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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Mecklenburgische Erläuterungen.

Die neue Preßverordnung, welche in den ersten Tagen des Mär; zu Schwerin
im Anschluß an die Bundespreßnvrmen und im Uebrigen dem preußischen Pre߬
gesetz ähnlich erlassen wurde, lenkt den Blick des Publicums, da er nunmehr nicht
ausschließlich an Paris sesthastet, wol auch aus unsre Großherzogthümer. Wer
sie innerlich kennt, muß allerdings oftmals darüber erstaunen, daß Deutschland
sie so wenig kennt. Oder auch nicht. Denn unsre Verhältnisse sind so ab¬
geschlossen, in sich begrenzt, daß man es dem übrigen Deutschland kaum
verdenken mag, wenn es dieselben ganz auf sich beruhen läßt. Wenn das nur
auch gewisse Correspondenzfabrikanten thäten, welche nach flüchtigster Lectüre
von ein paar mecklenburgischen Zeitungen und nach nur halbem Ver¬
ständniß ihrer Notizen sogenannte mecklenburgische Berichte verbreiten, von
denen keiner in Mecklenburg entstand. Um solche destillirte Mittheilungen mit
einiger Sicherheit fabriciren zu können, wäre vor allen Dingen nöthig, daß
derartige industrielle Publicisten mecklenburgische Zeitungen zu lesen ver¬
ständen. DaS ist jedoch keine leichte Sache. Denn grade die innern Kämpfe
zwischen den verschiedenen politischen Richtungen sind für unsre Zeitungen
kaum oder doch nur mit stbyllinischen Phrasen berührbar, was man freilich
leicht begreift, wenn man auf den gesetzlichen Apparat blickt, welcher ihr ganzes
Leben beherrscht und zusammenpreßt.

Wir haben auch eine Zeit gehabt, in welcher die Preßfreiheit einige
schüchterne Flügelschläge that. Allein schon -I8ö0 bevollmächtigte eine landes¬
herrliche Verordnung das Ministerium in Strelitz zur Unterdrückung jeder Zei¬
tung, zu jeder Zeit und an jedem Orte, ohne daß eine Warnung vorherzugehen
braucht. Ursprünglich war der Zweck dieses Decrets, einige mißliebige kleine
Blätter todtzuschlagen; und diesem Zweck wurde sofort entsprochen. Gleichzeitig
erschien ein Preßgesetz. Es entspricht dem des Königreichs Baiern fast wort¬
getreu. Was sich mit dessen Paragraphen erwirken läßt, hat sich am Schick¬
sal der baierischen Presse gezeigt. Wenn nun dasselbe Verfahren hier zu Lande
nicht in der dortigen Weise erccutirt wurde, so lag dies theils daran, weil jene
Verordnung die Gelegenheit dazu größtentheils vorweggenommen hatte, theils
auch daran, daß es nicht die Art deS bequemen und gemüthlichen Mecklenburgers


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Mecklenburgische Erläuterungen.

Die neue Preßverordnung, welche in den ersten Tagen des Mär; zu Schwerin
im Anschluß an die Bundespreßnvrmen und im Uebrigen dem preußischen Pre߬
gesetz ähnlich erlassen wurde, lenkt den Blick des Publicums, da er nunmehr nicht
ausschließlich an Paris sesthastet, wol auch aus unsre Großherzogthümer. Wer
sie innerlich kennt, muß allerdings oftmals darüber erstaunen, daß Deutschland
sie so wenig kennt. Oder auch nicht. Denn unsre Verhältnisse sind so ab¬
geschlossen, in sich begrenzt, daß man es dem übrigen Deutschland kaum
verdenken mag, wenn es dieselben ganz auf sich beruhen läßt. Wenn das nur
auch gewisse Correspondenzfabrikanten thäten, welche nach flüchtigster Lectüre
von ein paar mecklenburgischen Zeitungen und nach nur halbem Ver¬
ständniß ihrer Notizen sogenannte mecklenburgische Berichte verbreiten, von
denen keiner in Mecklenburg entstand. Um solche destillirte Mittheilungen mit
einiger Sicherheit fabriciren zu können, wäre vor allen Dingen nöthig, daß
derartige industrielle Publicisten mecklenburgische Zeitungen zu lesen ver¬
ständen. DaS ist jedoch keine leichte Sache. Denn grade die innern Kämpfe
zwischen den verschiedenen politischen Richtungen sind für unsre Zeitungen
kaum oder doch nur mit stbyllinischen Phrasen berührbar, was man freilich
leicht begreift, wenn man auf den gesetzlichen Apparat blickt, welcher ihr ganzes
Leben beherrscht und zusammenpreßt.

Wir haben auch eine Zeit gehabt, in welcher die Preßfreiheit einige
schüchterne Flügelschläge that. Allein schon -I8ö0 bevollmächtigte eine landes¬
herrliche Verordnung das Ministerium in Strelitz zur Unterdrückung jeder Zei¬
tung, zu jeder Zeit und an jedem Orte, ohne daß eine Warnung vorherzugehen
braucht. Ursprünglich war der Zweck dieses Decrets, einige mißliebige kleine
Blätter todtzuschlagen; und diesem Zweck wurde sofort entsprochen. Gleichzeitig
erschien ein Preßgesetz. Es entspricht dem des Königreichs Baiern fast wort¬
getreu. Was sich mit dessen Paragraphen erwirken läßt, hat sich am Schick¬
sal der baierischen Presse gezeigt. Wenn nun dasselbe Verfahren hier zu Lande
nicht in der dortigen Weise erccutirt wurde, so lag dies theils daran, weil jene
Verordnung die Gelegenheit dazu größtentheils vorweggenommen hatte, theils
auch daran, daß es nicht die Art deS bequemen und gemüthlichen Mecklenburgers


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[0089] Mecklenburgische Erläuterungen. Die neue Preßverordnung, welche in den ersten Tagen des Mär; zu Schwerin im Anschluß an die Bundespreßnvrmen und im Uebrigen dem preußischen Pre߬ gesetz ähnlich erlassen wurde, lenkt den Blick des Publicums, da er nunmehr nicht ausschließlich an Paris sesthastet, wol auch aus unsre Großherzogthümer. Wer sie innerlich kennt, muß allerdings oftmals darüber erstaunen, daß Deutschland sie so wenig kennt. Oder auch nicht. Denn unsre Verhältnisse sind so ab¬ geschlossen, in sich begrenzt, daß man es dem übrigen Deutschland kaum verdenken mag, wenn es dieselben ganz auf sich beruhen läßt. Wenn das nur auch gewisse Correspondenzfabrikanten thäten, welche nach flüchtigster Lectüre von ein paar mecklenburgischen Zeitungen und nach nur halbem Ver¬ ständniß ihrer Notizen sogenannte mecklenburgische Berichte verbreiten, von denen keiner in Mecklenburg entstand. Um solche destillirte Mittheilungen mit einiger Sicherheit fabriciren zu können, wäre vor allen Dingen nöthig, daß derartige industrielle Publicisten mecklenburgische Zeitungen zu lesen ver¬ ständen. DaS ist jedoch keine leichte Sache. Denn grade die innern Kämpfe zwischen den verschiedenen politischen Richtungen sind für unsre Zeitungen kaum oder doch nur mit stbyllinischen Phrasen berührbar, was man freilich leicht begreift, wenn man auf den gesetzlichen Apparat blickt, welcher ihr ganzes Leben beherrscht und zusammenpreßt. Wir haben auch eine Zeit gehabt, in welcher die Preßfreiheit einige schüchterne Flügelschläge that. Allein schon -I8ö0 bevollmächtigte eine landes¬ herrliche Verordnung das Ministerium in Strelitz zur Unterdrückung jeder Zei¬ tung, zu jeder Zeit und an jedem Orte, ohne daß eine Warnung vorherzugehen braucht. Ursprünglich war der Zweck dieses Decrets, einige mißliebige kleine Blätter todtzuschlagen; und diesem Zweck wurde sofort entsprochen. Gleichzeitig erschien ein Preßgesetz. Es entspricht dem des Königreichs Baiern fast wort¬ getreu. Was sich mit dessen Paragraphen erwirken läßt, hat sich am Schick¬ sal der baierischen Presse gezeigt. Wenn nun dasselbe Verfahren hier zu Lande nicht in der dortigen Weise erccutirt wurde, so lag dies theils daran, weil jene Verordnung die Gelegenheit dazu größtentheils vorweggenommen hatte, theils auch daran, daß es nicht die Art deS bequemen und gemüthlichen Mecklenburgers Grc»jbotc>l. II. -I8ö6. 11

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/89>, abgerufen am 26.07.2024.