Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.wenn er sich einmal kritisch darüber äußert, so versteht man nicht recht, wie diese Die Fehler liegen, wie man sieht, mehr in der Form. Was den Inhalt Der Verfasser billigt die Leistungen der goethe-Schillerschen Periode im wenn er sich einmal kritisch darüber äußert, so versteht man nicht recht, wie diese Die Fehler liegen, wie man sieht, mehr in der Form. Was den Inhalt Der Verfasser billigt die Leistungen der goethe-Schillerschen Periode im <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0215" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101742"/> <p xml:id="ID_531" prev="#ID_530"> wenn er sich einmal kritisch darüber äußert, so versteht man nicht recht, wie diese<lb/> Kritik in den Zusammenhang paßt. So bemerkt er einmal, und zwar mit dem<lb/> entschiedenen Ausdruck der Mißbilligung, daß die Kritiker sehr hart mit Hebbel<lb/> umgegangen seien, und unmittelbar darauf bringt er eine ziemlich lange Aus¬<lb/> einandersetzung, worin er mit Hebbel viel härter umgeht, als irgend ein früherer<lb/> Kritiker. Zum Ueberfluß setzt er noch hinzu, daß die Kritiker viel zu gut von<lb/> Hebbel gesprochen hätten. — Das ist die Weise der Mosaikarbeit. Er hat sich<lb/> die eine wie die andere Bemerkung gelegentlich bei seiner Lectüre notirt, wo<lb/> sie vielleicht in Betreff des besondern Eindrucks ganz am Ort war, dann aber<lb/> hat er vergessen sie zu verarbeiten und theilt sie dem Publicum so mit, als ob<lb/> es in den Gang seiner Lectüre eingeweiht wäre. — Diese beständige Bezug¬<lb/> nahme auf frühere Kririker halten wir ganz für überflüssig.' Der größere Theil<lb/> derselben ist dem Publicum vollkommen unbekannt, und die beste Beseitigung<lb/> falscher Ansichten ist die stillschweigende, indem man die richtigen Ansichten aüs-<lb/> einanderktzt. Auch die Scheu vor Plagiaten darf diese Bezugnahme nicht<lb/> rechtfertigen, denn so tief liegen die Gedanken, durch welche man sich in der<lb/> neuen Literatur orientiren kann, keineswegs, daß sie nicht jeder Kritiker von<lb/> gesunder Bildung und ruhigem Urtheil, selbst finden könnte. Hat einmal ein<lb/> früherer Schriftsteller ein« so glückliche und frappante Wendung gefunden, daß<lb/> man darüber nicht hinausgehen zu können meint, so citire man ihn; im Uebrigen<lb/> aber spreche man ruhig in seinem eignen Namen, denn wollte man mit der Be¬<lb/> zugnahme gründlich verfahren, so würde man bei der ungeheuren Ausdehnung<lb/> dieses Feldes gar kein Ende finden.</p><lb/> <p xml:id="ID_532"> Die Fehler liegen, wie man sieht, mehr in der Form. Was den Inhalt<lb/> betrifft, so müssen wir dem Verfasser, wo er sich auf seinem eignen Gebiet be¬<lb/> wegt, für manche neue Auseinandersetzungen dankbar sein. In Anderem, na¬<lb/> mentlich in Bezug auf die neueste Literatur können wir ihm um so unbefangener<lb/> beipflichten, da wir Aehnliches bereits selbst gesagt haben. Daß bei einem<lb/> Gegenstand, der so vielfache Seiten darbietet, wie die Literatur, eine vollstän¬<lb/> dige Uebereinstimmung im Einzelnen nicht stattfinden wird, läßt sich voraus¬<lb/> sehen. Am auffallendsten war uns die Charakteristik der Schillerschen Dramen,<lb/> bei denen sich der Verfasser nicht blos in der Auslegung, sondern auch in der<lb/> Werthschätzung vollständig vergriffen zu haben scheint. Daß die Jungfrau von<lb/> Orleans für den Kulminationspunkt der Schillerschen Dramatik ausgegeben, und<lb/> d"ß die zu Grunde liegende sittliche Idee vollständig gebilligt wird, hat uns<lb/> nicht wenig überrascht; aber freilich hängt dieser Fehlgriff mit der Einseitig¬<lb/> keit im Princip dieser Literaturgeschichte zusammen, auf das wir jetzt näher<lb/> ""gehen.</p><lb/> <p xml:id="ID_533" next="#ID_534"> Der Verfasser billigt die Leistungen der goethe-Schillerschen Periode im<lb/> Großen und Ganzen; er mißbilligt ebenso die neueste Dichtung. In beiden</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0215]
wenn er sich einmal kritisch darüber äußert, so versteht man nicht recht, wie diese
Kritik in den Zusammenhang paßt. So bemerkt er einmal, und zwar mit dem
entschiedenen Ausdruck der Mißbilligung, daß die Kritiker sehr hart mit Hebbel
umgegangen seien, und unmittelbar darauf bringt er eine ziemlich lange Aus¬
einandersetzung, worin er mit Hebbel viel härter umgeht, als irgend ein früherer
Kritiker. Zum Ueberfluß setzt er noch hinzu, daß die Kritiker viel zu gut von
Hebbel gesprochen hätten. — Das ist die Weise der Mosaikarbeit. Er hat sich
die eine wie die andere Bemerkung gelegentlich bei seiner Lectüre notirt, wo
sie vielleicht in Betreff des besondern Eindrucks ganz am Ort war, dann aber
hat er vergessen sie zu verarbeiten und theilt sie dem Publicum so mit, als ob
es in den Gang seiner Lectüre eingeweiht wäre. — Diese beständige Bezug¬
nahme auf frühere Kririker halten wir ganz für überflüssig.' Der größere Theil
derselben ist dem Publicum vollkommen unbekannt, und die beste Beseitigung
falscher Ansichten ist die stillschweigende, indem man die richtigen Ansichten aüs-
einanderktzt. Auch die Scheu vor Plagiaten darf diese Bezugnahme nicht
rechtfertigen, denn so tief liegen die Gedanken, durch welche man sich in der
neuen Literatur orientiren kann, keineswegs, daß sie nicht jeder Kritiker von
gesunder Bildung und ruhigem Urtheil, selbst finden könnte. Hat einmal ein
früherer Schriftsteller ein« so glückliche und frappante Wendung gefunden, daß
man darüber nicht hinausgehen zu können meint, so citire man ihn; im Uebrigen
aber spreche man ruhig in seinem eignen Namen, denn wollte man mit der Be¬
zugnahme gründlich verfahren, so würde man bei der ungeheuren Ausdehnung
dieses Feldes gar kein Ende finden.
Die Fehler liegen, wie man sieht, mehr in der Form. Was den Inhalt
betrifft, so müssen wir dem Verfasser, wo er sich auf seinem eignen Gebiet be¬
wegt, für manche neue Auseinandersetzungen dankbar sein. In Anderem, na¬
mentlich in Bezug auf die neueste Literatur können wir ihm um so unbefangener
beipflichten, da wir Aehnliches bereits selbst gesagt haben. Daß bei einem
Gegenstand, der so vielfache Seiten darbietet, wie die Literatur, eine vollstän¬
dige Uebereinstimmung im Einzelnen nicht stattfinden wird, läßt sich voraus¬
sehen. Am auffallendsten war uns die Charakteristik der Schillerschen Dramen,
bei denen sich der Verfasser nicht blos in der Auslegung, sondern auch in der
Werthschätzung vollständig vergriffen zu haben scheint. Daß die Jungfrau von
Orleans für den Kulminationspunkt der Schillerschen Dramatik ausgegeben, und
d"ß die zu Grunde liegende sittliche Idee vollständig gebilligt wird, hat uns
nicht wenig überrascht; aber freilich hängt dieser Fehlgriff mit der Einseitig¬
keit im Princip dieser Literaturgeschichte zusammen, auf das wir jetzt näher
""gehen.
Der Verfasser billigt die Leistungen der goethe-Schillerschen Periode im
Großen und Ganzen; er mißbilligt ebenso die neueste Dichtung. In beiden
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