Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.nickte Stellung, die es einnahm, günstiger genannt werden konnte, als die Abgesehen von den innern Verbesserungen der bedeutendsten und hoffnungs¬ Was Italien betrifft, so stand es unter der metternichschen Regierung fast nickte Stellung, die es einnahm, günstiger genannt werden konnte, als die Abgesehen von den innern Verbesserungen der bedeutendsten und hoffnungs¬ Was Italien betrifft, so stand es unter der metternichschen Regierung fast <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0228" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101755"/> <p xml:id="ID_567" prev="#ID_566"> nickte Stellung, die es einnahm, günstiger genannt werden konnte, als die<lb/> Stellung Preußens, so macht sich doch nach Beendigung dieser Angelegenheit<lb/> die Realität der Dinge, der Verhältnisse zu fühlbar, als daß man jenen offt-<lb/> ciellen Aeußerlichkeiten ein großes Gewicht beilegen könnte. Abgesehen von<lb/> dem Ehrenpunkte, ist es ziemlich gleichgiltig, welche Stelle im Vertrag Oestreich<lb/> und Preußen einnehmen. Ein dauerhaftes Bündniß zwischen Oestreich und<lb/> den Westmächten ist ebensowenig zu Stande gekommen, als zwischen Preußen<lb/> und denselben; und wenn auch die Westmächte im Ganzen Veranlassung haben,<lb/> mit der Haltung Oestreichs in den vergangenen Jahren zufriedener zu sein,<lb/> als mit der Haltung Preußens, so bietet die Lage Oestreichs doch viel mehr<lb/> Gelegenheit, Netbungen und Conflicte herbeizuführen, als die Lage Preußens.<lb/> Es war ganz in der Ordnung, daß man während des Congresses ein ernst¬<lb/> hafteres Eingehn auf die italienischen Angelegenheiten vermied, denn sie gehör¬<lb/> ten entschieden nicht vor dieses Forum. Desto dringender wird sich jetzt das<lb/> Bedürfniß herausstellen, auch dieser Seite Europas seine Aufmerksamkeit zu¬<lb/> zuwenden, und von dem Entschluß, den Oestreich fassen wird, hängt wesentlich<lb/> die weitere Entwicklung Europas ab. Zwar wissen wir sehr wohl, daß man<lb/> durch Wünsche und Ideen die Ereignisse nicht leitet, daß jeder Staat sein<lb/> eignes Lebensmotiv hat, dem er folgt, gleichviel ob es der Entwicklung des<lb/> übrigen Europas heilsam ist oder nicht. Auf die Haltung Oestreichs werden<lb/> die Wünsche Deutschlands keinen unmittelbaren Einfluß ausüben; dennoch ist<lb/> eS von Wichtigkeit, sich klar darüber zu werden, waS Deutschland von Oestreich<lb/> zu hoffen und zu fürchten hat, damit Vorkommendenfalls wenigstens in Deutsch¬<lb/> land die Ansichten nicht wieder auseinandergehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_568"> Abgesehen von den innern Verbesserungen der bedeutendsten und hoffnungs¬<lb/> vollsten Sphäre der östreichischen Thätigkeit, wenn sie ihre Aufgabe richtig ver¬<lb/> steht, ist das Machtgebiet Oestreichs nach drei Seiten hin zu untersuchen, nach<lb/> Italien, Deutschland und dem Osten.</p><lb/> <p xml:id="ID_569" next="#ID_570"> Was Italien betrifft, so stand es unter der metternichschen Regierung fast<lb/> ausschließlich unter der Herrschaft Oestreichs. Der alte Waffenruhm dieses<lb/> Staats hat mehrfach Gelegenheit gefunden, neue Lorbeer» zu erwerben, und<lb/> selbst für die Civilisation war diese Herrschaft nicht ganz ohne Frucht., denn<lb/> abgesehen von Sardinien, sind die östreichischen Besitzungen in Italien in<lb/> materieller Hinsicht entschieden die am besten verwalteten. Die Frage dagegen,<lb/> ob Oestreich aus dieser Herrschaft einen realen Gewinn davongetragen hat,<lb/> müssen wir verneinen. Die bedeutenden Einnahmen, die ihm aus jenen Ge¬<lb/> genden zuflössen, wurden fast aufgewogen durch die vermehrten Ausgaben, die<lb/> ejn fortwährend schlagfertiges Heer nothwendig machte. Das Wichtigste ist<lb/> aber, daß Oestreich, auch wenn seine Verwaltung die weiseste und gerechteste<lb/> sein sollte,' in Italien niemals populär werden wird. Nicht blos die revolu-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0228]
nickte Stellung, die es einnahm, günstiger genannt werden konnte, als die
Stellung Preußens, so macht sich doch nach Beendigung dieser Angelegenheit
die Realität der Dinge, der Verhältnisse zu fühlbar, als daß man jenen offt-
ciellen Aeußerlichkeiten ein großes Gewicht beilegen könnte. Abgesehen von
dem Ehrenpunkte, ist es ziemlich gleichgiltig, welche Stelle im Vertrag Oestreich
und Preußen einnehmen. Ein dauerhaftes Bündniß zwischen Oestreich und
den Westmächten ist ebensowenig zu Stande gekommen, als zwischen Preußen
und denselben; und wenn auch die Westmächte im Ganzen Veranlassung haben,
mit der Haltung Oestreichs in den vergangenen Jahren zufriedener zu sein,
als mit der Haltung Preußens, so bietet die Lage Oestreichs doch viel mehr
Gelegenheit, Netbungen und Conflicte herbeizuführen, als die Lage Preußens.
Es war ganz in der Ordnung, daß man während des Congresses ein ernst¬
hafteres Eingehn auf die italienischen Angelegenheiten vermied, denn sie gehör¬
ten entschieden nicht vor dieses Forum. Desto dringender wird sich jetzt das
Bedürfniß herausstellen, auch dieser Seite Europas seine Aufmerksamkeit zu¬
zuwenden, und von dem Entschluß, den Oestreich fassen wird, hängt wesentlich
die weitere Entwicklung Europas ab. Zwar wissen wir sehr wohl, daß man
durch Wünsche und Ideen die Ereignisse nicht leitet, daß jeder Staat sein
eignes Lebensmotiv hat, dem er folgt, gleichviel ob es der Entwicklung des
übrigen Europas heilsam ist oder nicht. Auf die Haltung Oestreichs werden
die Wünsche Deutschlands keinen unmittelbaren Einfluß ausüben; dennoch ist
eS von Wichtigkeit, sich klar darüber zu werden, waS Deutschland von Oestreich
zu hoffen und zu fürchten hat, damit Vorkommendenfalls wenigstens in Deutsch¬
land die Ansichten nicht wieder auseinandergehen.
Abgesehen von den innern Verbesserungen der bedeutendsten und hoffnungs¬
vollsten Sphäre der östreichischen Thätigkeit, wenn sie ihre Aufgabe richtig ver¬
steht, ist das Machtgebiet Oestreichs nach drei Seiten hin zu untersuchen, nach
Italien, Deutschland und dem Osten.
Was Italien betrifft, so stand es unter der metternichschen Regierung fast
ausschließlich unter der Herrschaft Oestreichs. Der alte Waffenruhm dieses
Staats hat mehrfach Gelegenheit gefunden, neue Lorbeer» zu erwerben, und
selbst für die Civilisation war diese Herrschaft nicht ganz ohne Frucht., denn
abgesehen von Sardinien, sind die östreichischen Besitzungen in Italien in
materieller Hinsicht entschieden die am besten verwalteten. Die Frage dagegen,
ob Oestreich aus dieser Herrschaft einen realen Gewinn davongetragen hat,
müssen wir verneinen. Die bedeutenden Einnahmen, die ihm aus jenen Ge¬
genden zuflössen, wurden fast aufgewogen durch die vermehrten Ausgaben, die
ejn fortwährend schlagfertiges Heer nothwendig machte. Das Wichtigste ist
aber, daß Oestreich, auch wenn seine Verwaltung die weiseste und gerechteste
sein sollte,' in Italien niemals populär werden wird. Nicht blos die revolu-
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