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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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Wenn die Geschichte der Plastik durch die Entdeckungen wenig bereichert
ist, so ist die der Malerei durch sie völlig umgestaltet. Bis zum achtzehnten
Jahrhundert kannte man nur sehr wenige antike Gemälde, namentlich d.e aldo-
brandinische Hochzeit und die Malereien der Titusthermen. Nun aber besitzen
wir aus Pompeji und Herculanum Hunderte von Bildern und Mosaiken "eder
Gattung, die uns nach allen Seiten die reichsten Anschauungen geben. Auch
hier freilich hat man mitunter vergessen, daß es doch immer nur Stubenmalere.en
einer kleinen Stadt aus der Periode der sinkenden Kunst sind, die wir haben;
und wenn ein neapolitanischer Antiquar begeistert ausruft: hier sähe man daß
auch die Alten ihre Nafaele für die Historie, ihre Salvator Rosa für W Land¬
schaft gehabt hätten, und es sei zweifelhaft, ob diese berühmten Maler d.e Alten
erreichten -- so ist das lächerlich. Wenn pompejanische Stubenmaler schon
Rafael übertrafen. wie mögen dann wol die Bilder von Zeuris und Apelles
ausgesehen haben? Durch dergleichen Uebertreibungen, von denen sich auch
bessere Kritiker nicht immer frei gehalten haben, thut man den pompejamschen
Bildern grade am meisten Unrecht. Sie verdienen dagegen im Ganzen großes
Lob. ja vielfach die höchste Bewunderung, wenn man sie für nichts Anderes
nimmt, als was sie wirklich sind, nämlich Zimmerdecorationen eines unberühm-
ter Städtchens, von untergeordneten Künstlern ausgeführt, zu einer Zeit, wo
die Malerei nach dem Urtheil von Zeitgenossen in den letzten Zügen lag. Über¬
dies darf man nicht vergessen, daß die Wandmalerri im Alterthum immer e.n
untergeordneter Kunstzweig war und daß die größten Künstler nur Staffeleilulder
gemalt haben.

Wir wollen bei der Technik der pompejamschen Wandbilder etwas verweilen,
über welche wir sehr gründliche Untersuchungen in dem Buche von Wiegmann
über die Malerei der Alten besitzen, das Herr Overbeck, so viel wir bemerkt haben.
S-ar nicht gekannt hat. Wiegmann rühmt besonders, daß die Grundfarben der
Wandfelder mehr oder weniger glänzend und von so ebener Oberfläche sind,
als wäre die ganze Wand geschliffener Marmor. ..Die Linien. Verzierungen und
Bilder aus jenen glänzenden Gründen sind dagegen matt und glanzlos, so daß
man sie immer gleich gut sehen kann, in welcher Stellung zum Licht man auch
sei, während die Flächen der Felder bei gewissen Stellungen das Licht reflectiren.
Daraus beruht ein außerordentlich schöner und eleganter Effect; denn es kommt
dadurch bei jeder Ortsveränderung des Beschauers eine täuschende Bewegung
in die Decoration und bald scheinen die Malereien auf dem lebhaft gefärbten
dunkeln Grunde zu schweben." Nirgend ist eine Spur von nachdunkeln oder
Verbleichen der Farben, was sich augenblicklich durch die gestörte Harmonie
verrathen würde. Diese Veränderungen treten erst ein, wenn die Bilder den
Einwirkungen von Licht und Luft Preis gegeben sind; daher stimmen die Bilder
und ihre farbigen Copien nicht mehr mit den Beschreibungen de^r herculanischen


Wenn die Geschichte der Plastik durch die Entdeckungen wenig bereichert
ist, so ist die der Malerei durch sie völlig umgestaltet. Bis zum achtzehnten
Jahrhundert kannte man nur sehr wenige antike Gemälde, namentlich d.e aldo-
brandinische Hochzeit und die Malereien der Titusthermen. Nun aber besitzen
wir aus Pompeji und Herculanum Hunderte von Bildern und Mosaiken »eder
Gattung, die uns nach allen Seiten die reichsten Anschauungen geben. Auch
hier freilich hat man mitunter vergessen, daß es doch immer nur Stubenmalere.en
einer kleinen Stadt aus der Periode der sinkenden Kunst sind, die wir haben;
und wenn ein neapolitanischer Antiquar begeistert ausruft: hier sähe man daß
auch die Alten ihre Nafaele für die Historie, ihre Salvator Rosa für W Land¬
schaft gehabt hätten, und es sei zweifelhaft, ob diese berühmten Maler d.e Alten
erreichten — so ist das lächerlich. Wenn pompejanische Stubenmaler schon
Rafael übertrafen. wie mögen dann wol die Bilder von Zeuris und Apelles
ausgesehen haben? Durch dergleichen Uebertreibungen, von denen sich auch
bessere Kritiker nicht immer frei gehalten haben, thut man den pompejamschen
Bildern grade am meisten Unrecht. Sie verdienen dagegen im Ganzen großes
Lob. ja vielfach die höchste Bewunderung, wenn man sie für nichts Anderes
nimmt, als was sie wirklich sind, nämlich Zimmerdecorationen eines unberühm-
ter Städtchens, von untergeordneten Künstlern ausgeführt, zu einer Zeit, wo
die Malerei nach dem Urtheil von Zeitgenossen in den letzten Zügen lag. Über¬
dies darf man nicht vergessen, daß die Wandmalerri im Alterthum immer e.n
untergeordneter Kunstzweig war und daß die größten Künstler nur Staffeleilulder
gemalt haben.

Wir wollen bei der Technik der pompejamschen Wandbilder etwas verweilen,
über welche wir sehr gründliche Untersuchungen in dem Buche von Wiegmann
über die Malerei der Alten besitzen, das Herr Overbeck, so viel wir bemerkt haben.
S-ar nicht gekannt hat. Wiegmann rühmt besonders, daß die Grundfarben der
Wandfelder mehr oder weniger glänzend und von so ebener Oberfläche sind,
als wäre die ganze Wand geschliffener Marmor. ..Die Linien. Verzierungen und
Bilder aus jenen glänzenden Gründen sind dagegen matt und glanzlos, so daß
man sie immer gleich gut sehen kann, in welcher Stellung zum Licht man auch
sei, während die Flächen der Felder bei gewissen Stellungen das Licht reflectiren.
Daraus beruht ein außerordentlich schöner und eleganter Effect; denn es kommt
dadurch bei jeder Ortsveränderung des Beschauers eine täuschende Bewegung
in die Decoration und bald scheinen die Malereien auf dem lebhaft gefärbten
dunkeln Grunde zu schweben." Nirgend ist eine Spur von nachdunkeln oder
Verbleichen der Farben, was sich augenblicklich durch die gestörte Harmonie
verrathen würde. Diese Veränderungen treten erst ein, wenn die Bilder den
Einwirkungen von Licht und Luft Preis gegeben sind; daher stimmen die Bilder
und ihre farbigen Copien nicht mehr mit den Beschreibungen de^r herculanischen


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[0035] Wenn die Geschichte der Plastik durch die Entdeckungen wenig bereichert ist, so ist die der Malerei durch sie völlig umgestaltet. Bis zum achtzehnten Jahrhundert kannte man nur sehr wenige antike Gemälde, namentlich d.e aldo- brandinische Hochzeit und die Malereien der Titusthermen. Nun aber besitzen wir aus Pompeji und Herculanum Hunderte von Bildern und Mosaiken »eder Gattung, die uns nach allen Seiten die reichsten Anschauungen geben. Auch hier freilich hat man mitunter vergessen, daß es doch immer nur Stubenmalere.en einer kleinen Stadt aus der Periode der sinkenden Kunst sind, die wir haben; und wenn ein neapolitanischer Antiquar begeistert ausruft: hier sähe man daß auch die Alten ihre Nafaele für die Historie, ihre Salvator Rosa für W Land¬ schaft gehabt hätten, und es sei zweifelhaft, ob diese berühmten Maler d.e Alten erreichten — so ist das lächerlich. Wenn pompejanische Stubenmaler schon Rafael übertrafen. wie mögen dann wol die Bilder von Zeuris und Apelles ausgesehen haben? Durch dergleichen Uebertreibungen, von denen sich auch bessere Kritiker nicht immer frei gehalten haben, thut man den pompejamschen Bildern grade am meisten Unrecht. Sie verdienen dagegen im Ganzen großes Lob. ja vielfach die höchste Bewunderung, wenn man sie für nichts Anderes nimmt, als was sie wirklich sind, nämlich Zimmerdecorationen eines unberühm- ter Städtchens, von untergeordneten Künstlern ausgeführt, zu einer Zeit, wo die Malerei nach dem Urtheil von Zeitgenossen in den letzten Zügen lag. Über¬ dies darf man nicht vergessen, daß die Wandmalerri im Alterthum immer e.n untergeordneter Kunstzweig war und daß die größten Künstler nur Staffeleilulder gemalt haben. Wir wollen bei der Technik der pompejamschen Wandbilder etwas verweilen, über welche wir sehr gründliche Untersuchungen in dem Buche von Wiegmann über die Malerei der Alten besitzen, das Herr Overbeck, so viel wir bemerkt haben. S-ar nicht gekannt hat. Wiegmann rühmt besonders, daß die Grundfarben der Wandfelder mehr oder weniger glänzend und von so ebener Oberfläche sind, als wäre die ganze Wand geschliffener Marmor. ..Die Linien. Verzierungen und Bilder aus jenen glänzenden Gründen sind dagegen matt und glanzlos, so daß man sie immer gleich gut sehen kann, in welcher Stellung zum Licht man auch sei, während die Flächen der Felder bei gewissen Stellungen das Licht reflectiren. Daraus beruht ein außerordentlich schöner und eleganter Effect; denn es kommt dadurch bei jeder Ortsveränderung des Beschauers eine täuschende Bewegung in die Decoration und bald scheinen die Malereien auf dem lebhaft gefärbten dunkeln Grunde zu schweben." Nirgend ist eine Spur von nachdunkeln oder Verbleichen der Farben, was sich augenblicklich durch die gestörte Harmonie verrathen würde. Diese Veränderungen treten erst ein, wenn die Bilder den Einwirkungen von Licht und Luft Preis gegeben sind; daher stimmen die Bilder und ihre farbigen Copien nicht mehr mit den Beschreibungen de^r herculanischen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/35>, abgerufen am 27.07.2024.