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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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dem Meisterwerke Michel Angelos; in den vier Nischen der Pfeiler befinden
sich kolossale Figuren verschiedener Heiligen, über diesen in Mosaik die vier
Evangelisten, und um das ungeheure Gewölbe laust in Riesenschrift auf Gold¬
grund: ^'u es ?etrus et super pstram wan asctifiokdo eoelesimn meam, und
die Galerie, auf der die zufällig anwesenden Leute wie kleine Zwerge erschienen.
Darüber noch andere Mosaiken und endlich schließt dieser Wunderbau sich in
der Laterne. Darunter nicht ganz in der Mitte befindet sich der Hauptaltar
mit der Tumba, in welcher die Neste der Apostel Peter und Paul ruhen. An
diesem Altar lesen nur der Papst und Cardinäle bei hohen Festen die Messe.
Ueber dem Altar, dessen Platte aus einem einzigen ungeheuren Marmorstück
besteht, wölbt sich der bronzene Tabernakel mit enormen gewundenen Säulen,
mit Laub und Arabesken geziert, reich vergoldet, zu dessen Anfertigung Urban Viti.
das Erz von dem Porticus und der inneren Decke des Pantheon nehmen ließ.
Vor dem Altar geht eine Doppeltreppe zur Tumba herab, die mit den unter¬
irdischen Grotten in Verbindung steht, das Ganze ist von einer Ballustrade,
mit prächtigen Steinarten bekleidet, umgeben, und hier brennen Jahr aus
Jahr ein 12Ä Lampen. An der Bronzethür der Tumba kniet Pius VI., eine
recht schöne Statue Canovas. Die ganze Ballustrade ist von andächtig Beten¬
den förmlich belagert, so daß man Mühe hatte, einen Blick in diese Räume zu
werfen. Dann durchwandelten wir die verschiedenen Schiffe und Seitenkapellen,
wo überall prächtige Mosaikgemälde, so die Transfiguration Rafaels, den Erz¬
engel Michael im Kampf mit dem Satan von Guido Reni, die Communion
des heiligen Hieronymus von Domenichino, und Grabmäler der Päpste, und
in der letzten Kapelle am Eingange die berühmte Pieta von Michel Angelo
sich befinden. So sehr mir der Leichnam des auf dem Schoße der Maria
liegenden Christus gefiel, so wenig konnte mir die Stellung und der Ausdruck
der Mutter gefallen, mir hatte die ganze Haltung etwas sehr Unnatürliches;
die Beleuchtung dieser Gruppe ist übrigens eine so mangelchaste, daß sie wol
eine andere Aufstellung verdiente. Ganz eigen aber berührte mich in dieser
enormen Kirche das verschiedenartige Treiben; hier kamen Landleute, die wo¬
möglich vor jeder Kapelle niederkmeten und Wände und Stufen küßten, da
kamen vornehme Damen in eifrigem Gespräch mit den sie begleitenden Herren,
so im Vorübergehen sich bekreuzend, d.ort wieder die verschiedensten Mönchs¬
orden, die geistlichen Collegien in langen rothen, weißen, schwarzen Priester¬
gewändern, da wieder eine Amme mit dem Säugling auf dem Arme, der laut
seine Stimme erschallen ließ und nur erst nach Darreichung der Brust sich be¬
ruhigte.. Zwischen allem diesem Treiben fehlte es auch nicht an großen und
kleinen Hunden, die diese Kirche zu ihrem Tummelplatz auscrsahen, Engländer
mit ihren langlockigen Damen, in ihren Reisehandbüchern eifrig studirend und
rücksichtslos schreiend, in den Beichtstühlen Priester, mit den Vorübergehenden


dem Meisterwerke Michel Angelos; in den vier Nischen der Pfeiler befinden
sich kolossale Figuren verschiedener Heiligen, über diesen in Mosaik die vier
Evangelisten, und um das ungeheure Gewölbe laust in Riesenschrift auf Gold¬
grund: ^'u es ?etrus et super pstram wan asctifiokdo eoelesimn meam, und
die Galerie, auf der die zufällig anwesenden Leute wie kleine Zwerge erschienen.
Darüber noch andere Mosaiken und endlich schließt dieser Wunderbau sich in
der Laterne. Darunter nicht ganz in der Mitte befindet sich der Hauptaltar
mit der Tumba, in welcher die Neste der Apostel Peter und Paul ruhen. An
diesem Altar lesen nur der Papst und Cardinäle bei hohen Festen die Messe.
Ueber dem Altar, dessen Platte aus einem einzigen ungeheuren Marmorstück
besteht, wölbt sich der bronzene Tabernakel mit enormen gewundenen Säulen,
mit Laub und Arabesken geziert, reich vergoldet, zu dessen Anfertigung Urban Viti.
das Erz von dem Porticus und der inneren Decke des Pantheon nehmen ließ.
Vor dem Altar geht eine Doppeltreppe zur Tumba herab, die mit den unter¬
irdischen Grotten in Verbindung steht, das Ganze ist von einer Ballustrade,
mit prächtigen Steinarten bekleidet, umgeben, und hier brennen Jahr aus
Jahr ein 12Ä Lampen. An der Bronzethür der Tumba kniet Pius VI., eine
recht schöne Statue Canovas. Die ganze Ballustrade ist von andächtig Beten¬
den förmlich belagert, so daß man Mühe hatte, einen Blick in diese Räume zu
werfen. Dann durchwandelten wir die verschiedenen Schiffe und Seitenkapellen,
wo überall prächtige Mosaikgemälde, so die Transfiguration Rafaels, den Erz¬
engel Michael im Kampf mit dem Satan von Guido Reni, die Communion
des heiligen Hieronymus von Domenichino, und Grabmäler der Päpste, und
in der letzten Kapelle am Eingange die berühmte Pieta von Michel Angelo
sich befinden. So sehr mir der Leichnam des auf dem Schoße der Maria
liegenden Christus gefiel, so wenig konnte mir die Stellung und der Ausdruck
der Mutter gefallen, mir hatte die ganze Haltung etwas sehr Unnatürliches;
die Beleuchtung dieser Gruppe ist übrigens eine so mangelchaste, daß sie wol
eine andere Aufstellung verdiente. Ganz eigen aber berührte mich in dieser
enormen Kirche das verschiedenartige Treiben; hier kamen Landleute, die wo¬
möglich vor jeder Kapelle niederkmeten und Wände und Stufen küßten, da
kamen vornehme Damen in eifrigem Gespräch mit den sie begleitenden Herren,
so im Vorübergehen sich bekreuzend, d.ort wieder die verschiedensten Mönchs¬
orden, die geistlichen Collegien in langen rothen, weißen, schwarzen Priester¬
gewändern, da wieder eine Amme mit dem Säugling auf dem Arme, der laut
seine Stimme erschallen ließ und nur erst nach Darreichung der Brust sich be¬
ruhigte.. Zwischen allem diesem Treiben fehlte es auch nicht an großen und
kleinen Hunden, die diese Kirche zu ihrem Tummelplatz auscrsahen, Engländer
mit ihren langlockigen Damen, in ihren Reisehandbüchern eifrig studirend und
rücksichtslos schreiend, in den Beichtstühlen Priester, mit den Vorübergehenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/164>, abgerufen am 05.07.2024.