Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hallenden Staaten ö/i- Abgeordnete mehr sitzen, als aus dem Enden, beschloß
mit -1-10 gegen 93 Stimmen, sie nicht dem Ausschüsse für die Territorien zu
überweisen, sondern sie "auf den Kalender zu setzen", d. l), sie nur dann vor¬
zunehmen, wenn die Reihe an sie komme -- eine Entscheidung, in welcher sich
Abneigung gegen die Sache ausdrückte. Eine Organisirung der neuen Ge¬
biete war indeß unumgänglich. Es mußte ein Entschluß gefaßt werden^ und
im Mai 18Si nahmen beide Congreßhäuser die Nebraskabill mit den oben
angedeuteten Bestimmungen an.

Um dies zu begreifen, muß man wissen, daß die Gegner einer weitern
Ausdehnung der Sklaverei bei ihrer Abstimmung von der Furcht vor einer
Zerreißung der Union geleitet wurden, daß sie serner die Frage nur für eine
abstracte Rechtsfrage hielten, indem sie der Meinung waren, die örtlichen und
klimatischen Verhältnisse der betreffenden Gebiete würden die Sklaverei von
selbst ausschließen, und daß sie sich endlich mit dem Gedanken trösteten, mit
dem Wegfall der im Missouricomprvmiß festgestellten geographischen Linie
(DironS and MasonsLine) habe man nun ja auch das Recht, südlich jener
Grenze sklavenfreie Staaten zu errichten.

Das letztere war ein schlechter Trost, an dessen Verwirklichung aus vielen
Gründen nicht zu denken war. Mehr zu bewähren schien sich die Ansicht, daß
Boden und Klima in Kansas nicht gestatten würden, daß der Sklavenhalter
mit dem freien Arbeiter concurrire. Anfang wohnten in dem Territorium
30,000 Bürger, welche keine Sklaven hielten, und nur 5000, welche, von
Missouri eingewandert, deren besaßen'. Es war mit Bestimmtheit anzunehmen,
daß, wenn das Princip der Majoritätenherrschaft festgehalten würde, Kansas
eine Verfassung erhalten mußte, welche das Halten von Sklaven verbiete.

Die Sklavenhalterpartei in Washington hatte jedoch sich zu sehr daran
gewöhnt, Kansas als Beute anzusehen, als daß sie dasselbe hatte so leicht
fahren lassen. War die Einwanderung aus den nichtsllavenhaltenden Staaten
stärker gewesen, so lag andrerseits Missouri, ein Sklavenstaat, an der Grenze
des Territoriums, und war auf gesetzlichem Wege nichts auszurichten, so gab
es einen ungesetzlichen, der auch zum Ziele führte. Es ist bekannt, daß, als
die Ansiedler in Kansas sich anschickten, sich Gesetze und eine Negierung zu
geben, alle Anzeichen dahin gingen, eine Majorität werde für Erklärung des
Landes zu "freiem Boden" sein. ES ist serner bekannt, daß bei den Wahlen
von Missouri bis an die Zähne bewaffnete Pöbelhaufen, geführt von Sklavenhal¬
tern, über die Grenze zogen, die Wahlurnen in Besitz nahmen und die Antisklaverei-
partei mit Gewalt an der Ausübung ihres Rechtes hinderten, worauf sie,
die in der Mehrzahl nicht zu den Bürgern des Territoriums gehörten, an der
Stelle jener wählten eine republikanische Octroyirung der gewaltsamsten
Art. Es ist endlich bekannt, daß hierauf Personen als Beamte angestellt


hallenden Staaten ö/i- Abgeordnete mehr sitzen, als aus dem Enden, beschloß
mit -1-10 gegen 93 Stimmen, sie nicht dem Ausschüsse für die Territorien zu
überweisen, sondern sie „auf den Kalender zu setzen", d. l), sie nur dann vor¬
zunehmen, wenn die Reihe an sie komme — eine Entscheidung, in welcher sich
Abneigung gegen die Sache ausdrückte. Eine Organisirung der neuen Ge¬
biete war indeß unumgänglich. Es mußte ein Entschluß gefaßt werden^ und
im Mai 18Si nahmen beide Congreßhäuser die Nebraskabill mit den oben
angedeuteten Bestimmungen an.

Um dies zu begreifen, muß man wissen, daß die Gegner einer weitern
Ausdehnung der Sklaverei bei ihrer Abstimmung von der Furcht vor einer
Zerreißung der Union geleitet wurden, daß sie serner die Frage nur für eine
abstracte Rechtsfrage hielten, indem sie der Meinung waren, die örtlichen und
klimatischen Verhältnisse der betreffenden Gebiete würden die Sklaverei von
selbst ausschließen, und daß sie sich endlich mit dem Gedanken trösteten, mit
dem Wegfall der im Missouricomprvmiß festgestellten geographischen Linie
(DironS and MasonsLine) habe man nun ja auch das Recht, südlich jener
Grenze sklavenfreie Staaten zu errichten.

Das letztere war ein schlechter Trost, an dessen Verwirklichung aus vielen
Gründen nicht zu denken war. Mehr zu bewähren schien sich die Ansicht, daß
Boden und Klima in Kansas nicht gestatten würden, daß der Sklavenhalter
mit dem freien Arbeiter concurrire. Anfang wohnten in dem Territorium
30,000 Bürger, welche keine Sklaven hielten, und nur 5000, welche, von
Missouri eingewandert, deren besaßen'. Es war mit Bestimmtheit anzunehmen,
daß, wenn das Princip der Majoritätenherrschaft festgehalten würde, Kansas
eine Verfassung erhalten mußte, welche das Halten von Sklaven verbiete.

Die Sklavenhalterpartei in Washington hatte jedoch sich zu sehr daran
gewöhnt, Kansas als Beute anzusehen, als daß sie dasselbe hatte so leicht
fahren lassen. War die Einwanderung aus den nichtsllavenhaltenden Staaten
stärker gewesen, so lag andrerseits Missouri, ein Sklavenstaat, an der Grenze
des Territoriums, und war auf gesetzlichem Wege nichts auszurichten, so gab
es einen ungesetzlichen, der auch zum Ziele führte. Es ist bekannt, daß, als
die Ansiedler in Kansas sich anschickten, sich Gesetze und eine Negierung zu
geben, alle Anzeichen dahin gingen, eine Majorität werde für Erklärung des
Landes zu „freiem Boden" sein. ES ist serner bekannt, daß bei den Wahlen
von Missouri bis an die Zähne bewaffnete Pöbelhaufen, geführt von Sklavenhal¬
tern, über die Grenze zogen, die Wahlurnen in Besitz nahmen und die Antisklaverei-
partei mit Gewalt an der Ausübung ihres Rechtes hinderten, worauf sie,
die in der Mehrzahl nicht zu den Bürgern des Territoriums gehörten, an der
Stelle jener wählten eine republikanische Octroyirung der gewaltsamsten
Art. Es ist endlich bekannt, daß hierauf Personen als Beamte angestellt


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0148" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/102743"/>
          <p xml:id="ID_487" prev="#ID_486"> hallenden Staaten ö/i- Abgeordnete mehr sitzen, als aus dem Enden, beschloß<lb/>
mit -1-10 gegen 93 Stimmen, sie nicht dem Ausschüsse für die Territorien zu<lb/>
überweisen, sondern sie &#x201E;auf den Kalender zu setzen", d. l), sie nur dann vor¬<lb/>
zunehmen, wenn die Reihe an sie komme &#x2014; eine Entscheidung, in welcher sich<lb/>
Abneigung gegen die Sache ausdrückte. Eine Organisirung der neuen Ge¬<lb/>
biete war indeß unumgänglich. Es mußte ein Entschluß gefaßt werden^ und<lb/>
im Mai 18Si nahmen beide Congreßhäuser die Nebraskabill mit den oben<lb/>
angedeuteten Bestimmungen an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_488"> Um dies zu begreifen, muß man wissen, daß die Gegner einer weitern<lb/>
Ausdehnung der Sklaverei bei ihrer Abstimmung von der Furcht vor einer<lb/>
Zerreißung der Union geleitet wurden, daß sie serner die Frage nur für eine<lb/>
abstracte Rechtsfrage hielten, indem sie der Meinung waren, die örtlichen und<lb/>
klimatischen Verhältnisse der betreffenden Gebiete würden die Sklaverei von<lb/>
selbst ausschließen, und daß sie sich endlich mit dem Gedanken trösteten, mit<lb/>
dem Wegfall der im Missouricomprvmiß festgestellten geographischen Linie<lb/>
(DironS and MasonsLine) habe man nun ja auch das Recht, südlich jener<lb/>
Grenze sklavenfreie Staaten zu errichten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_489"> Das letztere war ein schlechter Trost, an dessen Verwirklichung aus vielen<lb/>
Gründen nicht zu denken war. Mehr zu bewähren schien sich die Ansicht, daß<lb/>
Boden und Klima in Kansas nicht gestatten würden, daß der Sklavenhalter<lb/>
mit dem freien Arbeiter concurrire. Anfang wohnten in dem Territorium<lb/>
30,000 Bürger, welche keine Sklaven hielten, und nur 5000, welche, von<lb/>
Missouri eingewandert, deren besaßen'. Es war mit Bestimmtheit anzunehmen,<lb/>
daß, wenn das Princip der Majoritätenherrschaft festgehalten würde, Kansas<lb/>
eine Verfassung erhalten mußte, welche das Halten von Sklaven verbiete.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_490" next="#ID_491"> Die Sklavenhalterpartei in Washington hatte jedoch sich zu sehr daran<lb/>
gewöhnt, Kansas als Beute anzusehen, als daß sie dasselbe hatte so leicht<lb/>
fahren lassen. War die Einwanderung aus den nichtsllavenhaltenden Staaten<lb/>
stärker gewesen, so lag andrerseits Missouri, ein Sklavenstaat, an der Grenze<lb/>
des Territoriums, und war auf gesetzlichem Wege nichts auszurichten, so gab<lb/>
es einen ungesetzlichen, der auch zum Ziele führte. Es ist bekannt, daß, als<lb/>
die Ansiedler in Kansas sich anschickten, sich Gesetze und eine Negierung zu<lb/>
geben, alle Anzeichen dahin gingen, eine Majorität werde für Erklärung des<lb/>
Landes zu &#x201E;freiem Boden" sein. ES ist serner bekannt, daß bei den Wahlen<lb/>
von Missouri bis an die Zähne bewaffnete Pöbelhaufen, geführt von Sklavenhal¬<lb/>
tern, über die Grenze zogen, die Wahlurnen in Besitz nahmen und die Antisklaverei-<lb/>
partei mit Gewalt an der Ausübung ihres Rechtes hinderten, worauf sie,<lb/>
die in der Mehrzahl nicht zu den Bürgern des Territoriums gehörten, an der<lb/>
Stelle jener wählten eine republikanische Octroyirung der gewaltsamsten<lb/>
Art.  Es ist endlich bekannt, daß hierauf Personen als Beamte angestellt</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0148] hallenden Staaten ö/i- Abgeordnete mehr sitzen, als aus dem Enden, beschloß mit -1-10 gegen 93 Stimmen, sie nicht dem Ausschüsse für die Territorien zu überweisen, sondern sie „auf den Kalender zu setzen", d. l), sie nur dann vor¬ zunehmen, wenn die Reihe an sie komme — eine Entscheidung, in welcher sich Abneigung gegen die Sache ausdrückte. Eine Organisirung der neuen Ge¬ biete war indeß unumgänglich. Es mußte ein Entschluß gefaßt werden^ und im Mai 18Si nahmen beide Congreßhäuser die Nebraskabill mit den oben angedeuteten Bestimmungen an. Um dies zu begreifen, muß man wissen, daß die Gegner einer weitern Ausdehnung der Sklaverei bei ihrer Abstimmung von der Furcht vor einer Zerreißung der Union geleitet wurden, daß sie serner die Frage nur für eine abstracte Rechtsfrage hielten, indem sie der Meinung waren, die örtlichen und klimatischen Verhältnisse der betreffenden Gebiete würden die Sklaverei von selbst ausschließen, und daß sie sich endlich mit dem Gedanken trösteten, mit dem Wegfall der im Missouricomprvmiß festgestellten geographischen Linie (DironS and MasonsLine) habe man nun ja auch das Recht, südlich jener Grenze sklavenfreie Staaten zu errichten. Das letztere war ein schlechter Trost, an dessen Verwirklichung aus vielen Gründen nicht zu denken war. Mehr zu bewähren schien sich die Ansicht, daß Boden und Klima in Kansas nicht gestatten würden, daß der Sklavenhalter mit dem freien Arbeiter concurrire. Anfang wohnten in dem Territorium 30,000 Bürger, welche keine Sklaven hielten, und nur 5000, welche, von Missouri eingewandert, deren besaßen'. Es war mit Bestimmtheit anzunehmen, daß, wenn das Princip der Majoritätenherrschaft festgehalten würde, Kansas eine Verfassung erhalten mußte, welche das Halten von Sklaven verbiete. Die Sklavenhalterpartei in Washington hatte jedoch sich zu sehr daran gewöhnt, Kansas als Beute anzusehen, als daß sie dasselbe hatte so leicht fahren lassen. War die Einwanderung aus den nichtsllavenhaltenden Staaten stärker gewesen, so lag andrerseits Missouri, ein Sklavenstaat, an der Grenze des Territoriums, und war auf gesetzlichem Wege nichts auszurichten, so gab es einen ungesetzlichen, der auch zum Ziele führte. Es ist bekannt, daß, als die Ansiedler in Kansas sich anschickten, sich Gesetze und eine Negierung zu geben, alle Anzeichen dahin gingen, eine Majorität werde für Erklärung des Landes zu „freiem Boden" sein. ES ist serner bekannt, daß bei den Wahlen von Missouri bis an die Zähne bewaffnete Pöbelhaufen, geführt von Sklavenhal¬ tern, über die Grenze zogen, die Wahlurnen in Besitz nahmen und die Antisklaverei- partei mit Gewalt an der Ausübung ihres Rechtes hinderten, worauf sie, die in der Mehrzahl nicht zu den Bürgern des Territoriums gehörten, an der Stelle jener wählten eine republikanische Octroyirung der gewaltsamsten Art. Es ist endlich bekannt, daß hierauf Personen als Beamte angestellt

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/148
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/148>, abgerufen am 23.07.2024.