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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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sogar er, der Protestant, an den römischen Legaten; von'jedem Fürstenhof,
jeder Stadt, in welcher er einkehrt und nach damaligem Brauch bewirthet wird,
versucht er Geld zu borgen. In der Regel wird denn mit Schweinichen von
den nicht angenehm überraschten Wirthen capitulirt, und aus der großen An¬
leihe wird ein kleines Reisegeschenk. Der Fürst ist auch damit zufrieden. Er
hat eine Gemahlin, wie es scheint eine sehr unbedeutende Frau, welche er
als unvermeidlich zuweilen bei sich erträgt, sie muß dann versetzen und Schulden
machen, wie er, sich bei reichen böhmischen Edelleuten anmelden und sich einige
Tage bewirthen lassen, dann durch Schweinichen um ein Darlehn ersuchen, und
die höfliche Ablehnung mit fürstlicher Haltung ertragen. Das alles würde nur
kläglich sein, wenn es nicht dadurch origineller würde, daß Herzog Heinrich
trotz cilledem ein starkes Gefühl seiner fürstlichen Würde hat, die er so oft ent¬
ehrt, und baß er in der äußern Erscheinung immer ein vornehmer Mann ist. Nicht
nur seinem Schweinichen gegenüber, sondern auch an den fremden Fürsten¬
höfen, ja sogar im gesellschaftlichen Verkehr mit kaiserlicher Majestät ist er ein
nach dem damaligen Tone liebenswürdiger Gesellschafter, in ritterlichen Künsten
wohl bewandert, immer guter Laune, glücklich über jeden Scherz, den ein
anderer macht, selbst schlagfertig in Worten und in ernsten Dingen, wie
es scheint, wirklich beredt. Und dann gibt es doch einige Punkte, wo er in
der That Spuren von männlichem Sinn zeigt. So ungeschickt die tyran¬
nischen Streiche sind, die er als Herzog gegen seine Landschaft versucht, so
abenteuerlich seine offene Auflehnung gegen die kaiserliche Gewalt und so kin¬
disch seine Hoffnung ist, erwählter König von Polen zu werden, so ist der
Grund von cilledem doch die stete Empfindung, daß seine edle Herkunft
ihm das Recht gibt, nach dem Höchsten zu streben. Immer hat er politische
Interessen und Pläne. Nie glückt ihm etwas, weil er unstet und ruchlos und
unzuverlässig ist, aber er hört nicht auf, Großes zu begehren, eine Königs¬
krone, oder einen Feldherrnstab. Grade dies, daß er noch anderes wollte als
mit lustigen Gesellen Wein trinken und in Nonnenkleidern durch die Straßen
ziehn, hat ihn vom Throne und zuletzt, wie es scheint, ins Grab geworfen.
Und noch eine andere Stelle hielt Probe. Er war ein Protestant. Er stand
keinen Augenblick an, seinen katholischen Gegnern in der unverschämtesten Weise
Darlehne zuzumuthen; aber als ihm der päbstliche Legat eine bedeutende Rente,
ja seine Wiedereinsetzung in das Fürstenthum versprach, wenn er katholisch
würde, wies er diesen Vorschlag mit entschiedener Verachtung zurück. Wo er
sich als Soldat engagirte, war es am liebsten gegen die Habsburger. -- Eine
solche Persönlichkeit erscheint uns in ihrer Freiheit von Grundsätzen, der voll¬
ständigen Zuchtlostgkeit, dem unpraktischen und dabei doch unglaublich elastischen
und mit hohen Projecten erfüllten Wesen, als ein Repräsentant aller der
Schattenseiten, welche das slawische Naturell entwickelt.


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sogar er, der Protestant, an den römischen Legaten; von'jedem Fürstenhof,
jeder Stadt, in welcher er einkehrt und nach damaligem Brauch bewirthet wird,
versucht er Geld zu borgen. In der Regel wird denn mit Schweinichen von
den nicht angenehm überraschten Wirthen capitulirt, und aus der großen An¬
leihe wird ein kleines Reisegeschenk. Der Fürst ist auch damit zufrieden. Er
hat eine Gemahlin, wie es scheint eine sehr unbedeutende Frau, welche er
als unvermeidlich zuweilen bei sich erträgt, sie muß dann versetzen und Schulden
machen, wie er, sich bei reichen böhmischen Edelleuten anmelden und sich einige
Tage bewirthen lassen, dann durch Schweinichen um ein Darlehn ersuchen, und
die höfliche Ablehnung mit fürstlicher Haltung ertragen. Das alles würde nur
kläglich sein, wenn es nicht dadurch origineller würde, daß Herzog Heinrich
trotz cilledem ein starkes Gefühl seiner fürstlichen Würde hat, die er so oft ent¬
ehrt, und baß er in der äußern Erscheinung immer ein vornehmer Mann ist. Nicht
nur seinem Schweinichen gegenüber, sondern auch an den fremden Fürsten¬
höfen, ja sogar im gesellschaftlichen Verkehr mit kaiserlicher Majestät ist er ein
nach dem damaligen Tone liebenswürdiger Gesellschafter, in ritterlichen Künsten
wohl bewandert, immer guter Laune, glücklich über jeden Scherz, den ein
anderer macht, selbst schlagfertig in Worten und in ernsten Dingen, wie
es scheint, wirklich beredt. Und dann gibt es doch einige Punkte, wo er in
der That Spuren von männlichem Sinn zeigt. So ungeschickt die tyran¬
nischen Streiche sind, die er als Herzog gegen seine Landschaft versucht, so
abenteuerlich seine offene Auflehnung gegen die kaiserliche Gewalt und so kin¬
disch seine Hoffnung ist, erwählter König von Polen zu werden, so ist der
Grund von cilledem doch die stete Empfindung, daß seine edle Herkunft
ihm das Recht gibt, nach dem Höchsten zu streben. Immer hat er politische
Interessen und Pläne. Nie glückt ihm etwas, weil er unstet und ruchlos und
unzuverlässig ist, aber er hört nicht auf, Großes zu begehren, eine Königs¬
krone, oder einen Feldherrnstab. Grade dies, daß er noch anderes wollte als
mit lustigen Gesellen Wein trinken und in Nonnenkleidern durch die Straßen
ziehn, hat ihn vom Throne und zuletzt, wie es scheint, ins Grab geworfen.
Und noch eine andere Stelle hielt Probe. Er war ein Protestant. Er stand
keinen Augenblick an, seinen katholischen Gegnern in der unverschämtesten Weise
Darlehne zuzumuthen; aber als ihm der päbstliche Legat eine bedeutende Rente,
ja seine Wiedereinsetzung in das Fürstenthum versprach, wenn er katholisch
würde, wies er diesen Vorschlag mit entschiedener Verachtung zurück. Wo er
sich als Soldat engagirte, war es am liebsten gegen die Habsburger. — Eine
solche Persönlichkeit erscheint uns in ihrer Freiheit von Grundsätzen, der voll¬
ständigen Zuchtlostgkeit, dem unpraktischen und dabei doch unglaublich elastischen
und mit hohen Projecten erfüllten Wesen, als ein Repräsentant aller der
Schattenseiten, welche das slawische Naturell entwickelt.


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[0123] sogar er, der Protestant, an den römischen Legaten; von'jedem Fürstenhof, jeder Stadt, in welcher er einkehrt und nach damaligem Brauch bewirthet wird, versucht er Geld zu borgen. In der Regel wird denn mit Schweinichen von den nicht angenehm überraschten Wirthen capitulirt, und aus der großen An¬ leihe wird ein kleines Reisegeschenk. Der Fürst ist auch damit zufrieden. Er hat eine Gemahlin, wie es scheint eine sehr unbedeutende Frau, welche er als unvermeidlich zuweilen bei sich erträgt, sie muß dann versetzen und Schulden machen, wie er, sich bei reichen böhmischen Edelleuten anmelden und sich einige Tage bewirthen lassen, dann durch Schweinichen um ein Darlehn ersuchen, und die höfliche Ablehnung mit fürstlicher Haltung ertragen. Das alles würde nur kläglich sein, wenn es nicht dadurch origineller würde, daß Herzog Heinrich trotz cilledem ein starkes Gefühl seiner fürstlichen Würde hat, die er so oft ent¬ ehrt, und baß er in der äußern Erscheinung immer ein vornehmer Mann ist. Nicht nur seinem Schweinichen gegenüber, sondern auch an den fremden Fürsten¬ höfen, ja sogar im gesellschaftlichen Verkehr mit kaiserlicher Majestät ist er ein nach dem damaligen Tone liebenswürdiger Gesellschafter, in ritterlichen Künsten wohl bewandert, immer guter Laune, glücklich über jeden Scherz, den ein anderer macht, selbst schlagfertig in Worten und in ernsten Dingen, wie es scheint, wirklich beredt. Und dann gibt es doch einige Punkte, wo er in der That Spuren von männlichem Sinn zeigt. So ungeschickt die tyran¬ nischen Streiche sind, die er als Herzog gegen seine Landschaft versucht, so abenteuerlich seine offene Auflehnung gegen die kaiserliche Gewalt und so kin¬ disch seine Hoffnung ist, erwählter König von Polen zu werden, so ist der Grund von cilledem doch die stete Empfindung, daß seine edle Herkunft ihm das Recht gibt, nach dem Höchsten zu streben. Immer hat er politische Interessen und Pläne. Nie glückt ihm etwas, weil er unstet und ruchlos und unzuverlässig ist, aber er hört nicht auf, Großes zu begehren, eine Königs¬ krone, oder einen Feldherrnstab. Grade dies, daß er noch anderes wollte als mit lustigen Gesellen Wein trinken und in Nonnenkleidern durch die Straßen ziehn, hat ihn vom Throne und zuletzt, wie es scheint, ins Grab geworfen. Und noch eine andere Stelle hielt Probe. Er war ein Protestant. Er stand keinen Augenblick an, seinen katholischen Gegnern in der unverschämtesten Weise Darlehne zuzumuthen; aber als ihm der päbstliche Legat eine bedeutende Rente, ja seine Wiedereinsetzung in das Fürstenthum versprach, wenn er katholisch würde, wies er diesen Vorschlag mit entschiedener Verachtung zurück. Wo er sich als Soldat engagirte, war es am liebsten gegen die Habsburger. — Eine solche Persönlichkeit erscheint uns in ihrer Freiheit von Grundsätzen, der voll¬ ständigen Zuchtlostgkeit, dem unpraktischen und dabei doch unglaublich elastischen und mit hohen Projecten erfüllten Wesen, als ein Repräsentant aller der Schattenseiten, welche das slawische Naturell entwickelt. 16*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/123>, abgerufen am 23.07.2024.