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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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empfangenden Geldes besteht, und wo die Anweisungen und Wechsel, die aus
das eine Bankierhaus gezogen werden, durch die ausgeglichen werden, welche
dasselbe von andern in Händen hat. In dem Anhange zu dem zweiten Be¬
richte des Parlamentsausschusses, in Beziehung auf die Banken befindet sich
eine Angabe über die Zahlungen, welche durch das Clearinghouse im Jahr
1859 geleistet wurden, und obschon alle Summen unter hundert Pfund dabei
weggelassen sind, beliefen sich diese Zahlungen doch auf mehr als 9Si Millio¬
nen Pfund, und die jährlichen Zahlungen von drei Bankiers allein betrugen
über hundert Millionen. Eine solche Bedeutsamkeit des Handels ist nicht nur
völlig ohne Gleichen, sondern verlangt auch einen starken Glauben, um nicht
für ein Wunder zu gelten. Ein Gang nach den verschiedenen Docks indeß,
diesen ungeheuren Stapelplätzen der Reichthümer aller Welt, wird auch den
ungläubigsten Zweifler von der Wahrheit jener Angaben überzeugen.

Diese Docks sind in der That der eigentliche Brennpunkt der Macht
unsrer Handelsfürsten. Die Krcchne ächzen unter der Last von Reichthümern,
die sie emporwirbelt. In den Speichern sind Haufen von Indigo und andern
Färbestvffen aufgeschichtet, welche gleichsam ebenso viele Hausen ungezählten
Goldes sind. Auf den Böden und in den Kellern lagern Schicht auf Schicht
Schätze, die das Auge verwirren. Der Reichthum scheint so grenzenlos wie
die See über die er gekommen ist, er ist so groß, daß man glauben könnte, er
würde die ganze Welt reich machen, wenn er vertheilt würde. Geht man über
diesen Kai, so ist die Luft stechend von den Massen von Tabak, die dort
lagern, während auf jenem ein überwältigender Duft von Rum die Atmosphäre
schwängert. Beim dritten wird einem übel von dem Gerüche, den Millionen
Häute und Hörner ausströmen und auf dem nächsten wieder duftet die Luft
von unermeßlichen Kaffee und Gewürz. Fast allenthalben erblickt man Haufen
von Getreide, von gelbem Schwefel oder bleifarbigem Kupfererz. In dem
einen Waarenhause ist die Diele klebrig von dem Rohzucker, der durch die Ritzen
der Fässer gelaufen ist, in dem andern herrscht ein betäubender Weingeruch
und dort sind unendliche Fässer, gefüllt mit der köstlichen Flüssigkeit, neben un¬
endlichen andern, in denen Ruin und Cognac sich befinden. Vor den Kais
endlich liegen zahllose Schiffe, die neue Reichthümer gebracht haben.

Es ist unmöglich, sich einen völlig zutreffenden Begriff von dem Handel
des londoner Hafens zu machen. Aber wenn wir die Ein- und Ausfuhr
zusammenrechnen, so werden wir nicht übertreiben, wenn wir den Werth der¬
selben auf ungefähr 6ü Millionen Pfund veranschlagen*).



*) Dies ist mizweifelbaft eine große Summe. Nehmen wir jedoch an, das! der Werth in
preußischer Münze ausgedrückt illo Millionen.Thaler betrage, so wäre derselbe nicht erheblich
größer als der, welcher die auf ungefähr 8i0 Millionen Mark Banco zu veranschlagende Auö-
und Einfuhr Hamburgs repräsentirt.

empfangenden Geldes besteht, und wo die Anweisungen und Wechsel, die aus
das eine Bankierhaus gezogen werden, durch die ausgeglichen werden, welche
dasselbe von andern in Händen hat. In dem Anhange zu dem zweiten Be¬
richte des Parlamentsausschusses, in Beziehung auf die Banken befindet sich
eine Angabe über die Zahlungen, welche durch das Clearinghouse im Jahr
1859 geleistet wurden, und obschon alle Summen unter hundert Pfund dabei
weggelassen sind, beliefen sich diese Zahlungen doch auf mehr als 9Si Millio¬
nen Pfund, und die jährlichen Zahlungen von drei Bankiers allein betrugen
über hundert Millionen. Eine solche Bedeutsamkeit des Handels ist nicht nur
völlig ohne Gleichen, sondern verlangt auch einen starken Glauben, um nicht
für ein Wunder zu gelten. Ein Gang nach den verschiedenen Docks indeß,
diesen ungeheuren Stapelplätzen der Reichthümer aller Welt, wird auch den
ungläubigsten Zweifler von der Wahrheit jener Angaben überzeugen.

Diese Docks sind in der That der eigentliche Brennpunkt der Macht
unsrer Handelsfürsten. Die Krcchne ächzen unter der Last von Reichthümern,
die sie emporwirbelt. In den Speichern sind Haufen von Indigo und andern
Färbestvffen aufgeschichtet, welche gleichsam ebenso viele Hausen ungezählten
Goldes sind. Auf den Böden und in den Kellern lagern Schicht auf Schicht
Schätze, die das Auge verwirren. Der Reichthum scheint so grenzenlos wie
die See über die er gekommen ist, er ist so groß, daß man glauben könnte, er
würde die ganze Welt reich machen, wenn er vertheilt würde. Geht man über
diesen Kai, so ist die Luft stechend von den Massen von Tabak, die dort
lagern, während auf jenem ein überwältigender Duft von Rum die Atmosphäre
schwängert. Beim dritten wird einem übel von dem Gerüche, den Millionen
Häute und Hörner ausströmen und auf dem nächsten wieder duftet die Luft
von unermeßlichen Kaffee und Gewürz. Fast allenthalben erblickt man Haufen
von Getreide, von gelbem Schwefel oder bleifarbigem Kupfererz. In dem
einen Waarenhause ist die Diele klebrig von dem Rohzucker, der durch die Ritzen
der Fässer gelaufen ist, in dem andern herrscht ein betäubender Weingeruch
und dort sind unendliche Fässer, gefüllt mit der köstlichen Flüssigkeit, neben un¬
endlichen andern, in denen Ruin und Cognac sich befinden. Vor den Kais
endlich liegen zahllose Schiffe, die neue Reichthümer gebracht haben.

Es ist unmöglich, sich einen völlig zutreffenden Begriff von dem Handel
des londoner Hafens zu machen. Aber wenn wir die Ein- und Ausfuhr
zusammenrechnen, so werden wir nicht übertreiben, wenn wir den Werth der¬
selben auf ungefähr 6ü Millionen Pfund veranschlagen*).



*) Dies ist mizweifelbaft eine große Summe. Nehmen wir jedoch an, das! der Werth in
preußischer Münze ausgedrückt illo Millionen.Thaler betrage, so wäre derselbe nicht erheblich
größer als der, welcher die auf ungefähr 8i0 Millionen Mark Banco zu veranschlagende Auö-
und Einfuhr Hamburgs repräsentirt.
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[0428] empfangenden Geldes besteht, und wo die Anweisungen und Wechsel, die aus das eine Bankierhaus gezogen werden, durch die ausgeglichen werden, welche dasselbe von andern in Händen hat. In dem Anhange zu dem zweiten Be¬ richte des Parlamentsausschusses, in Beziehung auf die Banken befindet sich eine Angabe über die Zahlungen, welche durch das Clearinghouse im Jahr 1859 geleistet wurden, und obschon alle Summen unter hundert Pfund dabei weggelassen sind, beliefen sich diese Zahlungen doch auf mehr als 9Si Millio¬ nen Pfund, und die jährlichen Zahlungen von drei Bankiers allein betrugen über hundert Millionen. Eine solche Bedeutsamkeit des Handels ist nicht nur völlig ohne Gleichen, sondern verlangt auch einen starken Glauben, um nicht für ein Wunder zu gelten. Ein Gang nach den verschiedenen Docks indeß, diesen ungeheuren Stapelplätzen der Reichthümer aller Welt, wird auch den ungläubigsten Zweifler von der Wahrheit jener Angaben überzeugen. Diese Docks sind in der That der eigentliche Brennpunkt der Macht unsrer Handelsfürsten. Die Krcchne ächzen unter der Last von Reichthümern, die sie emporwirbelt. In den Speichern sind Haufen von Indigo und andern Färbestvffen aufgeschichtet, welche gleichsam ebenso viele Hausen ungezählten Goldes sind. Auf den Böden und in den Kellern lagern Schicht auf Schicht Schätze, die das Auge verwirren. Der Reichthum scheint so grenzenlos wie die See über die er gekommen ist, er ist so groß, daß man glauben könnte, er würde die ganze Welt reich machen, wenn er vertheilt würde. Geht man über diesen Kai, so ist die Luft stechend von den Massen von Tabak, die dort lagern, während auf jenem ein überwältigender Duft von Rum die Atmosphäre schwängert. Beim dritten wird einem übel von dem Gerüche, den Millionen Häute und Hörner ausströmen und auf dem nächsten wieder duftet die Luft von unermeßlichen Kaffee und Gewürz. Fast allenthalben erblickt man Haufen von Getreide, von gelbem Schwefel oder bleifarbigem Kupfererz. In dem einen Waarenhause ist die Diele klebrig von dem Rohzucker, der durch die Ritzen der Fässer gelaufen ist, in dem andern herrscht ein betäubender Weingeruch und dort sind unendliche Fässer, gefüllt mit der köstlichen Flüssigkeit, neben un¬ endlichen andern, in denen Ruin und Cognac sich befinden. Vor den Kais endlich liegen zahllose Schiffe, die neue Reichthümer gebracht haben. Es ist unmöglich, sich einen völlig zutreffenden Begriff von dem Handel des londoner Hafens zu machen. Aber wenn wir die Ein- und Ausfuhr zusammenrechnen, so werden wir nicht übertreiben, wenn wir den Werth der¬ selben auf ungefähr 6ü Millionen Pfund veranschlagen*). *) Dies ist mizweifelbaft eine große Summe. Nehmen wir jedoch an, das! der Werth in preußischer Münze ausgedrückt illo Millionen.Thaler betrage, so wäre derselbe nicht erheblich größer als der, welcher die auf ungefähr 8i0 Millionen Mark Banco zu veranschlagende Auö- und Einfuhr Hamburgs repräsentirt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/428>, abgerufen am 28.07.2024.