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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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wein und die Kriege des Stammes mit den Komantschen und Siour haben
indeß den größten Theil desselben vernichtet, und die Neste der Völkerschaft
gleichen in nichts den stolzen Gestalten, die uns Cooper und Washington Irving
zeichneten. Halb verhungert, meist mit Ungeziefer bedeckt, durchziehen sie in
kleinen Banden das Land, um die Gelegenheit zu erHaschen, wo sie ei¬
ner Karavane von Weißen oder einem Ansiedler ein Stück Vieh stehlen
können.

Die weiße Bevölkerung dieser Striche war früher um nichts besser. Ein Theil
bestand aus halbwilden Trappern, meist sogenannten Halfbreds, d, h. Misch¬
ungen aus wilden Ehen zwischen Weißen und JndianerscsuawS. Andre waren
Kaufleute, die den Nothbauten gegen ungeheure Preise die Manufactunvaaren
des Ostens und bisweilen auch gegen das Gesetz Branntwein und Flinten ver¬
kauften. Aus Missouri zogen, als der Landweg nach Californien in Aufnahme
kam, einige Handwerker, namentlich Grobschmiede und Stellmacher, in die
Wüste, wo ihre Arbeit dreifach bezahlt wurde. Aus Missouri kamen aber auch
zahlreiche Flüchtlinge vor dem Gesetz, sogenannte Desperados oder Vorder-
ruffians, eine Menschenrasse, woran jener Staat wie das Nachbarland Arkan-
sas und alle Grenzstaaten Amerikas Ueberfluß hat, und welche hier, der stra¬
fenden Gerechtigkeit unerreichbar, ein Leben führten, wie in den Tagen Mile
Fluth und Wctzels, des Jndianertödters.

Dies wurde in manchen Beziehungen anders, als Iowa und Minnesota
stärker angesiedelt wurden und in die Reihe der Staaten eintraten. Diese
Gebiete erhielten ihre Bevölkerung in der großen Mehrzahl aus dem Norden.
Die Art des Waldfällers und der Pflug des Ackerbauers traten an die Stelle
der Büchse des Jägers, der zu Zeiten auch ein Räuber war. DaS Leben wurde
geregelter und stetiger. Die Gewaltthaten nahmen ab. Die Arbeit, die
Amerika groß gemacht hat, die Arbeit der nüchternen, unermüdlichen, vor
keinem Hinderniß zurückschreckenden Uankees, begann auch hier ihr Ueberwin-
derwerk. Kleine Städte entstanden. Eine Sägemühle, eine Kornmühle, eine
Schmiede erhob sich, wo .früher nur Büffelherden gegrast hatten. Eine Kirche
trat daneben, nachdem sich andere Häuser dazu gefunden. Dasselbe fand an
andern Punkten statt, vorzüglich wo Wasserkraft vorhanden war, oder wo das
Einströmen eines Flusses in einen größern baldiges Wachsthum deö neuen
Ortes verhieß. Dampfboote mit Waaren und Passagieren fingen an die Ge¬
wässer zu befahren. und 18Si trafen ganze Karavanen aus Ohio ein,
um sich am Platte anzusiedeln. Die Bottomö und die Prairien verwandelten
sich in Mais- und Weizenfelder. Die projectirte große Eisenbahn nach dem
Westen stellte ein rasches Gedeihen aller dieser Colonien in Aussicht. Es war
der Weg, auf dem sich Ohio und Kentuckv, Wisconsin und Illinois aus glei¬
chen Zuständen hervorgerungen hatten, und es war mit Bestimmtheit voraus-


wein und die Kriege des Stammes mit den Komantschen und Siour haben
indeß den größten Theil desselben vernichtet, und die Neste der Völkerschaft
gleichen in nichts den stolzen Gestalten, die uns Cooper und Washington Irving
zeichneten. Halb verhungert, meist mit Ungeziefer bedeckt, durchziehen sie in
kleinen Banden das Land, um die Gelegenheit zu erHaschen, wo sie ei¬
ner Karavane von Weißen oder einem Ansiedler ein Stück Vieh stehlen
können.

Die weiße Bevölkerung dieser Striche war früher um nichts besser. Ein Theil
bestand aus halbwilden Trappern, meist sogenannten Halfbreds, d, h. Misch¬
ungen aus wilden Ehen zwischen Weißen und JndianerscsuawS. Andre waren
Kaufleute, die den Nothbauten gegen ungeheure Preise die Manufactunvaaren
des Ostens und bisweilen auch gegen das Gesetz Branntwein und Flinten ver¬
kauften. Aus Missouri zogen, als der Landweg nach Californien in Aufnahme
kam, einige Handwerker, namentlich Grobschmiede und Stellmacher, in die
Wüste, wo ihre Arbeit dreifach bezahlt wurde. Aus Missouri kamen aber auch
zahlreiche Flüchtlinge vor dem Gesetz, sogenannte Desperados oder Vorder-
ruffians, eine Menschenrasse, woran jener Staat wie das Nachbarland Arkan-
sas und alle Grenzstaaten Amerikas Ueberfluß hat, und welche hier, der stra¬
fenden Gerechtigkeit unerreichbar, ein Leben führten, wie in den Tagen Mile
Fluth und Wctzels, des Jndianertödters.

Dies wurde in manchen Beziehungen anders, als Iowa und Minnesota
stärker angesiedelt wurden und in die Reihe der Staaten eintraten. Diese
Gebiete erhielten ihre Bevölkerung in der großen Mehrzahl aus dem Norden.
Die Art des Waldfällers und der Pflug des Ackerbauers traten an die Stelle
der Büchse des Jägers, der zu Zeiten auch ein Räuber war. DaS Leben wurde
geregelter und stetiger. Die Gewaltthaten nahmen ab. Die Arbeit, die
Amerika groß gemacht hat, die Arbeit der nüchternen, unermüdlichen, vor
keinem Hinderniß zurückschreckenden Uankees, begann auch hier ihr Ueberwin-
derwerk. Kleine Städte entstanden. Eine Sägemühle, eine Kornmühle, eine
Schmiede erhob sich, wo .früher nur Büffelherden gegrast hatten. Eine Kirche
trat daneben, nachdem sich andere Häuser dazu gefunden. Dasselbe fand an
andern Punkten statt, vorzüglich wo Wasserkraft vorhanden war, oder wo das
Einströmen eines Flusses in einen größern baldiges Wachsthum deö neuen
Ortes verhieß. Dampfboote mit Waaren und Passagieren fingen an die Ge¬
wässer zu befahren. und 18Si trafen ganze Karavanen aus Ohio ein,
um sich am Platte anzusiedeln. Die Bottomö und die Prairien verwandelten
sich in Mais- und Weizenfelder. Die projectirte große Eisenbahn nach dem
Westen stellte ein rasches Gedeihen aller dieser Colonien in Aussicht. Es war
der Weg, auf dem sich Ohio und Kentuckv, Wisconsin und Illinois aus glei¬
chen Zuständen hervorgerungen hatten, und es war mit Bestimmtheit voraus-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/146>, abgerufen am 23.07.2024.