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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Ehrenhaft gut Regiment zu stärken, werfen ihre Fähnlein in die Höhe, lassen sie
fliegen und ziehen dem Aufgange der Sonne zu. Das Regiment ordnet seine
Reihen zum Hochgericht, die Spiele senken sich zur schrecklichen Gasse -- kein
Erbarmen! wer eine Lücke macht, muß selbst dran glauben! Aus seinen Ketten
geschlossen, wird mit drei Streichen auf die Achsel im Namen heiliger Drei¬
einigkeit der Verbrecher dem Tode geweiht, nicht zaghaft mag er hin und
wieder laufen, herzhaft in die Spieße hineingejagt und er ist erlöst. Sobald
er verschieden, kniet die rächende Versammlung nieder zum Gebet für sein
Seelenheil und umzieht unter dem Feuern der Hakenschützen dann dreimal den
Leichnam, zum Schluß bedankt sich auch der Profoß im Ringe und redet zu,
daß doch einer des andern Strafe beherzigen möge. --

In beiden Arten deS Rechtsbrauchs sehen wir die Genossen als Richter;
so schrecklich der Vollzug, so besonnen und schonend die Rechtsprechung, und die
richterlichen Beamten haben nach wohlerwogener Gewissenspflicht zu handeln,
wenn nicht nach Auflösung deS Regiments sie die Selbstrache ereilen soll.

Die Kriegführung jener Zeiten hatte noch nicht den streng wissenschaft¬
lichen Anstrich angenommen, den andre Waffen, andre Heere im Laufe der Zeiten
ihr gegeben haben und im Besondern beim Fußvolk bedürfte es zum Kriege ge¬
ringer Vorbereitung. Wie der Landsknecht seine eigne Waffe zur Anwerbung
mitbrachte, so war ihm auch der Gebrauch derselben anvertraut und da die so
theuer bezahlten Heere nur für den Zweck und die Dauer des Krieges bestan¬
den, so kannte man auch künstliche taktische Uebungen und das nachmalige
"chikcmöse Triller" nicht; mit keinem Abrichtungsdienst beladen konnten die
Befehlshaber ausschließlich Führer sein. -- Die kunstlose Taktik der Lands¬
knechte war ähnlich derjenigen, mit welcher Roms starre Legionen die Welt
erobert und ganz dieselbe, an welcher in den Schweizerschlachten die hochmüthige
Ritterschaft so schmählige Niederlagen erlitten ; volle.Massen, wie der natürliche
Jnstinct die Menschen zusammendrängt, enggeschlossen und standhaft, dann
unverzagt mit Gott frisch drauf, fällt, was fällt. So ist es geblieben, bis die
allgemeine Einführung der Feuergewehre die tiefen Schlachthaufen zu langen
Linien dehnte. --

Wenn vor der Schlacht der Oberanführer mit dem Obersten über die Form
der Ausstellung Rath gepflogen, so werden die Fähnlein in gevierte Ordnung
gebracht, die starken Regimenter für sich, schwache zusammenstoßend zum starren
Wald von Speeren, hoch flattern inmitten die Fähnlein. In der äußersten,
dem Feinde zugewandten Linie drei Glieder der am besten gerüsteten Knechte
mit langen Spießen, darauf "ein Blatt" mit Schwertern oder Hellebarden;
den mittlern Umfang füllen wieder lange Spieße, den innern Kern sämmtliche
kurze Wehren umschließend; im letzten Blatte abermals die tüchtigsten, lang-
bewehrten Knechte, um dem stürmenden Hausen nachzudrücken. Die Hauptleute


Ehrenhaft gut Regiment zu stärken, werfen ihre Fähnlein in die Höhe, lassen sie
fliegen und ziehen dem Aufgange der Sonne zu. Das Regiment ordnet seine
Reihen zum Hochgericht, die Spiele senken sich zur schrecklichen Gasse — kein
Erbarmen! wer eine Lücke macht, muß selbst dran glauben! Aus seinen Ketten
geschlossen, wird mit drei Streichen auf die Achsel im Namen heiliger Drei¬
einigkeit der Verbrecher dem Tode geweiht, nicht zaghaft mag er hin und
wieder laufen, herzhaft in die Spieße hineingejagt und er ist erlöst. Sobald
er verschieden, kniet die rächende Versammlung nieder zum Gebet für sein
Seelenheil und umzieht unter dem Feuern der Hakenschützen dann dreimal den
Leichnam, zum Schluß bedankt sich auch der Profoß im Ringe und redet zu,
daß doch einer des andern Strafe beherzigen möge. —

In beiden Arten deS Rechtsbrauchs sehen wir die Genossen als Richter;
so schrecklich der Vollzug, so besonnen und schonend die Rechtsprechung, und die
richterlichen Beamten haben nach wohlerwogener Gewissenspflicht zu handeln,
wenn nicht nach Auflösung deS Regiments sie die Selbstrache ereilen soll.

Die Kriegführung jener Zeiten hatte noch nicht den streng wissenschaft¬
lichen Anstrich angenommen, den andre Waffen, andre Heere im Laufe der Zeiten
ihr gegeben haben und im Besondern beim Fußvolk bedürfte es zum Kriege ge¬
ringer Vorbereitung. Wie der Landsknecht seine eigne Waffe zur Anwerbung
mitbrachte, so war ihm auch der Gebrauch derselben anvertraut und da die so
theuer bezahlten Heere nur für den Zweck und die Dauer des Krieges bestan¬
den, so kannte man auch künstliche taktische Uebungen und das nachmalige
„chikcmöse Triller" nicht; mit keinem Abrichtungsdienst beladen konnten die
Befehlshaber ausschließlich Führer sein. — Die kunstlose Taktik der Lands¬
knechte war ähnlich derjenigen, mit welcher Roms starre Legionen die Welt
erobert und ganz dieselbe, an welcher in den Schweizerschlachten die hochmüthige
Ritterschaft so schmählige Niederlagen erlitten ; volle.Massen, wie der natürliche
Jnstinct die Menschen zusammendrängt, enggeschlossen und standhaft, dann
unverzagt mit Gott frisch drauf, fällt, was fällt. So ist es geblieben, bis die
allgemeine Einführung der Feuergewehre die tiefen Schlachthaufen zu langen
Linien dehnte. —

Wenn vor der Schlacht der Oberanführer mit dem Obersten über die Form
der Ausstellung Rath gepflogen, so werden die Fähnlein in gevierte Ordnung
gebracht, die starken Regimenter für sich, schwache zusammenstoßend zum starren
Wald von Speeren, hoch flattern inmitten die Fähnlein. In der äußersten,
dem Feinde zugewandten Linie drei Glieder der am besten gerüsteten Knechte
mit langen Spießen, darauf „ein Blatt" mit Schwertern oder Hellebarden;
den mittlern Umfang füllen wieder lange Spieße, den innern Kern sämmtliche
kurze Wehren umschließend; im letzten Blatte abermals die tüchtigsten, lang-
bewehrten Knechte, um dem stürmenden Hausen nachzudrücken. Die Hauptleute


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[0407] Ehrenhaft gut Regiment zu stärken, werfen ihre Fähnlein in die Höhe, lassen sie fliegen und ziehen dem Aufgange der Sonne zu. Das Regiment ordnet seine Reihen zum Hochgericht, die Spiele senken sich zur schrecklichen Gasse — kein Erbarmen! wer eine Lücke macht, muß selbst dran glauben! Aus seinen Ketten geschlossen, wird mit drei Streichen auf die Achsel im Namen heiliger Drei¬ einigkeit der Verbrecher dem Tode geweiht, nicht zaghaft mag er hin und wieder laufen, herzhaft in die Spieße hineingejagt und er ist erlöst. Sobald er verschieden, kniet die rächende Versammlung nieder zum Gebet für sein Seelenheil und umzieht unter dem Feuern der Hakenschützen dann dreimal den Leichnam, zum Schluß bedankt sich auch der Profoß im Ringe und redet zu, daß doch einer des andern Strafe beherzigen möge. — In beiden Arten deS Rechtsbrauchs sehen wir die Genossen als Richter; so schrecklich der Vollzug, so besonnen und schonend die Rechtsprechung, und die richterlichen Beamten haben nach wohlerwogener Gewissenspflicht zu handeln, wenn nicht nach Auflösung deS Regiments sie die Selbstrache ereilen soll. Die Kriegführung jener Zeiten hatte noch nicht den streng wissenschaft¬ lichen Anstrich angenommen, den andre Waffen, andre Heere im Laufe der Zeiten ihr gegeben haben und im Besondern beim Fußvolk bedürfte es zum Kriege ge¬ ringer Vorbereitung. Wie der Landsknecht seine eigne Waffe zur Anwerbung mitbrachte, so war ihm auch der Gebrauch derselben anvertraut und da die so theuer bezahlten Heere nur für den Zweck und die Dauer des Krieges bestan¬ den, so kannte man auch künstliche taktische Uebungen und das nachmalige „chikcmöse Triller" nicht; mit keinem Abrichtungsdienst beladen konnten die Befehlshaber ausschließlich Führer sein. — Die kunstlose Taktik der Lands¬ knechte war ähnlich derjenigen, mit welcher Roms starre Legionen die Welt erobert und ganz dieselbe, an welcher in den Schweizerschlachten die hochmüthige Ritterschaft so schmählige Niederlagen erlitten ; volle.Massen, wie der natürliche Jnstinct die Menschen zusammendrängt, enggeschlossen und standhaft, dann unverzagt mit Gott frisch drauf, fällt, was fällt. So ist es geblieben, bis die allgemeine Einführung der Feuergewehre die tiefen Schlachthaufen zu langen Linien dehnte. — Wenn vor der Schlacht der Oberanführer mit dem Obersten über die Form der Ausstellung Rath gepflogen, so werden die Fähnlein in gevierte Ordnung gebracht, die starken Regimenter für sich, schwache zusammenstoßend zum starren Wald von Speeren, hoch flattern inmitten die Fähnlein. In der äußersten, dem Feinde zugewandten Linie drei Glieder der am besten gerüsteten Knechte mit langen Spießen, darauf „ein Blatt" mit Schwertern oder Hellebarden; den mittlern Umfang füllen wieder lange Spieße, den innern Kern sämmtliche kurze Wehren umschließend; im letzten Blatte abermals die tüchtigsten, lang- bewehrten Knechte, um dem stürmenden Hausen nachzudrücken. Die Hauptleute

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/407>, abgerufen am 05.07.2024.