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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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Folgendermaßen sind die Umrisse der Komposition. Sie ist von Zando-
meneghi. Hoch oben sitzt der alte Tizian; zu seiner Rechten steht ein junges
Mädchen (etwa 1a bella?) oder eine Statue; ob ein lebendes oder ein Mar¬
morbild beabsichtigt ist, läßt sich sonderbarerweise nicht mit Sicherheit erkennen,
zu Tizians Linker sieht man einen Genius, der ihm einen Farbenkasten reicht.
Durch dieses Ausgehen des alten Meisters in eine ziemlich lockre Gruppe ver¬
liert er sehr an Bedeutung. Etwas tiefer stehen je zwei weibliche allegorische.
Gestalten an jeder Seite der. Hauptgruppe und näher dem. Beschauer. Die
Eckfiguren sind größer als die andern. Sie sind ohne faßlichen Bezug neben¬
einander gestellt und man glaubt das Bret eines Gipsfigurenhändlers vor sich
zu sehen. Ganz unten erblickt man noch zwei männliche, sitzende Gestalten,
gewissermaßen Flügelmänner des ganzen MarmorcontingentS, das hier zusammen¬
gebracht wurde. Sie sind von sehr großen Verhältnissen; der links sitzende,
ein halb nackter Greis, hält eine Tafel in der Hand, aus welcher der bekannte
Ausspruch Kaiser Karl des Fünften über den großen Venetianer zu lesen ist.
Der bärtige Mann rechts, mehr die Gegenwart vertretend, wie jener die
Vergangenheit, hält ebenfalls eine Marmorplatte in Händen, woraus Fer¬
dinand l. Name steht, und seines Einflusses auf Errichtung dieses Denkmals
gedacht wird. Ueber die einzelnen Figuren an und für sich ist nur Günstiges
zu sagen, dem Gesammtwerke aber fehlt Harmonie.

Gedenken wir endlich noch des Denkmals, welches Thorwaldsen zum
Andenken des Papstes Pius VII. in der Peterskirche ausführte. Die Anord¬
nung schließt sich den übrigen Monumenten dieses Riesenbaues in den Haupt¬
zügen an. Hochoben der sitzende, ernste alte', Papst mit lehrend erhobener
Rechten. Zu seinen Füßen zwei geflügelte Seraphins in Gewandung, in
ihren schlanken Körperverhältnissen an die Söhne des Laokoon mahnend; der
eine schreibt, der andere hält eine Sanduhr. Tiefer unten rechts die Wissen¬
schaft, ein ernstes schönes Weib, lesend, den Finger sinnend am Mund, einen
Kranz auf dem Haupte. Links die Kraft; ein groß aufblickendes Weib mit
über der Brust gekreuzten Händen, den linken Fuß auf einer Keule, entwaffnet
durch die Nähe des Glaubensfürsten. Kopf und Oberkörper bedeckt ein Thier¬
fell. Die Form dieses Monuments schließt sich denjenigen an, wo man das
Aeußere einer Grabkammer vor sich zu haben glaubt.

Zu-diesem Werke kehrt man nie zurück, ohne ernst gestimmt zu werden.
Anfangs störten uns die Seraphine,; wir wagen indessen nicht, sie weg zu
wünschen, da, je öfter wir vor dem Denkmale verweilten, uns immer mächti¬
ger die feierliche Harmonie des Ganzen entgegentrat.

Und hier wird der Ort sein, um von den vielen Einzelerscheinungen den
Blick auf das Allgemeine monumentaler Sculptur zurückzuwenden.

Wer wollte es leugnen, daß sie selten einen ihrer Hauptzwecke erfüllt:


Folgendermaßen sind die Umrisse der Komposition. Sie ist von Zando-
meneghi. Hoch oben sitzt der alte Tizian; zu seiner Rechten steht ein junges
Mädchen (etwa 1a bella?) oder eine Statue; ob ein lebendes oder ein Mar¬
morbild beabsichtigt ist, läßt sich sonderbarerweise nicht mit Sicherheit erkennen,
zu Tizians Linker sieht man einen Genius, der ihm einen Farbenkasten reicht.
Durch dieses Ausgehen des alten Meisters in eine ziemlich lockre Gruppe ver¬
liert er sehr an Bedeutung. Etwas tiefer stehen je zwei weibliche allegorische.
Gestalten an jeder Seite der. Hauptgruppe und näher dem. Beschauer. Die
Eckfiguren sind größer als die andern. Sie sind ohne faßlichen Bezug neben¬
einander gestellt und man glaubt das Bret eines Gipsfigurenhändlers vor sich
zu sehen. Ganz unten erblickt man noch zwei männliche, sitzende Gestalten,
gewissermaßen Flügelmänner des ganzen MarmorcontingentS, das hier zusammen¬
gebracht wurde. Sie sind von sehr großen Verhältnissen; der links sitzende,
ein halb nackter Greis, hält eine Tafel in der Hand, aus welcher der bekannte
Ausspruch Kaiser Karl des Fünften über den großen Venetianer zu lesen ist.
Der bärtige Mann rechts, mehr die Gegenwart vertretend, wie jener die
Vergangenheit, hält ebenfalls eine Marmorplatte in Händen, woraus Fer¬
dinand l. Name steht, und seines Einflusses auf Errichtung dieses Denkmals
gedacht wird. Ueber die einzelnen Figuren an und für sich ist nur Günstiges
zu sagen, dem Gesammtwerke aber fehlt Harmonie.

Gedenken wir endlich noch des Denkmals, welches Thorwaldsen zum
Andenken des Papstes Pius VII. in der Peterskirche ausführte. Die Anord¬
nung schließt sich den übrigen Monumenten dieses Riesenbaues in den Haupt¬
zügen an. Hochoben der sitzende, ernste alte', Papst mit lehrend erhobener
Rechten. Zu seinen Füßen zwei geflügelte Seraphins in Gewandung, in
ihren schlanken Körperverhältnissen an die Söhne des Laokoon mahnend; der
eine schreibt, der andere hält eine Sanduhr. Tiefer unten rechts die Wissen¬
schaft, ein ernstes schönes Weib, lesend, den Finger sinnend am Mund, einen
Kranz auf dem Haupte. Links die Kraft; ein groß aufblickendes Weib mit
über der Brust gekreuzten Händen, den linken Fuß auf einer Keule, entwaffnet
durch die Nähe des Glaubensfürsten. Kopf und Oberkörper bedeckt ein Thier¬
fell. Die Form dieses Monuments schließt sich denjenigen an, wo man das
Aeußere einer Grabkammer vor sich zu haben glaubt.

Zu-diesem Werke kehrt man nie zurück, ohne ernst gestimmt zu werden.
Anfangs störten uns die Seraphine,; wir wagen indessen nicht, sie weg zu
wünschen, da, je öfter wir vor dem Denkmale verweilten, uns immer mächti¬
ger die feierliche Harmonie des Ganzen entgegentrat.

Und hier wird der Ort sein, um von den vielen Einzelerscheinungen den
Blick auf das Allgemeine monumentaler Sculptur zurückzuwenden.

Wer wollte es leugnen, daß sie selten einen ihrer Hauptzwecke erfüllt:


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[0111] Folgendermaßen sind die Umrisse der Komposition. Sie ist von Zando- meneghi. Hoch oben sitzt der alte Tizian; zu seiner Rechten steht ein junges Mädchen (etwa 1a bella?) oder eine Statue; ob ein lebendes oder ein Mar¬ morbild beabsichtigt ist, läßt sich sonderbarerweise nicht mit Sicherheit erkennen, zu Tizians Linker sieht man einen Genius, der ihm einen Farbenkasten reicht. Durch dieses Ausgehen des alten Meisters in eine ziemlich lockre Gruppe ver¬ liert er sehr an Bedeutung. Etwas tiefer stehen je zwei weibliche allegorische. Gestalten an jeder Seite der. Hauptgruppe und näher dem. Beschauer. Die Eckfiguren sind größer als die andern. Sie sind ohne faßlichen Bezug neben¬ einander gestellt und man glaubt das Bret eines Gipsfigurenhändlers vor sich zu sehen. Ganz unten erblickt man noch zwei männliche, sitzende Gestalten, gewissermaßen Flügelmänner des ganzen MarmorcontingentS, das hier zusammen¬ gebracht wurde. Sie sind von sehr großen Verhältnissen; der links sitzende, ein halb nackter Greis, hält eine Tafel in der Hand, aus welcher der bekannte Ausspruch Kaiser Karl des Fünften über den großen Venetianer zu lesen ist. Der bärtige Mann rechts, mehr die Gegenwart vertretend, wie jener die Vergangenheit, hält ebenfalls eine Marmorplatte in Händen, woraus Fer¬ dinand l. Name steht, und seines Einflusses auf Errichtung dieses Denkmals gedacht wird. Ueber die einzelnen Figuren an und für sich ist nur Günstiges zu sagen, dem Gesammtwerke aber fehlt Harmonie. Gedenken wir endlich noch des Denkmals, welches Thorwaldsen zum Andenken des Papstes Pius VII. in der Peterskirche ausführte. Die Anord¬ nung schließt sich den übrigen Monumenten dieses Riesenbaues in den Haupt¬ zügen an. Hochoben der sitzende, ernste alte', Papst mit lehrend erhobener Rechten. Zu seinen Füßen zwei geflügelte Seraphins in Gewandung, in ihren schlanken Körperverhältnissen an die Söhne des Laokoon mahnend; der eine schreibt, der andere hält eine Sanduhr. Tiefer unten rechts die Wissen¬ schaft, ein ernstes schönes Weib, lesend, den Finger sinnend am Mund, einen Kranz auf dem Haupte. Links die Kraft; ein groß aufblickendes Weib mit über der Brust gekreuzten Händen, den linken Fuß auf einer Keule, entwaffnet durch die Nähe des Glaubensfürsten. Kopf und Oberkörper bedeckt ein Thier¬ fell. Die Form dieses Monuments schließt sich denjenigen an, wo man das Aeußere einer Grabkammer vor sich zu haben glaubt. Zu-diesem Werke kehrt man nie zurück, ohne ernst gestimmt zu werden. Anfangs störten uns die Seraphine,; wir wagen indessen nicht, sie weg zu wünschen, da, je öfter wir vor dem Denkmale verweilten, uns immer mächti¬ ger die feierliche Harmonie des Ganzen entgegentrat. Und hier wird der Ort sein, um von den vielen Einzelerscheinungen den Blick auf das Allgemeine monumentaler Sculptur zurückzuwenden. Wer wollte es leugnen, daß sie selten einen ihrer Hauptzwecke erfüllt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/111>, abgerufen am 23.07.2024.