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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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arzt Pinccr; Kanzler Crell; die Wegnahme der spanischen Silberflotte durch
die Holländer 1628; Cota Rienzi; Schlacht bei Hastings; die Wahl Friedrich
Augusts zum König von Polen.




Die gegenwärtige Lage der amerikanischen Politik.

Die innere Krisis, in welcher sich seit zwei Jahren die vereinigten Staaten
befinden, ist eine der größten und gefährlichsten, welche die Union je durchgemacht
hat. Der nationale Gegensatz zwischen dem Süden und Norden des Landes,
den sklavenhaltenden Staaten und den freien Staaten, ist zu keiner Zeit so
scharf hervorgetreten, wie in dieser, und wenn man blos nach dem erbitterten
Charaktei' schließen soll, den er angenommen, so sind die daraus einspringenden
Gefahren nie näher und drohender gewesen. Wenn auch die Erfahrung be¬
weist, daß Krisen in der amerikanischen Politik dann immer am glücklichsten
überwunden wurden, wenn sie am meisten gefürchtet waren, so wäre es doch
nicht minder unklug, sich einem zu großen Vertrauen hinzugeben. Bei den
Völkern wie bei den Individuen verschlimmern Rückfälle das Uebel, an dem
sie leiden, und wenn nicht bei Zeiten eine radicale Hilfe angewandt wird, tritt
früher oder später der kritische Augenblick ein, den oft auch der stärkste Orga¬
nismus nicht überdauern kann. Ein solcher Moment sind für Amerika die
nächsten Monate, bis zur Wahl des neuen Präsidenten, durch welche ent¬
schieden werden wird, ob Freiheit oder Sklaverei künftighin diesen Continent
beherrschen soll. Zur Orientirung über den bevorstehenden Gang der Dinge
soll das Folgende ein kleiner Beitrag sein.

Der Gesammtausdruck der amerikanischen Politik wird gegenwärtig durch
zwei Merkmale bezeichnet. Man findet auf der einen Seite ebensoviel Schau¬
gepränge mit hohen Principien, unbedingter Unterordnung unter den souverä¬
nen Willen und die Rechte des Volkes, wie auf der andern Seite eine äußerste
Verachtung des gegebenen Worts, des Volksprincips in der Regierung und
seiner Autorität in der Repräsentation seiner Vollmachtgeber., Diese Wahr¬
nehmung findet auf die Politiker aller Parteien ihre Anwendung, mehr aber
noch auf die des Nordens, als die des Südens, da die südlichen Führer
sich nicht mehr lange die unnöthige Mühe geben dürften, mit den freien In¬
stitutionen ihres Landes Heuchelei zu treiben. Schon im Jahr 1820 sprach
Herr Randolph, einer der ersten Führer der Sklavenpartei, seine Meinung
in dieser Hinsicht durch die Verachtung aus, die er gegen die Repräsentanten
eines freien Gemeinwesens an den Tag legte, als er in einer scharfen Rede
gegen den No,rden ausrief: "El was, wir regieren sie nicht durch unsre schwär-


arzt Pinccr; Kanzler Crell; die Wegnahme der spanischen Silberflotte durch
die Holländer 1628; Cota Rienzi; Schlacht bei Hastings; die Wahl Friedrich
Augusts zum König von Polen.




Die gegenwärtige Lage der amerikanischen Politik.

Die innere Krisis, in welcher sich seit zwei Jahren die vereinigten Staaten
befinden, ist eine der größten und gefährlichsten, welche die Union je durchgemacht
hat. Der nationale Gegensatz zwischen dem Süden und Norden des Landes,
den sklavenhaltenden Staaten und den freien Staaten, ist zu keiner Zeit so
scharf hervorgetreten, wie in dieser, und wenn man blos nach dem erbitterten
Charaktei' schließen soll, den er angenommen, so sind die daraus einspringenden
Gefahren nie näher und drohender gewesen. Wenn auch die Erfahrung be¬
weist, daß Krisen in der amerikanischen Politik dann immer am glücklichsten
überwunden wurden, wenn sie am meisten gefürchtet waren, so wäre es doch
nicht minder unklug, sich einem zu großen Vertrauen hinzugeben. Bei den
Völkern wie bei den Individuen verschlimmern Rückfälle das Uebel, an dem
sie leiden, und wenn nicht bei Zeiten eine radicale Hilfe angewandt wird, tritt
früher oder später der kritische Augenblick ein, den oft auch der stärkste Orga¬
nismus nicht überdauern kann. Ein solcher Moment sind für Amerika die
nächsten Monate, bis zur Wahl des neuen Präsidenten, durch welche ent¬
schieden werden wird, ob Freiheit oder Sklaverei künftighin diesen Continent
beherrschen soll. Zur Orientirung über den bevorstehenden Gang der Dinge
soll das Folgende ein kleiner Beitrag sein.

Der Gesammtausdruck der amerikanischen Politik wird gegenwärtig durch
zwei Merkmale bezeichnet. Man findet auf der einen Seite ebensoviel Schau¬
gepränge mit hohen Principien, unbedingter Unterordnung unter den souverä¬
nen Willen und die Rechte des Volkes, wie auf der andern Seite eine äußerste
Verachtung des gegebenen Worts, des Volksprincips in der Regierung und
seiner Autorität in der Repräsentation seiner Vollmachtgeber., Diese Wahr¬
nehmung findet auf die Politiker aller Parteien ihre Anwendung, mehr aber
noch auf die des Nordens, als die des Südens, da die südlichen Führer
sich nicht mehr lange die unnöthige Mühe geben dürften, mit den freien In¬
stitutionen ihres Landes Heuchelei zu treiben. Schon im Jahr 1820 sprach
Herr Randolph, einer der ersten Führer der Sklavenpartei, seine Meinung
in dieser Hinsicht durch die Verachtung aus, die er gegen die Repräsentanten
eines freien Gemeinwesens an den Tag legte, als er in einer scharfen Rede
gegen den No,rden ausrief: „El was, wir regieren sie nicht durch unsre schwär-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/100>, abgerufen am 05.07.2024.