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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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und im ägyptischen Tempel. Sie sind fast durchweg mit einer musterhaften
Technik ausgeführt und zeigen die außerordentlichen Fortschritte unsrer moder¬
nen Wandmalerei, die man von der Oelmalerei kaum noch unterscheiden kann.
Zum Theil stellen sie Landschaften nach der Natur bar, une man sie gegen¬
wartig steht, mit den Trümmern der Vergangenheit, zum Theil hat die Phan¬
tasie des Künstlers daS Bild der frühern Zeit hergestellt, z. B. die Akropolis, den
Tempel zu Olympia u. f. w., wobei man freilich nicht darauf schwören kann,
daß sie in der Natur wirklich so ausgesehen haben. Die Landschaften sind
von Grab. Pape, Schirmer, Biermann, Mar Schmidt, einem würdigen Ver¬
ein ausgezeichneter Kräfte. Die Ausführung ist die sogenannte enkaustische
lWachSmalerei).

Weniger gelungen scheinen uns die mythologischen Bilder, im Entwurf
wie in der Ausführung (stereochromisch). Die Maler sind: Peters, Becker.
Kaselowski und Henning. Doch ist dabei zu erinnern, daß ste auch geringere
Ansprüche machen. Viel auffallender treten uns die mythologischen Wand¬
gemälde in dem Saal der nordischen Alterthümer entgegen, ausgeführt von
Müller, Heidenreich und Richter. Sie enthalten die ganze Geschichte der Edda,
das Reich des Himmels und die Unterwelt, die Götter, Riesen und Zwerge
und was sich von allegorischen Vorstellungen noch daran knüpft. In manchen
dieser Bilder, die grade mit der größten Sorgfalt ausgeführt sind, ist eine ge¬
wisse geisterhafte Farbe, die auf den ersten Anblick besticht, aber auf die Länge
nicht wohlthätig wirkt. Es ist übrigens möglich, daß durch diese Bilder die
Kenntniß der nordischen Mythologie eindringlicher verbreitet wird, als^ durch
alle philologischen Forschungen. Wenn es früher vom Berliner hieß, er ver-,
schmähe die Reise nach der Schweiz oder nach Italien, weil er es bei Gropius
viel natürlicher und bequemer haben könne, so wird ihm jetzt auch ein wohl¬
feiler Zugang in die heiligen Hallen der Wissenschaft eröffnet und da mit der
Zelt wol das ganze berliner Publicum einmal in diesen Räumen gewesen sein
wird und sich ein großer Theil davon mit dem Schafter ausrüstet, so kann es
leicht kommen, daß einmal der Wolf Fenris und die Steinböcke Tanngnistr
und Tanngrisnir bei den Berlinern populärere Figuren sind, als Seydlitz und
was sonst vom Wilhelmsplatz her bekannt war. Ich kann die Schlußbetrach¬
tung nicht unterdrücken. Das Museum enthält einen ganz ungewöhnlichen
Aufwand von schönen und wissenswürdigen Gegenständen. Es hat sich ein
Aufwand von Talenten darin geltend gemacht, die man selten so beisammen
findet; aber man merkt ihm doch an. daß es ein berliner Product ist.




und im ägyptischen Tempel. Sie sind fast durchweg mit einer musterhaften
Technik ausgeführt und zeigen die außerordentlichen Fortschritte unsrer moder¬
nen Wandmalerei, die man von der Oelmalerei kaum noch unterscheiden kann.
Zum Theil stellen sie Landschaften nach der Natur bar, une man sie gegen¬
wartig steht, mit den Trümmern der Vergangenheit, zum Theil hat die Phan¬
tasie des Künstlers daS Bild der frühern Zeit hergestellt, z. B. die Akropolis, den
Tempel zu Olympia u. f. w., wobei man freilich nicht darauf schwören kann,
daß sie in der Natur wirklich so ausgesehen haben. Die Landschaften sind
von Grab. Pape, Schirmer, Biermann, Mar Schmidt, einem würdigen Ver¬
ein ausgezeichneter Kräfte. Die Ausführung ist die sogenannte enkaustische
lWachSmalerei).

Weniger gelungen scheinen uns die mythologischen Bilder, im Entwurf
wie in der Ausführung (stereochromisch). Die Maler sind: Peters, Becker.
Kaselowski und Henning. Doch ist dabei zu erinnern, daß ste auch geringere
Ansprüche machen. Viel auffallender treten uns die mythologischen Wand¬
gemälde in dem Saal der nordischen Alterthümer entgegen, ausgeführt von
Müller, Heidenreich und Richter. Sie enthalten die ganze Geschichte der Edda,
das Reich des Himmels und die Unterwelt, die Götter, Riesen und Zwerge
und was sich von allegorischen Vorstellungen noch daran knüpft. In manchen
dieser Bilder, die grade mit der größten Sorgfalt ausgeführt sind, ist eine ge¬
wisse geisterhafte Farbe, die auf den ersten Anblick besticht, aber auf die Länge
nicht wohlthätig wirkt. Es ist übrigens möglich, daß durch diese Bilder die
Kenntniß der nordischen Mythologie eindringlicher verbreitet wird, als^ durch
alle philologischen Forschungen. Wenn es früher vom Berliner hieß, er ver-,
schmähe die Reise nach der Schweiz oder nach Italien, weil er es bei Gropius
viel natürlicher und bequemer haben könne, so wird ihm jetzt auch ein wohl¬
feiler Zugang in die heiligen Hallen der Wissenschaft eröffnet und da mit der
Zelt wol das ganze berliner Publicum einmal in diesen Räumen gewesen sein
wird und sich ein großer Theil davon mit dem Schafter ausrüstet, so kann es
leicht kommen, daß einmal der Wolf Fenris und die Steinböcke Tanngnistr
und Tanngrisnir bei den Berlinern populärere Figuren sind, als Seydlitz und
was sonst vom Wilhelmsplatz her bekannt war. Ich kann die Schlußbetrach¬
tung nicht unterdrücken. Das Museum enthält einen ganz ungewöhnlichen
Aufwand von schönen und wissenswürdigen Gegenständen. Es hat sich ein
Aufwand von Talenten darin geltend gemacht, die man selten so beisammen
findet; aber man merkt ihm doch an. daß es ein berliner Product ist.




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[0063] und im ägyptischen Tempel. Sie sind fast durchweg mit einer musterhaften Technik ausgeführt und zeigen die außerordentlichen Fortschritte unsrer moder¬ nen Wandmalerei, die man von der Oelmalerei kaum noch unterscheiden kann. Zum Theil stellen sie Landschaften nach der Natur bar, une man sie gegen¬ wartig steht, mit den Trümmern der Vergangenheit, zum Theil hat die Phan¬ tasie des Künstlers daS Bild der frühern Zeit hergestellt, z. B. die Akropolis, den Tempel zu Olympia u. f. w., wobei man freilich nicht darauf schwören kann, daß sie in der Natur wirklich so ausgesehen haben. Die Landschaften sind von Grab. Pape, Schirmer, Biermann, Mar Schmidt, einem würdigen Ver¬ ein ausgezeichneter Kräfte. Die Ausführung ist die sogenannte enkaustische lWachSmalerei). Weniger gelungen scheinen uns die mythologischen Bilder, im Entwurf wie in der Ausführung (stereochromisch). Die Maler sind: Peters, Becker. Kaselowski und Henning. Doch ist dabei zu erinnern, daß ste auch geringere Ansprüche machen. Viel auffallender treten uns die mythologischen Wand¬ gemälde in dem Saal der nordischen Alterthümer entgegen, ausgeführt von Müller, Heidenreich und Richter. Sie enthalten die ganze Geschichte der Edda, das Reich des Himmels und die Unterwelt, die Götter, Riesen und Zwerge und was sich von allegorischen Vorstellungen noch daran knüpft. In manchen dieser Bilder, die grade mit der größten Sorgfalt ausgeführt sind, ist eine ge¬ wisse geisterhafte Farbe, die auf den ersten Anblick besticht, aber auf die Länge nicht wohlthätig wirkt. Es ist übrigens möglich, daß durch diese Bilder die Kenntniß der nordischen Mythologie eindringlicher verbreitet wird, als^ durch alle philologischen Forschungen. Wenn es früher vom Berliner hieß, er ver-, schmähe die Reise nach der Schweiz oder nach Italien, weil er es bei Gropius viel natürlicher und bequemer haben könne, so wird ihm jetzt auch ein wohl¬ feiler Zugang in die heiligen Hallen der Wissenschaft eröffnet und da mit der Zelt wol das ganze berliner Publicum einmal in diesen Räumen gewesen sein wird und sich ein großer Theil davon mit dem Schafter ausrüstet, so kann es leicht kommen, daß einmal der Wolf Fenris und die Steinböcke Tanngnistr und Tanngrisnir bei den Berlinern populärere Figuren sind, als Seydlitz und was sonst vom Wilhelmsplatz her bekannt war. Ich kann die Schlußbetrach¬ tung nicht unterdrücken. Das Museum enthält einen ganz ungewöhnlichen Aufwand von schönen und wissenswürdigen Gegenständen. Es hat sich ein Aufwand von Talenten darin geltend gemacht, die man selten so beisammen findet; aber man merkt ihm doch an. daß es ein berliner Product ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/63>, abgerufen am 05.07.2024.