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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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ihrer Zahl zu ersetzen, wenigstens gegen den britischen^Consul in Neuyork noch,
eine Beschwerde in Reserve. Derselbe hatte auf glaubwürdige Weise erfahren,
daß das amerikanische Barkschiff Maury im Hafen von Neuvork als russischer
Caper ausgerüstet werde, und theilte dieses pflichtgemäß dem englischen Ge¬
sandten mit, der nun seinerseits der amerikanischen Regierung die Angelegen¬
heit vorlegte. Die amerikanischen Behörden fanden die Anzeige gravirend
genug, um das Schiff vorläufig mit Beschlag zu belegen und gegen den Aus¬
rüster desselben eine Untersuchung zu beginnen, die mit dessen Freisprechung
endigte. Man vermeint wohl, die Vereinigten Staatenregierung, so ängstlich
besorgt, .ihre Neutralität aufs strengste gegen Nußland aufrecht zu erhalte",
hätte mit Eiser die Gelegenheit ergriffen, gegen England dieselbe Rücksicht an
den Tag zu legen? Nicht doch; ein englischer Consul hatte ein Einschreiten
amerikanischer Behörden gegen Bürger des Staates veranlaßt, hatte damit den
der Souveränetät der Vereinigten Staaten schuldigen Respect vergessen, und
mußte deshalb abberufen werden"! So argumentirte Mr. Marcy in seiner De¬
pesche vom 28. December.

Eine stille Ahnung von der Nichtigkeit seiner Beschwerde muß Mr. Marcy
wol gehabt haben, denn zum Schluß nimmt er noch seine Zuflucht zu dem
großen ungeschriebenen Cober deS Völkerrechts, aus dem die amerikanische
Diplomatie stets ihre besten Waffen holt, wenn sie ein recht schreiendes Un¬
recht oder einen gänzlich absurden Anspruch beschönigen will, zu dem Coder,
in dem auch die Monroedvctrin, die Lehre von der NanUM ässlin^ (dem
offenbaren Schicksalöberuf) der Nordamerikaner, die Nachbarstaaten sich einzu¬
verleiben, von der Erlaublheit der Freibeuterei, wenn amerikanische Bürger sie
üben, von dem Recht, mit befreundeten Nationen Krieg zu führen, ohne mit
ihnen in Kriegszustauv zu gerathen, und andere schöne Sachen stehen. Dies
Mal fand die geschickte Hand deS Mr. Marcy darin den Satz, daß es eine
Verletzung der Souveränetätsrechte der Vereinigten Staaten sei, wenn die
englische Negierung aus ihrem eignen Territorium Werbuugsstationcn errichtete.
Dies stand zwar mit dem geschriebenen Gesetz der Vereinigten Staaten und
und Dem, was Mr. Marcy früher selbst zugegeben, im vollständigen Widerspruch,
aber es war wahrscheinlich ''"offenbare Schicksalsbestimmung" der Vereinigten
Staaten, es mit England zu einem Bruch zu treiben, und dem Schicksale mußte
>ich das Völkerrecht beugen.

Die englische Negierung weigerte sich, ein anderes Völkerrecht, als das
bei allen Völkern giltige, over pures besondere Verträge festgestellte arm"
nkeuucn, und schlug eS aus Das bestimmteste ab, ihren Gesandten und iyre
Agenten abzuberufen. Die betreffende Note ist vom 30. April -I8no, unb es
hängt nur noch an der Antwort des amerikanischen Cabinets, ob oüse En¬
tlegenheit zum ernstlichen Bruch sühren soll oder nicht. Sie ist in gleichem


ihrer Zahl zu ersetzen, wenigstens gegen den britischen^Consul in Neuyork noch,
eine Beschwerde in Reserve. Derselbe hatte auf glaubwürdige Weise erfahren,
daß das amerikanische Barkschiff Maury im Hafen von Neuvork als russischer
Caper ausgerüstet werde, und theilte dieses pflichtgemäß dem englischen Ge¬
sandten mit, der nun seinerseits der amerikanischen Regierung die Angelegen¬
heit vorlegte. Die amerikanischen Behörden fanden die Anzeige gravirend
genug, um das Schiff vorläufig mit Beschlag zu belegen und gegen den Aus¬
rüster desselben eine Untersuchung zu beginnen, die mit dessen Freisprechung
endigte. Man vermeint wohl, die Vereinigten Staatenregierung, so ängstlich
besorgt, .ihre Neutralität aufs strengste gegen Nußland aufrecht zu erhalte»,
hätte mit Eiser die Gelegenheit ergriffen, gegen England dieselbe Rücksicht an
den Tag zu legen? Nicht doch; ein englischer Consul hatte ein Einschreiten
amerikanischer Behörden gegen Bürger des Staates veranlaßt, hatte damit den
der Souveränetät der Vereinigten Staaten schuldigen Respect vergessen, und
mußte deshalb abberufen werden«! So argumentirte Mr. Marcy in seiner De¬
pesche vom 28. December.

Eine stille Ahnung von der Nichtigkeit seiner Beschwerde muß Mr. Marcy
wol gehabt haben, denn zum Schluß nimmt er noch seine Zuflucht zu dem
großen ungeschriebenen Cober deS Völkerrechts, aus dem die amerikanische
Diplomatie stets ihre besten Waffen holt, wenn sie ein recht schreiendes Un¬
recht oder einen gänzlich absurden Anspruch beschönigen will, zu dem Coder,
in dem auch die Monroedvctrin, die Lehre von der NanUM ässlin^ (dem
offenbaren Schicksalöberuf) der Nordamerikaner, die Nachbarstaaten sich einzu¬
verleiben, von der Erlaublheit der Freibeuterei, wenn amerikanische Bürger sie
üben, von dem Recht, mit befreundeten Nationen Krieg zu führen, ohne mit
ihnen in Kriegszustauv zu gerathen, und andere schöne Sachen stehen. Dies
Mal fand die geschickte Hand deS Mr. Marcy darin den Satz, daß es eine
Verletzung der Souveränetätsrechte der Vereinigten Staaten sei, wenn die
englische Negierung aus ihrem eignen Territorium Werbuugsstationcn errichtete.
Dies stand zwar mit dem geschriebenen Gesetz der Vereinigten Staaten und
und Dem, was Mr. Marcy früher selbst zugegeben, im vollständigen Widerspruch,
aber es war wahrscheinlich ''„offenbare Schicksalsbestimmung" der Vereinigten
Staaten, es mit England zu einem Bruch zu treiben, und dem Schicksale mußte
>ich das Völkerrecht beugen.

Die englische Negierung weigerte sich, ein anderes Völkerrecht, als das
bei allen Völkern giltige, over pures besondere Verträge festgestellte arm»
nkeuucn, und schlug eS aus Das bestimmteste ab, ihren Gesandten und iyre
Agenten abzuberufen. Die betreffende Note ist vom 30. April -I8no, unb es
hängt nur noch an der Antwort des amerikanischen Cabinets, ob oüse En¬
tlegenheit zum ernstlichen Bruch sühren soll oder nicht. Sie ist in gleichem


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[0415] ihrer Zahl zu ersetzen, wenigstens gegen den britischen^Consul in Neuyork noch, eine Beschwerde in Reserve. Derselbe hatte auf glaubwürdige Weise erfahren, daß das amerikanische Barkschiff Maury im Hafen von Neuvork als russischer Caper ausgerüstet werde, und theilte dieses pflichtgemäß dem englischen Ge¬ sandten mit, der nun seinerseits der amerikanischen Regierung die Angelegen¬ heit vorlegte. Die amerikanischen Behörden fanden die Anzeige gravirend genug, um das Schiff vorläufig mit Beschlag zu belegen und gegen den Aus¬ rüster desselben eine Untersuchung zu beginnen, die mit dessen Freisprechung endigte. Man vermeint wohl, die Vereinigten Staatenregierung, so ängstlich besorgt, .ihre Neutralität aufs strengste gegen Nußland aufrecht zu erhalte», hätte mit Eiser die Gelegenheit ergriffen, gegen England dieselbe Rücksicht an den Tag zu legen? Nicht doch; ein englischer Consul hatte ein Einschreiten amerikanischer Behörden gegen Bürger des Staates veranlaßt, hatte damit den der Souveränetät der Vereinigten Staaten schuldigen Respect vergessen, und mußte deshalb abberufen werden«! So argumentirte Mr. Marcy in seiner De¬ pesche vom 28. December. Eine stille Ahnung von der Nichtigkeit seiner Beschwerde muß Mr. Marcy wol gehabt haben, denn zum Schluß nimmt er noch seine Zuflucht zu dem großen ungeschriebenen Cober deS Völkerrechts, aus dem die amerikanische Diplomatie stets ihre besten Waffen holt, wenn sie ein recht schreiendes Un¬ recht oder einen gänzlich absurden Anspruch beschönigen will, zu dem Coder, in dem auch die Monroedvctrin, die Lehre von der NanUM ässlin^ (dem offenbaren Schicksalöberuf) der Nordamerikaner, die Nachbarstaaten sich einzu¬ verleiben, von der Erlaublheit der Freibeuterei, wenn amerikanische Bürger sie üben, von dem Recht, mit befreundeten Nationen Krieg zu führen, ohne mit ihnen in Kriegszustauv zu gerathen, und andere schöne Sachen stehen. Dies Mal fand die geschickte Hand deS Mr. Marcy darin den Satz, daß es eine Verletzung der Souveränetätsrechte der Vereinigten Staaten sei, wenn die englische Negierung aus ihrem eignen Territorium Werbuugsstationcn errichtete. Dies stand zwar mit dem geschriebenen Gesetz der Vereinigten Staaten und und Dem, was Mr. Marcy früher selbst zugegeben, im vollständigen Widerspruch, aber es war wahrscheinlich ''„offenbare Schicksalsbestimmung" der Vereinigten Staaten, es mit England zu einem Bruch zu treiben, und dem Schicksale mußte >ich das Völkerrecht beugen. Die englische Negierung weigerte sich, ein anderes Völkerrecht, als das bei allen Völkern giltige, over pures besondere Verträge festgestellte arm» nkeuucn, und schlug eS aus Das bestimmteste ab, ihren Gesandten und iyre Agenten abzuberufen. Die betreffende Note ist vom 30. April -I8no, unb es hängt nur noch an der Antwort des amerikanischen Cabinets, ob oüse En¬ tlegenheit zum ernstlichen Bruch sühren soll oder nicht. Sie ist in gleichem

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Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/415>, abgerufen am 28.07.2024.