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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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der figürliche Ausbau ist nicht mehr pyramidalisch, eine wirkliche Steinpyramide
muß an die Stelle treten. Diese Form von Grabmäler wiederholt sich seit
1797 oft.

Sie dient in fast unveränderter Wiederaufnahme bei dem schon erwähnten
Grabmale in Venedig, das ursprünglich von Canova für Tizians Grab ent¬
worfen, dann aber, als Cnnova vor der Vollendung des Werkes starb, auf
Kosten seiner Verehrer in ganz Europa für sein eignes Grabmal ausgeführt
wurde. Da sichs bei diesen Monumenten, außer den allegorischen Figuren,
nur um ein Medqillonporträt des Verstorbenen handelt, so konnte der Tausch
vor sich gehen, ohne daß der Komposition zu sehr Gewalt angethan wurde.
Ihr äußrer Umriß ist einfach folgender. Zu einer kolossalen Marmorpyramide
führen drei Stufen hinan. Links vom Eingange der Pyramide ruht mit
schmerzlichem Ausdruck der venetianische Löwe, noch weiter links ein großer
Genius der Sculptur; von der rechten Seite bewegen sich nach der Grabthüre
ein verschleiertes Weib (Venedig oder Sculptur), von einem Genius gefolgt,
hinter diesen, wieder von zwei Genien gefolgt, Architektur und Malerei.
Das Ganze ist würdig und ernst. Man hätte den Löwen vielleicht besser bei
guter Laune gelassen, da zu viele Leidtragende, zumal thierische Beihilfe, die
Naivetät des Eindrucks schwächen. Wir daven hier indessen nicht das Detail
im Auge, da es mehr aus die Totalform ,. zu welcher die monumentale Kunst
im Dienste der Todten durchgedrungen ist, ankommt.

In Roms Protomoteca hat ein Schüler CanovaS, E. Fabris, dem Lehrer
ein Denkmal errichtet, das abweichender Form ist, indem die Pyramide wieder
aufgegeben wurde -- vielleicht wegen des beschränkten Raums. Auf hohem
Marmorunterbau ruht Canova, den rechten Arm auf die Büste der Medusa
gestützt, den Kopf halb über die Schulter gewendet, wie seine Büste auf der
Passeggiata; er ist antik gekleidet, der Oberkörper ziemlich entblößt. Zu dem
trauernden Genius mit der Leier, welcher auf einer untern Stufe des Monu¬
mentes sitzt, gesellen sich drei trauernde allegorische Gestalten, Sculptur, Ar¬
chitektur, Malerei. Die Arbeit ist nicht gewöhnlicher Art, die Wirkung aber
schwach; der kleinliche Raum, wo man das Monument unterbrachte, beein¬
trächtigt freilich seine Erscheinung mehr als billig.

Wenig Befriedigung gewährt ebenfalls Dantes Denkmal in Florenz, in
der Kirche Sta. Croce. Es ist von Ricci entworfen und ausgeführt. Der
Dichter der Divina Comedia ist sitzend dargestellt und in der frühern Weise
auf hohem Postament; rechts, auf einem tiefem Standpunkt, die trauernde
Poesie, weit vorn übergebeugt, fast kniend; links Italie,, mit prahlerischem
Pathos auf den Dichter zeigend. Diese Figur steht dem Dichter so nahe, daß
ihre aufgehobene Linke fast seine Knie berührt. Die Inschrift "Onorate l'-il-
ei8sine> poewl" vervollständigt die unbescheidene Zudringlichkeit dieser Italie,.


der figürliche Ausbau ist nicht mehr pyramidalisch, eine wirkliche Steinpyramide
muß an die Stelle treten. Diese Form von Grabmäler wiederholt sich seit
1797 oft.

Sie dient in fast unveränderter Wiederaufnahme bei dem schon erwähnten
Grabmale in Venedig, das ursprünglich von Canova für Tizians Grab ent¬
worfen, dann aber, als Cnnova vor der Vollendung des Werkes starb, auf
Kosten seiner Verehrer in ganz Europa für sein eignes Grabmal ausgeführt
wurde. Da sichs bei diesen Monumenten, außer den allegorischen Figuren,
nur um ein Medqillonporträt des Verstorbenen handelt, so konnte der Tausch
vor sich gehen, ohne daß der Komposition zu sehr Gewalt angethan wurde.
Ihr äußrer Umriß ist einfach folgender. Zu einer kolossalen Marmorpyramide
führen drei Stufen hinan. Links vom Eingange der Pyramide ruht mit
schmerzlichem Ausdruck der venetianische Löwe, noch weiter links ein großer
Genius der Sculptur; von der rechten Seite bewegen sich nach der Grabthüre
ein verschleiertes Weib (Venedig oder Sculptur), von einem Genius gefolgt,
hinter diesen, wieder von zwei Genien gefolgt, Architektur und Malerei.
Das Ganze ist würdig und ernst. Man hätte den Löwen vielleicht besser bei
guter Laune gelassen, da zu viele Leidtragende, zumal thierische Beihilfe, die
Naivetät des Eindrucks schwächen. Wir daven hier indessen nicht das Detail
im Auge, da es mehr aus die Totalform ,. zu welcher die monumentale Kunst
im Dienste der Todten durchgedrungen ist, ankommt.

In Roms Protomoteca hat ein Schüler CanovaS, E. Fabris, dem Lehrer
ein Denkmal errichtet, das abweichender Form ist, indem die Pyramide wieder
aufgegeben wurde — vielleicht wegen des beschränkten Raums. Auf hohem
Marmorunterbau ruht Canova, den rechten Arm auf die Büste der Medusa
gestützt, den Kopf halb über die Schulter gewendet, wie seine Büste auf der
Passeggiata; er ist antik gekleidet, der Oberkörper ziemlich entblößt. Zu dem
trauernden Genius mit der Leier, welcher auf einer untern Stufe des Monu¬
mentes sitzt, gesellen sich drei trauernde allegorische Gestalten, Sculptur, Ar¬
chitektur, Malerei. Die Arbeit ist nicht gewöhnlicher Art, die Wirkung aber
schwach; der kleinliche Raum, wo man das Monument unterbrachte, beein¬
trächtigt freilich seine Erscheinung mehr als billig.

Wenig Befriedigung gewährt ebenfalls Dantes Denkmal in Florenz, in
der Kirche Sta. Croce. Es ist von Ricci entworfen und ausgeführt. Der
Dichter der Divina Comedia ist sitzend dargestellt und in der frühern Weise
auf hohem Postament; rechts, auf einem tiefem Standpunkt, die trauernde
Poesie, weit vorn übergebeugt, fast kniend; links Italie,, mit prahlerischem
Pathos auf den Dichter zeigend. Diese Figur steht dem Dichter so nahe, daß
ihre aufgehobene Linke fast seine Knie berührt. Die Inschrift „Onorate l'-il-
ei8sine> poewl" vervollständigt die unbescheidene Zudringlichkeit dieser Italie,.


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[0109] der figürliche Ausbau ist nicht mehr pyramidalisch, eine wirkliche Steinpyramide muß an die Stelle treten. Diese Form von Grabmäler wiederholt sich seit 1797 oft. Sie dient in fast unveränderter Wiederaufnahme bei dem schon erwähnten Grabmale in Venedig, das ursprünglich von Canova für Tizians Grab ent¬ worfen, dann aber, als Cnnova vor der Vollendung des Werkes starb, auf Kosten seiner Verehrer in ganz Europa für sein eignes Grabmal ausgeführt wurde. Da sichs bei diesen Monumenten, außer den allegorischen Figuren, nur um ein Medqillonporträt des Verstorbenen handelt, so konnte der Tausch vor sich gehen, ohne daß der Komposition zu sehr Gewalt angethan wurde. Ihr äußrer Umriß ist einfach folgender. Zu einer kolossalen Marmorpyramide führen drei Stufen hinan. Links vom Eingange der Pyramide ruht mit schmerzlichem Ausdruck der venetianische Löwe, noch weiter links ein großer Genius der Sculptur; von der rechten Seite bewegen sich nach der Grabthüre ein verschleiertes Weib (Venedig oder Sculptur), von einem Genius gefolgt, hinter diesen, wieder von zwei Genien gefolgt, Architektur und Malerei. Das Ganze ist würdig und ernst. Man hätte den Löwen vielleicht besser bei guter Laune gelassen, da zu viele Leidtragende, zumal thierische Beihilfe, die Naivetät des Eindrucks schwächen. Wir daven hier indessen nicht das Detail im Auge, da es mehr aus die Totalform ,. zu welcher die monumentale Kunst im Dienste der Todten durchgedrungen ist, ankommt. In Roms Protomoteca hat ein Schüler CanovaS, E. Fabris, dem Lehrer ein Denkmal errichtet, das abweichender Form ist, indem die Pyramide wieder aufgegeben wurde — vielleicht wegen des beschränkten Raums. Auf hohem Marmorunterbau ruht Canova, den rechten Arm auf die Büste der Medusa gestützt, den Kopf halb über die Schulter gewendet, wie seine Büste auf der Passeggiata; er ist antik gekleidet, der Oberkörper ziemlich entblößt. Zu dem trauernden Genius mit der Leier, welcher auf einer untern Stufe des Monu¬ mentes sitzt, gesellen sich drei trauernde allegorische Gestalten, Sculptur, Ar¬ chitektur, Malerei. Die Arbeit ist nicht gewöhnlicher Art, die Wirkung aber schwach; der kleinliche Raum, wo man das Monument unterbrachte, beein¬ trächtigt freilich seine Erscheinung mehr als billig. Wenig Befriedigung gewährt ebenfalls Dantes Denkmal in Florenz, in der Kirche Sta. Croce. Es ist von Ricci entworfen und ausgeführt. Der Dichter der Divina Comedia ist sitzend dargestellt und in der frühern Weise auf hohem Postament; rechts, auf einem tiefem Standpunkt, die trauernde Poesie, weit vorn übergebeugt, fast kniend; links Italie,, mit prahlerischem Pathos auf den Dichter zeigend. Diese Figur steht dem Dichter so nahe, daß ihre aufgehobene Linke fast seine Knie berührt. Die Inschrift „Onorate l'-il- ei8sine> poewl" vervollständigt die unbescheidene Zudringlichkeit dieser Italie,.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/109>, abgerufen am 23.07.2024.