Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.zu gewähren. Die Gründe, nut denen man diese Kunstzugvögel vertheidigt, Schwächer noch, wie mit diesem Grund, ist es mit einem andern bestellt. zu gewähren. Die Gründe, nut denen man diese Kunstzugvögel vertheidigt, Schwächer noch, wie mit diesem Grund, ist es mit einem andern bestellt. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0471" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101998"/> <p xml:id="ID_1297" prev="#ID_1296"> zu gewähren. Die Gründe, nut denen man diese Kunstzugvögel vertheidigt,<lb/> sind faßlich und blendend. Allerdings., wird gar vielen eifrigen Theaterfreunden<lb/> nur durch diese Gastspiele Gelegenheit geboten, die großen Künstler kennen zu<lb/> lernen und sich ihrer zu freuen. Ob aber dieser Zweck nicht auch, und sogar<lb/> besser erreicht werden könnte, wenn diese Kunstreisen weniger handwerksmäßig<lb/> betrieben würden? Zudem ist die Bemerkung gewiß nicht ungerechtfertigt, daß<lb/> ein Publicum einen Gast nach ein paar Borstellungen höchstens im AUgrmei-<lb/> nen, und das sogar nur oberflächlich, beurtheilen — seinem eigentlichen Werth,<lb/> seiner innern Eigenthümlichkeit aber nicht im mindesten nachgehen kann. Wie<lb/> aber schwindet' damit der so sehr gerühmte Vortheil zu einem Minimum zu¬<lb/> sammen! Ist es doch gewöhnlich nur die Neugier, welche die meisten treibt,<lb/> uno die Eitelkeit, ihn, ven Großen, Unübertrefflicher, oder sie, die Herrliche,<lb/> Holde mit eignen Augen geseh'en zu haben. Und doch haben sie am Ende<lb/> kaum mehr als eine Caricatur der großen Künstler gesehen, wissen dafür freilich<lb/> mit um so größerer Anmaßung, je geringer ihr Verständniß ist, über das Ge-<lb/> k,ammlgebiet der Kunst mit allen ihren Einzelerscheinungen abzuurtheilen.<lb/> Was thut bei einem Publicum nicht die vorgefaßte Meinung, nicht das<lb/> imponirende Urtheil der so unabhängigen Zeitungen! Unter zehn bedeuten¬<lb/> den Gastspielen ist gewiß bei neun anzunehmen, daß das Publicum weniger<lb/> die wahren Vorzüge des Künstlers beachtet, alls daß eS sich an Fehler, marie-<lb/> "rde Angewohnheiten klammert, die es als preiswürdige Talente und erhabne<lb/> Schönheiten in den Himmel erhebt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1298"> Schwächer noch, wie mit diesem Grund, ist es mit einem andern bestellt.<lb/> Außer in den drei bis vier größten deutscheu Theatern, ist das Publicum be¬<lb/> reits so weit, daß es nur bei einem Gastspiel eines bedeutenden Künstlers ein<lb/> classisches Stück in guter Aufführung sehen zu können meint. Nur von Gästen<lb/> duldet man classische Stücke. Ost mag wirklich die heimische Bühnengesellschaft<lb/> für ein solches Stück keine Kräfte haben, oft aber verbirgt sich auch der Un-<lb/> geschmack hinter diesem Vorwand', nur um durch ernstere Aufführungen nicht gelang¬<lb/> weilt zu werden. Den letzteren Theil des Publicums können wir füglich übergehen,<lb/> aber auch die erstere Ansicht, daß bei unzureichenden eignen Kräften nur mit<lb/> Hilfe eines Gastes eine tüchtige Darstellung eines Meisterstücks zu erzielen sei;<lb/> scheint trüglich. Geben wir auch viel zu, so bleibt dieser Grund doch nur<lb/> h"Ib wahr. Denn geben wir zu, daß die betreffende Rolle von dem Gast auch<lb/> '"eisterhast gegeben würde, so haben wir damit noch lange keine genügende Dar-<lb/> sicllung, indem pas Unfertige uno Auseinanderfaltende, das ein solches Gast-<lb/> Ip^l fast unabweislich mit sich bringt, dadurch nicht gehoben wird. Konuiit<lb/> "ber hinzu, daß der Gast, wie es gewiß oft geschieht, weniger bie Rolle, als<lb/> lieb selbst spielt, daß er nach Effect und Applaus strebt, so bleibt uns von<lb/> vielberühmten guten Vorstellung nur ein widerlicher Eindruck.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0471]
zu gewähren. Die Gründe, nut denen man diese Kunstzugvögel vertheidigt,
sind faßlich und blendend. Allerdings., wird gar vielen eifrigen Theaterfreunden
nur durch diese Gastspiele Gelegenheit geboten, die großen Künstler kennen zu
lernen und sich ihrer zu freuen. Ob aber dieser Zweck nicht auch, und sogar
besser erreicht werden könnte, wenn diese Kunstreisen weniger handwerksmäßig
betrieben würden? Zudem ist die Bemerkung gewiß nicht ungerechtfertigt, daß
ein Publicum einen Gast nach ein paar Borstellungen höchstens im AUgrmei-
nen, und das sogar nur oberflächlich, beurtheilen — seinem eigentlichen Werth,
seiner innern Eigenthümlichkeit aber nicht im mindesten nachgehen kann. Wie
aber schwindet' damit der so sehr gerühmte Vortheil zu einem Minimum zu¬
sammen! Ist es doch gewöhnlich nur die Neugier, welche die meisten treibt,
uno die Eitelkeit, ihn, ven Großen, Unübertrefflicher, oder sie, die Herrliche,
Holde mit eignen Augen geseh'en zu haben. Und doch haben sie am Ende
kaum mehr als eine Caricatur der großen Künstler gesehen, wissen dafür freilich
mit um so größerer Anmaßung, je geringer ihr Verständniß ist, über das Ge-
k,ammlgebiet der Kunst mit allen ihren Einzelerscheinungen abzuurtheilen.
Was thut bei einem Publicum nicht die vorgefaßte Meinung, nicht das
imponirende Urtheil der so unabhängigen Zeitungen! Unter zehn bedeuten¬
den Gastspielen ist gewiß bei neun anzunehmen, daß das Publicum weniger
die wahren Vorzüge des Künstlers beachtet, alls daß eS sich an Fehler, marie-
"rde Angewohnheiten klammert, die es als preiswürdige Talente und erhabne
Schönheiten in den Himmel erhebt.
Schwächer noch, wie mit diesem Grund, ist es mit einem andern bestellt.
Außer in den drei bis vier größten deutscheu Theatern, ist das Publicum be¬
reits so weit, daß es nur bei einem Gastspiel eines bedeutenden Künstlers ein
classisches Stück in guter Aufführung sehen zu können meint. Nur von Gästen
duldet man classische Stücke. Ost mag wirklich die heimische Bühnengesellschaft
für ein solches Stück keine Kräfte haben, oft aber verbirgt sich auch der Un-
geschmack hinter diesem Vorwand', nur um durch ernstere Aufführungen nicht gelang¬
weilt zu werden. Den letzteren Theil des Publicums können wir füglich übergehen,
aber auch die erstere Ansicht, daß bei unzureichenden eignen Kräften nur mit
Hilfe eines Gastes eine tüchtige Darstellung eines Meisterstücks zu erzielen sei;
scheint trüglich. Geben wir auch viel zu, so bleibt dieser Grund doch nur
h"Ib wahr. Denn geben wir zu, daß die betreffende Rolle von dem Gast auch
'"eisterhast gegeben würde, so haben wir damit noch lange keine genügende Dar-
sicllung, indem pas Unfertige uno Auseinanderfaltende, das ein solches Gast-
Ip^l fast unabweislich mit sich bringt, dadurch nicht gehoben wird. Konuiit
"ber hinzu, daß der Gast, wie es gewiß oft geschieht, weniger bie Rolle, als
lieb selbst spielt, daß er nach Effect und Applaus strebt, so bleibt uns von
vielberühmten guten Vorstellung nur ein widerlicher Eindruck.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |