Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.die gouvernementalen Organe diese Interessen nur vom Administrativstandpunkt In der That ist es zu verwundern, daß unter solchen Verhältnissen die politische die gouvernementalen Organe diese Interessen nur vom Administrativstandpunkt In der That ist es zu verwundern, daß unter solchen Verhältnissen die politische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101844"/> <p xml:id="ID_817" prev="#ID_816"> die gouvernementalen Organe diese Interessen nur vom Administrativstandpunkt<lb/> aus behandeln. Wer tritt nun an die Stelle? Die kleinen, gut unterstützten,<lb/> wohlfeilen Organe der ertremen hierarchischen und feudalen Bestrebungen,<lb/> welche zwar meistens die Vorgänge und Ereignisse selbst ihren Lesern nicht<lb/> vorführen, aber von ihrem specifischen Standpunkt aus raisonttirend berühren<lb/> und jede Frage auf ihr specifisches Gebiet hinüberzuleiten wissen.</p><lb/> <p xml:id="ID_818" next="#ID_819"> In der That ist es zu verwundern, daß unter solchen Verhältnissen die politische<lb/> Tagespresse, so weit sie nicht „mächtigen Parteien" oder bestimmten Centralpunkten<lb/> angehört, noch immer eine innere Entwicklungskraft besitzt. Das neue Jahr hat<lb/> übrigens auch wirklich in Deutschland nur wenig neue politische Tageszeitungen ent¬<lb/> stehen, dagegen mehre eingehen lassen. Unter letzteren ist das bemerkenswertheste<lb/> Beispiel das der „Neuen Oderzeitung" in Breslau. Sie war in Preußen das letzte<lb/> Blatt von demokratischen Gepräge, mit Geist und nicht ohne Takt redigirt;«<lb/> und sie starb nach ihrem eignen Bekenntniß aus Mangel an Theilnahme ihrer<lb/> Partei. Darin liegt unsres Erachtens wenigstens ein deutlicher Beweis, daß<lb/> in der Presse das demokratische Element keine dringende Veranlassung zu be¬<lb/> sonders harter Beaufsichtigung und Maßregelung geben kann. Bereits erwähnt<lb/> ist aber, daß auch gleichzeitig im deutschen Südwesten ein früher vielgenanntes,<lb/> demokratisches Blatt, der Stuttgarter „Beobachter", sich nicht mehr kräftig genug<lb/> fühlte, um als ausschließliches Organ des demokratischen Princips zu eristi-<lb/> ren. — Von neu erstandenen politischen Tagesblättern ist fast einzig eine<lb/> „Nassauische Zeitung" (Wiesbaden) zu nennen, welche sich mit dem Programm<lb/> gänzlicher Farblosigkeit einführte, bis jetzt auch nur locale Verbreitung gefür><lb/> den hat und bereits nach dem ersten Lebensvicrteljcihr ihre Redaction wechselte.<lb/> Der Sprache nach gehören nun allerdings zu den Neujahrskindern der deutschen<lb/> Tagespresse auch ein „Nordischer Courier" (Altona) und „Altonaer Nachrich¬<lb/> ten", so wie eine „deutsche Zeitung" (Kopenhagen). Allein sie können hier nur<lb/> bedingt mitzählen, da sie unter außerdeutschen Preßverhältnisseu erscheinen und<lb/> auch ihrem national-politischen Charakter nach schwerlich der deutschen Presse<lb/> Zugerechnet werden können. Letzteres gilt auch mehr oder minder vou den<lb/> beiden Zeitungen, welche mit dem zweiten Quartal begannen. Das eine<lb/> messÄKer ac öerlw", in französischer Sprache geschrieben, wird von der<lb/> öffentlichen Meinung als Organ russischer Interessen und als Friedenökind<lb/> des bekanntlich von Berlin nach Brüssel verwiesenen „l^c- l^ora" betrachtet.<lb/> Dies ist — obgleich daS Blatt bis jetzt noch keinen specifischen Charakter<lb/> zeigt — um so glaublicher, als überhaupt bekannt ist, daß man russischerseits<lb/> den Friedensabschluß sofort benutzt hat, um an verschiedenen Orten Deutsch¬<lb/> lands die Einleitungen zur journalistischen Vertretung russischer Interessen zu<lb/> treffen, und als andererseits „s.«z «orei" mit großen Anstrengungen für seine<lb/> Verbreitung in Frankreich bemüht ist. — Ein ähnlicher Epigone eines unmöglich</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0317]
die gouvernementalen Organe diese Interessen nur vom Administrativstandpunkt
aus behandeln. Wer tritt nun an die Stelle? Die kleinen, gut unterstützten,
wohlfeilen Organe der ertremen hierarchischen und feudalen Bestrebungen,
welche zwar meistens die Vorgänge und Ereignisse selbst ihren Lesern nicht
vorführen, aber von ihrem specifischen Standpunkt aus raisonttirend berühren
und jede Frage auf ihr specifisches Gebiet hinüberzuleiten wissen.
In der That ist es zu verwundern, daß unter solchen Verhältnissen die politische
Tagespresse, so weit sie nicht „mächtigen Parteien" oder bestimmten Centralpunkten
angehört, noch immer eine innere Entwicklungskraft besitzt. Das neue Jahr hat
übrigens auch wirklich in Deutschland nur wenig neue politische Tageszeitungen ent¬
stehen, dagegen mehre eingehen lassen. Unter letzteren ist das bemerkenswertheste
Beispiel das der „Neuen Oderzeitung" in Breslau. Sie war in Preußen das letzte
Blatt von demokratischen Gepräge, mit Geist und nicht ohne Takt redigirt;«
und sie starb nach ihrem eignen Bekenntniß aus Mangel an Theilnahme ihrer
Partei. Darin liegt unsres Erachtens wenigstens ein deutlicher Beweis, daß
in der Presse das demokratische Element keine dringende Veranlassung zu be¬
sonders harter Beaufsichtigung und Maßregelung geben kann. Bereits erwähnt
ist aber, daß auch gleichzeitig im deutschen Südwesten ein früher vielgenanntes,
demokratisches Blatt, der Stuttgarter „Beobachter", sich nicht mehr kräftig genug
fühlte, um als ausschließliches Organ des demokratischen Princips zu eristi-
ren. — Von neu erstandenen politischen Tagesblättern ist fast einzig eine
„Nassauische Zeitung" (Wiesbaden) zu nennen, welche sich mit dem Programm
gänzlicher Farblosigkeit einführte, bis jetzt auch nur locale Verbreitung gefür>
den hat und bereits nach dem ersten Lebensvicrteljcihr ihre Redaction wechselte.
Der Sprache nach gehören nun allerdings zu den Neujahrskindern der deutschen
Tagespresse auch ein „Nordischer Courier" (Altona) und „Altonaer Nachrich¬
ten", so wie eine „deutsche Zeitung" (Kopenhagen). Allein sie können hier nur
bedingt mitzählen, da sie unter außerdeutschen Preßverhältnisseu erscheinen und
auch ihrem national-politischen Charakter nach schwerlich der deutschen Presse
Zugerechnet werden können. Letzteres gilt auch mehr oder minder vou den
beiden Zeitungen, welche mit dem zweiten Quartal begannen. Das eine
messÄKer ac öerlw", in französischer Sprache geschrieben, wird von der
öffentlichen Meinung als Organ russischer Interessen und als Friedenökind
des bekanntlich von Berlin nach Brüssel verwiesenen „l^c- l^ora" betrachtet.
Dies ist — obgleich daS Blatt bis jetzt noch keinen specifischen Charakter
zeigt — um so glaublicher, als überhaupt bekannt ist, daß man russischerseits
den Friedensabschluß sofort benutzt hat, um an verschiedenen Orten Deutsch¬
lands die Einleitungen zur journalistischen Vertretung russischer Interessen zu
treffen, und als andererseits „s.«z «orei" mit großen Anstrengungen für seine
Verbreitung in Frankreich bemüht ist. — Ein ähnlicher Epigone eines unmöglich
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