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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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literweise ist jedoch auch das einzige größere, von der Regierung unabhängige
Blatt -- so weit sich dies in Mecklenburg überhaupt sagen laßt -- die "Ro¬
stocker Zeitung", das in den Grvßherzogthümern verbreitetste Blatt mit etwa
viertausend Abonnenten.

In derselben Landtagssession hatte sich der Antrag des engern Ausschusses
auf eine Petition an beide Landesherren wiederholt, damit dieselben "schleunigst
geeigneten Orts in Verbindung traten, aus daß der sofortige Anschluß Mecklen¬
burgs an den deutschen Zollverein bewerkstelligt werde." Außerhalb des Landes
hat man in dem Umstände, daß der Antrag dies Mal trotz seiner endlichen Ab¬
lehnung mehr Zustimmung als früher fand, eine größere nationale Hinneigung
zu Deutschland oder auch das Starkwerden nationalpolitischer Sympathien sür
den Zollverein zu erkennen geglaubt. Vorerst glauben wir, wird die Bedeutung
eines Antrags des engern Ausschusses überhaupt überschätzt; denn es ist ein
Irrthum, wenn man diesen "Propositionen" mehr als formelle Bedeutung beimißt.
Einige Wochen vor dem Zusammentritt des Landtags versammelt sich jedes Mal in
Rostock der sogenannte "Antecomitialconvent". Diesem sind wieder die "Kreiscou-
vente" der verschiedenen Deputaten von Ritterschaft und Landschaft vorausge¬
gangen. Was nun von den Deputaten oder einzelnen Berechtigten zum Ante¬
comitialconvent als Proposition "intimirt" -.wird, wird mit dem Namen des
Antragstellers unter die "Propositionen des engern Ausschusses von Ritter- und
Landschaft" oder der Ritterschaft allein und ebenso der Landschaft allein auf¬
genommen. Propositionen des engern Ausschusses der Landschaft allein kommen
übrigens in praxi kaum mehr vor, während die der Ritterschaft fast niemals
fehlen. Außerdem enthalten aber diese Propositionen auch noch eine Masse
von Berichten über Gesetzgebung und Verwaltung im ganzen Umfange der sehr
weit ausgedehnten ständischen Kompetenz. Daß nun ein einzelner Gutsbesitzer
alljährlich den Antrag auf Anschluß an den Zollverein stellt, ist ganz richtig,
daß aber dieser Antrag unter denen des engern Ausschusses steht, hat an sich
keine allgemeinere Bedeutung.

Allerdings haben sich auf dem letzten Landtage mehr Stimmen als früher
auf dem Antrage vereinigt (27 gegen 38). Allein es waren meistens Stimmen
der bürgerlichen Gutsbesitzer, welche theils als Paroli gegen den Adel, theils
'im Gefühl der Unerträglichkeit des bestehenden Steuersystems für den Anschluß
sprachen. Der Adel ist der entschiedene Gegner des Anschlusses und zwar aus
Politischen Gründen. Wol mit Recht fürchtet er, daß durch denselben die Ne¬
gierung unabhängig von den Geldbewilligungen der Stände und damit über¬
haupt minder abhängig von der Ritter- und Landschaft werde. Darin könnte eine
constitutionelle Garantie liegen, wenn nicht eben in den parlamentarischen Körper¬
schaften grade dafür der Geist, Wille und die Menschen fehlten. Die Ausdehnung
der Initiative und ständischen Concurrenz ist principiell bedeutender, als in


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literweise ist jedoch auch das einzige größere, von der Regierung unabhängige
Blatt — so weit sich dies in Mecklenburg überhaupt sagen laßt — die „Ro¬
stocker Zeitung", das in den Grvßherzogthümern verbreitetste Blatt mit etwa
viertausend Abonnenten.

In derselben Landtagssession hatte sich der Antrag des engern Ausschusses
auf eine Petition an beide Landesherren wiederholt, damit dieselben „schleunigst
geeigneten Orts in Verbindung traten, aus daß der sofortige Anschluß Mecklen¬
burgs an den deutschen Zollverein bewerkstelligt werde." Außerhalb des Landes
hat man in dem Umstände, daß der Antrag dies Mal trotz seiner endlichen Ab¬
lehnung mehr Zustimmung als früher fand, eine größere nationale Hinneigung
zu Deutschland oder auch das Starkwerden nationalpolitischer Sympathien sür
den Zollverein zu erkennen geglaubt. Vorerst glauben wir, wird die Bedeutung
eines Antrags des engern Ausschusses überhaupt überschätzt; denn es ist ein
Irrthum, wenn man diesen „Propositionen" mehr als formelle Bedeutung beimißt.
Einige Wochen vor dem Zusammentritt des Landtags versammelt sich jedes Mal in
Rostock der sogenannte „Antecomitialconvent". Diesem sind wieder die „Kreiscou-
vente" der verschiedenen Deputaten von Ritterschaft und Landschaft vorausge¬
gangen. Was nun von den Deputaten oder einzelnen Berechtigten zum Ante¬
comitialconvent als Proposition „intimirt" -.wird, wird mit dem Namen des
Antragstellers unter die „Propositionen des engern Ausschusses von Ritter- und
Landschaft" oder der Ritterschaft allein und ebenso der Landschaft allein auf¬
genommen. Propositionen des engern Ausschusses der Landschaft allein kommen
übrigens in praxi kaum mehr vor, während die der Ritterschaft fast niemals
fehlen. Außerdem enthalten aber diese Propositionen auch noch eine Masse
von Berichten über Gesetzgebung und Verwaltung im ganzen Umfange der sehr
weit ausgedehnten ständischen Kompetenz. Daß nun ein einzelner Gutsbesitzer
alljährlich den Antrag auf Anschluß an den Zollverein stellt, ist ganz richtig,
daß aber dieser Antrag unter denen des engern Ausschusses steht, hat an sich
keine allgemeinere Bedeutung.

Allerdings haben sich auf dem letzten Landtage mehr Stimmen als früher
auf dem Antrage vereinigt (27 gegen 38). Allein es waren meistens Stimmen
der bürgerlichen Gutsbesitzer, welche theils als Paroli gegen den Adel, theils
'im Gefühl der Unerträglichkeit des bestehenden Steuersystems für den Anschluß
sprachen. Der Adel ist der entschiedene Gegner des Anschlusses und zwar aus
Politischen Gründen. Wol mit Recht fürchtet er, daß durch denselben die Ne¬
gierung unabhängig von den Geldbewilligungen der Stände und damit über¬
haupt minder abhängig von der Ritter- und Landschaft werde. Darin könnte eine
constitutionelle Garantie liegen, wenn nicht eben in den parlamentarischen Körper¬
schaften grade dafür der Geist, Wille und die Menschen fehlten. Die Ausdehnung
der Initiative und ständischen Concurrenz ist principiell bedeutender, als in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/91>, abgerufen am 01.09.2024.