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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Die in dem Sultan Mahmud II, den fanatischen Verfolger ihrer Glaubens¬
brüder in Konstantinopel hassende armenische Bevölkerung des Landes erleich¬
terte die Fortschritte der russischen Waffen in dem unwegsamen Gebirgslande;
andererseits leisteten die ihren Unterdrücker Mahmud verfluchenden Janitscharen
dem Feinde keinen entschlossenen Widerstand. In der schlechten Beschaffenheit
der Wege und in dem Maugel an Proviant lagen die größten Hindernisse.
Ende Octobers setzte der Winter den Fortschritten der russischen Waffen ein
Ziel. -- Die Türken eröffneten im März den Feldzug durch einen An¬
griff auf Achalzyk, aber Paökewitsch.-nöthigte sie, nachdem er über den Kur ge.
gangen und ihnen in den Rücken gefallen war, zum Rückzüge. Der Seraskier
von Erzerum hatte inzwischen am Fuße des Gebirges Saganlu ein Heer von
30,000 Mann aufgestellt und beabsichtigte, wie es schien, in Verbindung mit
seinem Unterfeldherrn Hagki.Pascha, unter dem 20,000 Mann standen, auf
der Südseite nach Kars vorzudringen. Allein Paökewitsch täuschte beide durch
ein kluges Manöver, indem er mit seinem linken Flügel das befestigte Lager
des Hagki bedrohte, während er am W. Juni I8Ä9 mit dem rechten Flügel
das rauhe Gebirge nach einem Nachtmarschc von vierzig Wersten, ohne Wider¬
stand zu finden, überstieg und das türkische Lager am 30. umging. Der
Seraskier hatte indessen von dem gelungenen Uebergange der Russen Nach¬
richt erhalten und eilte mit der Hauptmacht herbei, um den abgeschnittenen
Hagki zu unterstützen. Doch noch ehe er dessen Lager erreichen konnte, ging
Paökewitsch dem Scraskier entgegen, schnitt ihn durch einen kühnen Angriff
am I.Juli von seinem Lager und von Hagki ab, brachte ihm eine vollständige
Niederlage bei, zerstreute sein Heer gänzlich und erbeutete sein Lager mit der
Artillerie. Nun kehrte Paökewitsch schleunigst um, damit er Hagkis verschanz¬
tes Lager früher angreifen könne, als der Seraskier im Stande sei, seine zer¬
sprengten Truppen wieder zu sammeln, und so gelang es ihm, nachdem er un¬
gehindert über einen fast unwegsamen Theil des Gebirges gezogen war, dem
Hagki Pascha in den Rücken zu fallen, am T. Juli seine Batterien zu er¬
stürmen, sein Lager zu erobern und seine Streitkräfte zu vernichten. Der
tapfere Hagki geriet!) mit -1200 Mann in Gefangenschaft; außer seinem Ge¬
schütz wurden große Vorräthe erbeutet. Die Türken waren durch diesen doppel¬
ten Sieg der Russen, über den Seraskier bei dem Dorfe Ka'i'nly und über
Hagki Pascha bei Mittl-Djusü, entmuthigt und gelähmt und die beiden Nie¬
derlagen verbreiteten im ganzen Lande Verwirrung und Schrecken. Dem
Pascha von Wan gelang es zwar um dieselbe Zeit über daS Gebirge Ala-
Dagh bis Bajazet vorzudringen und am I. Juli dem russischen Befehlshaber,
General Popoff^ die östlichen Verschanzungen zu entreißen; allein die Türken
mußten nach 32stündigem Kampfe den anf Bajazet unternommenen Sturm
aufgeben und die Nachricht von der Niederlage des Seraskiers entschied ihren


Die in dem Sultan Mahmud II, den fanatischen Verfolger ihrer Glaubens¬
brüder in Konstantinopel hassende armenische Bevölkerung des Landes erleich¬
terte die Fortschritte der russischen Waffen in dem unwegsamen Gebirgslande;
andererseits leisteten die ihren Unterdrücker Mahmud verfluchenden Janitscharen
dem Feinde keinen entschlossenen Widerstand. In der schlechten Beschaffenheit
der Wege und in dem Maugel an Proviant lagen die größten Hindernisse.
Ende Octobers setzte der Winter den Fortschritten der russischen Waffen ein
Ziel. — Die Türken eröffneten im März den Feldzug durch einen An¬
griff auf Achalzyk, aber Paökewitsch.-nöthigte sie, nachdem er über den Kur ge.
gangen und ihnen in den Rücken gefallen war, zum Rückzüge. Der Seraskier
von Erzerum hatte inzwischen am Fuße des Gebirges Saganlu ein Heer von
30,000 Mann aufgestellt und beabsichtigte, wie es schien, in Verbindung mit
seinem Unterfeldherrn Hagki.Pascha, unter dem 20,000 Mann standen, auf
der Südseite nach Kars vorzudringen. Allein Paökewitsch täuschte beide durch
ein kluges Manöver, indem er mit seinem linken Flügel das befestigte Lager
des Hagki bedrohte, während er am W. Juni I8Ä9 mit dem rechten Flügel
das rauhe Gebirge nach einem Nachtmarschc von vierzig Wersten, ohne Wider¬
stand zu finden, überstieg und das türkische Lager am 30. umging. Der
Seraskier hatte indessen von dem gelungenen Uebergange der Russen Nach¬
richt erhalten und eilte mit der Hauptmacht herbei, um den abgeschnittenen
Hagki zu unterstützen. Doch noch ehe er dessen Lager erreichen konnte, ging
Paökewitsch dem Scraskier entgegen, schnitt ihn durch einen kühnen Angriff
am I.Juli von seinem Lager und von Hagki ab, brachte ihm eine vollständige
Niederlage bei, zerstreute sein Heer gänzlich und erbeutete sein Lager mit der
Artillerie. Nun kehrte Paökewitsch schleunigst um, damit er Hagkis verschanz¬
tes Lager früher angreifen könne, als der Seraskier im Stande sei, seine zer¬
sprengten Truppen wieder zu sammeln, und so gelang es ihm, nachdem er un¬
gehindert über einen fast unwegsamen Theil des Gebirges gezogen war, dem
Hagki Pascha in den Rücken zu fallen, am T. Juli seine Batterien zu er¬
stürmen, sein Lager zu erobern und seine Streitkräfte zu vernichten. Der
tapfere Hagki geriet!) mit -1200 Mann in Gefangenschaft; außer seinem Ge¬
schütz wurden große Vorräthe erbeutet. Die Türken waren durch diesen doppel¬
ten Sieg der Russen, über den Seraskier bei dem Dorfe Ka'i'nly und über
Hagki Pascha bei Mittl-Djusü, entmuthigt und gelähmt und die beiden Nie¬
derlagen verbreiteten im ganzen Lande Verwirrung und Schrecken. Dem
Pascha von Wan gelang es zwar um dieselbe Zeit über daS Gebirge Ala-
Dagh bis Bajazet vorzudringen und am I. Juli dem russischen Befehlshaber,
General Popoff^ die östlichen Verschanzungen zu entreißen; allein die Türken
mußten nach 32stündigem Kampfe den anf Bajazet unternommenen Sturm
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/94>, abgerufen am 23.07.2024.