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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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hätten geschworen, sie wollten mir in der Hofstube Arrest geben, ich ließ mich
aber nichts anfechten, sondern ging ins Schloß, so daß der Herr mich vom
Gange sehen konnte. Nun hatten Fürstliche Gnaden Polacken bei sich zu
Gaste, und in Küche und Keller war kein Vorrath vorhanden, der Trompeter
blies zu Tische und hernach zog sichs eine Stunde lang hin und es ward
nicht angerichtet. Fürstliche Gnaden schickten zu mir, ich sollte Essen geben
lassen und aufwarten. Ich ließ dem Herzog wieder vermelden, ich hätte ver¬
nommen, Seine Fürstlichen Gnaden wären zornig auf mich, deshalb hätte ich
Bedenken, vor Fürstliche Gnaden zu treten, wenn ich 'aber Fürstliche Gnaden
die Ursache meines langen Ausbleibens melden sollte, so würden sie wohl zu¬
frieden sein. Der Herzog aber läßt mir zurücksagen, ich sollte aufwarten, die
Ursache meines längern Außenbleibens wüßte er vorher, daß ich die Jungfrau
lieber gewonnen, als ihn. Als ich nun bei der Tafel Fürstlichen Gnaden das
Wasser darbot, sahen Fürstliche Gnaden sauer, ich that aber, als wenn ich
mir nichts daraus machte. Fürstliche Gnaden singen ein Saufen an, und wie
es am besten losging, war kein Wein vorhanden. Darauf ließen Fürstliche
Gnaden mir sagen, der Wein ginge ab, und den Spott brächte ich ihm zu,
weil ich nicht zu rechter Zeit heimgekommen wäre. Ich ließ dem Herzog wieder
zur Antwort geben, ich könnte nicht davor, warum hätten Fürstliche Gnaden
nicht bei guter Zeit nach Wein geschickt. Darauf ließen Fürstliche Gnaden
mir wieder vermelden, sie hätten kein Geld, deswegen sollte ich schnell nach
Wein schicken.

Ich lasse aber dem Herzog sagen, was ich denn thun sollte? wenn Fürstliche
Gnaden mit mir zürnten, sollten sie selber mit mir reden. Ich hatte aber noch
ein Fäßlein Wein von drei Eimern verborgen im Keller liegen. Darauf läßt
sich der Herzog ein Glas Wein eingießen und ruft: "Hofmeister, ich bringe
dir das zu deiner Rückkehr", heißt mich zu sich kommen und sagt: "ich bin
sehr zornig auf dich gewesen, aber es ist vorüber, siehe zu, daß wir wieder
Proviant bekommen, und vor allem Wein." Ich antwortete, Fürstliche Gnaden
sollten nur lustig sein, Wein werde nicht fehlen, auch an andern: sollte kein
Mangel sein, Fürstliche Gnaden aber hätten keine Ursache, auf mich scheel zu
sehen, denn ich wäre bei schönen Augen gewesen, die Fürstliche Gnaden auch
gern sehen. Darauf sagte der Herzog: "Du bist mir gut, ich bin mit dir
wohl zufrieden, ich habe mir wohl gedacht, du würdest etwas in Vorrath haben."
So waren wir wieder Herr und Diener, und alle Ungnade war weg, und
ich mußte nach meiner Freude wieder in Sorgen treten und zusehn, wie ich
Küche und Keller bestellte, was mir nach der Freude schwer ankam. Ich ersuhr
nachher vielerlei, daß man mich bei dem Herzog angeschwärzt hätte, als wenn
ich ihn verrathen wollte, und ich wäre bei Herzog Friedrich so lange gewesen,
und hätte mit diesem Praktiken gemacht, was doch niemals geschehen ist; auch


hätten geschworen, sie wollten mir in der Hofstube Arrest geben, ich ließ mich
aber nichts anfechten, sondern ging ins Schloß, so daß der Herr mich vom
Gange sehen konnte. Nun hatten Fürstliche Gnaden Polacken bei sich zu
Gaste, und in Küche und Keller war kein Vorrath vorhanden, der Trompeter
blies zu Tische und hernach zog sichs eine Stunde lang hin und es ward
nicht angerichtet. Fürstliche Gnaden schickten zu mir, ich sollte Essen geben
lassen und aufwarten. Ich ließ dem Herzog wieder vermelden, ich hätte ver¬
nommen, Seine Fürstlichen Gnaden wären zornig auf mich, deshalb hätte ich
Bedenken, vor Fürstliche Gnaden zu treten, wenn ich 'aber Fürstliche Gnaden
die Ursache meines langen Ausbleibens melden sollte, so würden sie wohl zu¬
frieden sein. Der Herzog aber läßt mir zurücksagen, ich sollte aufwarten, die
Ursache meines längern Außenbleibens wüßte er vorher, daß ich die Jungfrau
lieber gewonnen, als ihn. Als ich nun bei der Tafel Fürstlichen Gnaden das
Wasser darbot, sahen Fürstliche Gnaden sauer, ich that aber, als wenn ich
mir nichts daraus machte. Fürstliche Gnaden singen ein Saufen an, und wie
es am besten losging, war kein Wein vorhanden. Darauf ließen Fürstliche
Gnaden mir sagen, der Wein ginge ab, und den Spott brächte ich ihm zu,
weil ich nicht zu rechter Zeit heimgekommen wäre. Ich ließ dem Herzog wieder
zur Antwort geben, ich könnte nicht davor, warum hätten Fürstliche Gnaden
nicht bei guter Zeit nach Wein geschickt. Darauf ließen Fürstliche Gnaden
mir wieder vermelden, sie hätten kein Geld, deswegen sollte ich schnell nach
Wein schicken.

Ich lasse aber dem Herzog sagen, was ich denn thun sollte? wenn Fürstliche
Gnaden mit mir zürnten, sollten sie selber mit mir reden. Ich hatte aber noch
ein Fäßlein Wein von drei Eimern verborgen im Keller liegen. Darauf läßt
sich der Herzog ein Glas Wein eingießen und ruft: „Hofmeister, ich bringe
dir das zu deiner Rückkehr", heißt mich zu sich kommen und sagt: „ich bin
sehr zornig auf dich gewesen, aber es ist vorüber, siehe zu, daß wir wieder
Proviant bekommen, und vor allem Wein." Ich antwortete, Fürstliche Gnaden
sollten nur lustig sein, Wein werde nicht fehlen, auch an andern: sollte kein
Mangel sein, Fürstliche Gnaden aber hätten keine Ursache, auf mich scheel zu
sehen, denn ich wäre bei schönen Augen gewesen, die Fürstliche Gnaden auch
gern sehen. Darauf sagte der Herzog: „Du bist mir gut, ich bin mit dir
wohl zufrieden, ich habe mir wohl gedacht, du würdest etwas in Vorrath haben."
So waren wir wieder Herr und Diener, und alle Ungnade war weg, und
ich mußte nach meiner Freude wieder in Sorgen treten und zusehn, wie ich
Küche und Keller bestellte, was mir nach der Freude schwer ankam. Ich ersuhr
nachher vielerlei, daß man mich bei dem Herzog angeschwärzt hätte, als wenn
ich ihn verrathen wollte, und ich wäre bei Herzog Friedrich so lange gewesen,
und hätte mit diesem Praktiken gemacht, was doch niemals geschehen ist; auch


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[0118] hätten geschworen, sie wollten mir in der Hofstube Arrest geben, ich ließ mich aber nichts anfechten, sondern ging ins Schloß, so daß der Herr mich vom Gange sehen konnte. Nun hatten Fürstliche Gnaden Polacken bei sich zu Gaste, und in Küche und Keller war kein Vorrath vorhanden, der Trompeter blies zu Tische und hernach zog sichs eine Stunde lang hin und es ward nicht angerichtet. Fürstliche Gnaden schickten zu mir, ich sollte Essen geben lassen und aufwarten. Ich ließ dem Herzog wieder vermelden, ich hätte ver¬ nommen, Seine Fürstlichen Gnaden wären zornig auf mich, deshalb hätte ich Bedenken, vor Fürstliche Gnaden zu treten, wenn ich 'aber Fürstliche Gnaden die Ursache meines langen Ausbleibens melden sollte, so würden sie wohl zu¬ frieden sein. Der Herzog aber läßt mir zurücksagen, ich sollte aufwarten, die Ursache meines längern Außenbleibens wüßte er vorher, daß ich die Jungfrau lieber gewonnen, als ihn. Als ich nun bei der Tafel Fürstlichen Gnaden das Wasser darbot, sahen Fürstliche Gnaden sauer, ich that aber, als wenn ich mir nichts daraus machte. Fürstliche Gnaden singen ein Saufen an, und wie es am besten losging, war kein Wein vorhanden. Darauf ließen Fürstliche Gnaden mir sagen, der Wein ginge ab, und den Spott brächte ich ihm zu, weil ich nicht zu rechter Zeit heimgekommen wäre. Ich ließ dem Herzog wieder zur Antwort geben, ich könnte nicht davor, warum hätten Fürstliche Gnaden nicht bei guter Zeit nach Wein geschickt. Darauf ließen Fürstliche Gnaden mir wieder vermelden, sie hätten kein Geld, deswegen sollte ich schnell nach Wein schicken. Ich lasse aber dem Herzog sagen, was ich denn thun sollte? wenn Fürstliche Gnaden mit mir zürnten, sollten sie selber mit mir reden. Ich hatte aber noch ein Fäßlein Wein von drei Eimern verborgen im Keller liegen. Darauf läßt sich der Herzog ein Glas Wein eingießen und ruft: „Hofmeister, ich bringe dir das zu deiner Rückkehr", heißt mich zu sich kommen und sagt: „ich bin sehr zornig auf dich gewesen, aber es ist vorüber, siehe zu, daß wir wieder Proviant bekommen, und vor allem Wein." Ich antwortete, Fürstliche Gnaden sollten nur lustig sein, Wein werde nicht fehlen, auch an andern: sollte kein Mangel sein, Fürstliche Gnaden aber hätten keine Ursache, auf mich scheel zu sehen, denn ich wäre bei schönen Augen gewesen, die Fürstliche Gnaden auch gern sehen. Darauf sagte der Herzog: „Du bist mir gut, ich bin mit dir wohl zufrieden, ich habe mir wohl gedacht, du würdest etwas in Vorrath haben." So waren wir wieder Herr und Diener, und alle Ungnade war weg, und ich mußte nach meiner Freude wieder in Sorgen treten und zusehn, wie ich Küche und Keller bestellte, was mir nach der Freude schwer ankam. Ich ersuhr nachher vielerlei, daß man mich bei dem Herzog angeschwärzt hätte, als wenn ich ihn verrathen wollte, und ich wäre bei Herzog Friedrich so lange gewesen, und hätte mit diesem Praktiken gemacht, was doch niemals geschehen ist; auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/118>, abgerufen am 23.07.2024.