch als politische Ge¬
fahren wahrlich nirgend mehr aufzufinden waren.
Grade die hessische Politik bedürfte also auch der Versöhnung mit dem
mittelrheinischen Wesen am meisten. Mit seinen drei isolirten Provinzen
ist das Großherzogthum am meisten von den geschlosseneren Nachbarlanden
abhängig, nirgend für diese bedingend, local selbst den kleineren gegen¬
über ein noch kleinerer Staat. Man kam und kommt aber immer in falsche
Stellungen, indem man bei den provinziellen Wechselverhältnissen mit allerlei
Absonderungen und Absonderlichkeiten das Gewicht des ganzen Großherzog-
thums in die Wagschale werfen will. Weil man z. B. in politischer Hinsicht
nach einem bureaukratischen Calcül zu Darmstadt unmögliche Centralisirungen
der gänzlich verschiedenen Landestheile betrieb, so verfuhr man auch in allen
mehr gemeinsamen Fragen des Rheinlandes ganz bestimmt anders als die an¬
dern mittelrheinischen Staaten. Gewisse äußere Formen, schienen dabei fort¬
während an die nahe russische Verwandtschaft des Fürstenhauses mahnen zu
sollen, der Charakter der Staatspolitik Baiern vorzugsweise zum Vorbilde ge¬
nommen zu haben — selbst in dem boudirenden Verhältnisse zu Preußen und
in der ostentiösen Sympathie für den Bonapartismus oder vielmehr für dessen
Repräsentation durch Napoleon III. Dies alles wurde nun bis zum Beginne
des orientalischen Krieges mit besonderem Eifer betrieben und stand grade bis
zu diesem Moment am entschiedensten in Widerspruch mit der öffentlichen Stim¬
mung des ganzen Südwestens. Damals war die kirchlich-staatliche Machtfrage
noch ein frisches und starkes Interesse, damals hatte das erste Programm der
Staaten der oberrheinischen Kirchenprovinz noch die Hoffnung genährt, daß
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