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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Andere Fürsten seines Geschlechts, sein Bruder Friedrich vor allen, sind
wieder ein Inbegriff der Fehler des deutschen Wesens. Kleinlich, eigensüch¬
tig, beschränkt, argwöhnisch, ohne Entschluß und Energie ist Herzog Friedrich
sein vollendetes Gegenstück.

Ein anderes Gegenbild ist sein Genosse und Biograph, Junker Hans von
Schweinichen. Dieser närrische Kauz ist von Kopf bis zu Fuß ein deut¬
scher Schlester. Als Knabe Page des eingesperrten Herzog Friedrich des Va¬
ters, und Prügeljunge Friedrich des Sohns, hatte er das abenteuerliche
Treiben des liegnitzer Fürstenhofes schon früh aus dem Grunde kennen gelernt
und sich in alle Mysterien desselben eingelebt. Sein Vater war als Gutsbe¬
sitzer in große Schulden gekommen, weil er einmal für den Herzog Heinrich
Bürgschaft geleistet hatte. Schweinichen war Miterbe eines tiefverschuldeten
Gutes, und hatte bis in sein spätes Alter endlose Händel mit Gutgläubigern,
mit seinen Verwandten und Leuten, die für ihn gutgesagt, und für die er gut¬
gesagt hatte. Das freilich war am Ende des 16. Jahrhunderts das gewöhnliche
Loos der Edelleute. Außerdem aber machte er durch viele Jahre fast alle Streiche
seines fürstlichen Herrn mit, und da diese zum großen Theil unsauberer Natur
waren, so kam auch auf seinen Theil kein unbedeutendes Maß von leichtsinnigen
Handlungen. Die sittliche Bildung am Ende des -16. Jahrhunderts war aller¬
dings im Ganzen betrachtet eine viel niedrigere als die unserer Zeit, und er
darf nur nach dem Maßstab seiner Zeit gemessen werden. Aber bei der grö߬
ten Nachsicht wird man in seiner Biographie einige bedenkliche Stellen finden,
welche seine Rechnung im Himmel schlechter gestellt haben müssen, als er in
seiner Genügsamkeit annimmt. Er aber ging nicht unter. Er hatte nicht wie
ein Slawe, sondern als ein Deutscher getrunken, vielleicht noch stärker als
sein Herr, -- denn er hatte nach damaligem Brauch, seinem Herrn "vor dem
Trunk zu stehn," d. h. die Trinkduelle desselben auszufechten, -- aber er
hatte sich immer mit einem gewissen Vorbehalt betrunken. Deutschen Ordnungs¬
sinn und das methodische Wesen hatte er nicht verloren, und nicht das Verständ¬
niß seiner Lage. Er war kein Mann des Schwertes und seine Ritter¬
lichkeit wurde durch einen starken Zusatz von Vorsicht gemildert. Immer guter
Laune und dabei schlau und mit einer mächtigen Suada versehen, wußte er
sich durch die schwierigsten Verhältnisse wie ein Aal durchzuwinden, mit
dem offenen Wesen eines Biedermanns und dem gutmüthigsten Gesicht
von der Welt. Während er am liederlichsten war, hielt er fest an dem Glau¬
ben an ehrbare Zukunft, und während er als verwilderter Hofmann lebte,
betrachtete er sich selbst als einen ehrenfester Landedelmann, der die gute Mei¬
nung seiner Genossen zu bewahren hat. . Er hatte stets ein kleines Gewissen
fürs Haus, es war kein lästiges und strenges Gewissen, aber es verlangte
dafür auch manchmal Gehorsam. Er schätzte sich selbst nicht wenig und fing


Andere Fürsten seines Geschlechts, sein Bruder Friedrich vor allen, sind
wieder ein Inbegriff der Fehler des deutschen Wesens. Kleinlich, eigensüch¬
tig, beschränkt, argwöhnisch, ohne Entschluß und Energie ist Herzog Friedrich
sein vollendetes Gegenstück.

Ein anderes Gegenbild ist sein Genosse und Biograph, Junker Hans von
Schweinichen. Dieser närrische Kauz ist von Kopf bis zu Fuß ein deut¬
scher Schlester. Als Knabe Page des eingesperrten Herzog Friedrich des Va¬
ters, und Prügeljunge Friedrich des Sohns, hatte er das abenteuerliche
Treiben des liegnitzer Fürstenhofes schon früh aus dem Grunde kennen gelernt
und sich in alle Mysterien desselben eingelebt. Sein Vater war als Gutsbe¬
sitzer in große Schulden gekommen, weil er einmal für den Herzog Heinrich
Bürgschaft geleistet hatte. Schweinichen war Miterbe eines tiefverschuldeten
Gutes, und hatte bis in sein spätes Alter endlose Händel mit Gutgläubigern,
mit seinen Verwandten und Leuten, die für ihn gutgesagt, und für die er gut¬
gesagt hatte. Das freilich war am Ende des 16. Jahrhunderts das gewöhnliche
Loos der Edelleute. Außerdem aber machte er durch viele Jahre fast alle Streiche
seines fürstlichen Herrn mit, und da diese zum großen Theil unsauberer Natur
waren, so kam auch auf seinen Theil kein unbedeutendes Maß von leichtsinnigen
Handlungen. Die sittliche Bildung am Ende des -16. Jahrhunderts war aller¬
dings im Ganzen betrachtet eine viel niedrigere als die unserer Zeit, und er
darf nur nach dem Maßstab seiner Zeit gemessen werden. Aber bei der grö߬
ten Nachsicht wird man in seiner Biographie einige bedenkliche Stellen finden,
welche seine Rechnung im Himmel schlechter gestellt haben müssen, als er in
seiner Genügsamkeit annimmt. Er aber ging nicht unter. Er hatte nicht wie
ein Slawe, sondern als ein Deutscher getrunken, vielleicht noch stärker als
sein Herr, — denn er hatte nach damaligem Brauch, seinem Herrn „vor dem
Trunk zu stehn," d. h. die Trinkduelle desselben auszufechten, — aber er
hatte sich immer mit einem gewissen Vorbehalt betrunken. Deutschen Ordnungs¬
sinn und das methodische Wesen hatte er nicht verloren, und nicht das Verständ¬
niß seiner Lage. Er war kein Mann des Schwertes und seine Ritter¬
lichkeit wurde durch einen starken Zusatz von Vorsicht gemildert. Immer guter
Laune und dabei schlau und mit einer mächtigen Suada versehen, wußte er
sich durch die schwierigsten Verhältnisse wie ein Aal durchzuwinden, mit
dem offenen Wesen eines Biedermanns und dem gutmüthigsten Gesicht
von der Welt. Während er am liederlichsten war, hielt er fest an dem Glau¬
ben an ehrbare Zukunft, und während er als verwilderter Hofmann lebte,
betrachtete er sich selbst als einen ehrenfester Landedelmann, der die gute Mei¬
nung seiner Genossen zu bewahren hat. . Er hatte stets ein kleines Gewissen
fürs Haus, es war kein lästiges und strenges Gewissen, aber es verlangte
dafür auch manchmal Gehorsam. Er schätzte sich selbst nicht wenig und fing


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[0124] Andere Fürsten seines Geschlechts, sein Bruder Friedrich vor allen, sind wieder ein Inbegriff der Fehler des deutschen Wesens. Kleinlich, eigensüch¬ tig, beschränkt, argwöhnisch, ohne Entschluß und Energie ist Herzog Friedrich sein vollendetes Gegenstück. Ein anderes Gegenbild ist sein Genosse und Biograph, Junker Hans von Schweinichen. Dieser närrische Kauz ist von Kopf bis zu Fuß ein deut¬ scher Schlester. Als Knabe Page des eingesperrten Herzog Friedrich des Va¬ ters, und Prügeljunge Friedrich des Sohns, hatte er das abenteuerliche Treiben des liegnitzer Fürstenhofes schon früh aus dem Grunde kennen gelernt und sich in alle Mysterien desselben eingelebt. Sein Vater war als Gutsbe¬ sitzer in große Schulden gekommen, weil er einmal für den Herzog Heinrich Bürgschaft geleistet hatte. Schweinichen war Miterbe eines tiefverschuldeten Gutes, und hatte bis in sein spätes Alter endlose Händel mit Gutgläubigern, mit seinen Verwandten und Leuten, die für ihn gutgesagt, und für die er gut¬ gesagt hatte. Das freilich war am Ende des 16. Jahrhunderts das gewöhnliche Loos der Edelleute. Außerdem aber machte er durch viele Jahre fast alle Streiche seines fürstlichen Herrn mit, und da diese zum großen Theil unsauberer Natur waren, so kam auch auf seinen Theil kein unbedeutendes Maß von leichtsinnigen Handlungen. Die sittliche Bildung am Ende des -16. Jahrhunderts war aller¬ dings im Ganzen betrachtet eine viel niedrigere als die unserer Zeit, und er darf nur nach dem Maßstab seiner Zeit gemessen werden. Aber bei der grö߬ ten Nachsicht wird man in seiner Biographie einige bedenkliche Stellen finden, welche seine Rechnung im Himmel schlechter gestellt haben müssen, als er in seiner Genügsamkeit annimmt. Er aber ging nicht unter. Er hatte nicht wie ein Slawe, sondern als ein Deutscher getrunken, vielleicht noch stärker als sein Herr, — denn er hatte nach damaligem Brauch, seinem Herrn „vor dem Trunk zu stehn," d. h. die Trinkduelle desselben auszufechten, — aber er hatte sich immer mit einem gewissen Vorbehalt betrunken. Deutschen Ordnungs¬ sinn und das methodische Wesen hatte er nicht verloren, und nicht das Verständ¬ niß seiner Lage. Er war kein Mann des Schwertes und seine Ritter¬ lichkeit wurde durch einen starken Zusatz von Vorsicht gemildert. Immer guter Laune und dabei schlau und mit einer mächtigen Suada versehen, wußte er sich durch die schwierigsten Verhältnisse wie ein Aal durchzuwinden, mit dem offenen Wesen eines Biedermanns und dem gutmüthigsten Gesicht von der Welt. Während er am liederlichsten war, hielt er fest an dem Glau¬ ben an ehrbare Zukunft, und während er als verwilderter Hofmann lebte, betrachtete er sich selbst als einen ehrenfester Landedelmann, der die gute Mei¬ nung seiner Genossen zu bewahren hat. . Er hatte stets ein kleines Gewissen fürs Haus, es war kein lästiges und strenges Gewissen, aber es verlangte dafür auch manchmal Gehorsam. Er schätzte sich selbst nicht wenig und fing

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/124>, abgerufen am 23.07.2024.