Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.Diese Verhältnisse sind unter allen Umständen solche, welche das beider¬ Da ein sehr weiter Raum die Stützung der innerhalb desselben agiren- Die Frage, welche sich hiernach zunächst aufdrängt, ist die, ob der Rück¬ Diese Verhältnisse sind unter allen Umständen solche, welche das beider¬ Da ein sehr weiter Raum die Stützung der innerhalb desselben agiren- Die Frage, welche sich hiernach zunächst aufdrängt, ist die, ob der Rück¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101073"/> <p xml:id="ID_234"> Diese Verhältnisse sind unter allen Umständen solche, welche das beider¬<lb/> seitige Kraftmaß zum Mittelpunkt haben, weil aus einer günstigeren Proportion<lb/> derselben für die Vertheidigung allein die Möglichkeit der Offensive resultirt.<lb/> Bestimmter ausgedrückt ist also die Anbahnung dieser günstigeren Proportion<lb/> die Hauptsache; was, außer vielen Zufälligkeiten, die dazu beitragen mögen,<lb/> vorzugsweise dadurch geschehen kann, 'aß man entweder die feindlichen Kräfte<lb/> durch Kämpfe, in denen sie härter als die unsrigen mitgenommen werden, den<lb/> Konsequenzen einer schnelleren Verminderung anheim gibt, oder sie zwingt, sich<lb/> über große Räume auszudehnen, wodurch sie nicht unmittelbar und im eigent¬<lb/> lichen Sinne vermindert, aber jedenfalls auf dem Punkt, wo sich die Entschei¬<lb/> dung vollzieht, geschwächt werden. Ich erinnere unter Bezugnahme auf einen<lb/> früheren Aufsatz („Ueber den modernen Festungsbau und Bclagcrungskricg")<lb/> daran, daß in der ersteren Methode daS Grundprincip der Befestigungen aus¬<lb/> gedrückt liegt, und daß die letztere nur eine ausnahmsweise Anwendung findet,<lb/> indem sie seitens des die Vertheidigung führenden Staates einen ausgedehnten<lb/> Raumbesitz voraussetzt. Beispielsweise ist Rußland unter den europäischen<lb/> Großmächten diejenige, welche sich am meisten in der Lage befindet, das Prin¬<lb/> cip , die feindlichen Angriffskräfte durch die Größe des ihnen überlassenen<lb/> Raumes zu zersplittern, geltend zu machen, und umgekehrt Preußen diejenige,<lb/> deren Territorialverhältnisse sich am wenigsten dazu eignen, weshalb es ein<lb/> ganz richtiger Gedanke des berliner Cabinets war, nachdem der wiener Congreß<lb/> den Gebietsbestand definitiv festgestellt, sofort seine Hauptkräfte auf die Fortifi-<lb/> cirung seines Staatsgebiets zu verwenden, indem es damit die einzig mögliche<lb/> Grnndlag/für eine preußische Defensive schuf, welche ihre Mittel nicht in der<lb/> Größe des Raumes suchen kann, da sie nur über einen verhältnißmäßig kleinen<lb/> verfügt.</p><lb/> <p xml:id="ID_235"> Da ein sehr weiter Raum die Stützung der innerhalb desselben agiren-<lb/> den Vertheidigungskräfte durch Befestigungen nicht ausschließt, so befindet<lb/> sich Nußland in der besonders günstigen Situation, für seinen. Widerstand<lb/> beide Merhoden zur Anwendung zu bringen, was in der Weise möglich<lb/> ist, daß es sich, nicht wie im Jahre 1812 ohne Vertheidigung, wesentlich ge-<lb/> fechlslos, sondern stationsweise, von Befestigung zu Befestigung zurückzieht.<lb/> Die Zersplitterung des Gegners durch die Distancen, welche er hinter sich läßt,<lb/> wird dadurch allerdings verlangsamt, aber die Gesammtentwicklung behufs seiner<lb/> beschleunigten Reducirung auf ein geringeres Kraftmaß als das der Verthei¬<lb/> digung wird dadurch in erhöhetem Grade an Sicherheit gewinnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_236" next="#ID_237"> Die Frage, welche sich hiernach zunächst aufdrängt, ist die, ob der Rück¬<lb/> stoß, für welchen der Zeitpunkt gekommen sein wird, sobald die Defensive das<lb/> numerische Uebergewicht gewonnen hat, ein auf die Fronte deS Angreifers<lb/> gerichteter oder gegen seine Flanke gewendeter sein soll. Bei Wahl der letzteren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0080]
Diese Verhältnisse sind unter allen Umständen solche, welche das beider¬
seitige Kraftmaß zum Mittelpunkt haben, weil aus einer günstigeren Proportion
derselben für die Vertheidigung allein die Möglichkeit der Offensive resultirt.
Bestimmter ausgedrückt ist also die Anbahnung dieser günstigeren Proportion
die Hauptsache; was, außer vielen Zufälligkeiten, die dazu beitragen mögen,
vorzugsweise dadurch geschehen kann, 'aß man entweder die feindlichen Kräfte
durch Kämpfe, in denen sie härter als die unsrigen mitgenommen werden, den
Konsequenzen einer schnelleren Verminderung anheim gibt, oder sie zwingt, sich
über große Räume auszudehnen, wodurch sie nicht unmittelbar und im eigent¬
lichen Sinne vermindert, aber jedenfalls auf dem Punkt, wo sich die Entschei¬
dung vollzieht, geschwächt werden. Ich erinnere unter Bezugnahme auf einen
früheren Aufsatz („Ueber den modernen Festungsbau und Bclagcrungskricg")
daran, daß in der ersteren Methode daS Grundprincip der Befestigungen aus¬
gedrückt liegt, und daß die letztere nur eine ausnahmsweise Anwendung findet,
indem sie seitens des die Vertheidigung führenden Staates einen ausgedehnten
Raumbesitz voraussetzt. Beispielsweise ist Rußland unter den europäischen
Großmächten diejenige, welche sich am meisten in der Lage befindet, das Prin¬
cip , die feindlichen Angriffskräfte durch die Größe des ihnen überlassenen
Raumes zu zersplittern, geltend zu machen, und umgekehrt Preußen diejenige,
deren Territorialverhältnisse sich am wenigsten dazu eignen, weshalb es ein
ganz richtiger Gedanke des berliner Cabinets war, nachdem der wiener Congreß
den Gebietsbestand definitiv festgestellt, sofort seine Hauptkräfte auf die Fortifi-
cirung seines Staatsgebiets zu verwenden, indem es damit die einzig mögliche
Grnndlag/für eine preußische Defensive schuf, welche ihre Mittel nicht in der
Größe des Raumes suchen kann, da sie nur über einen verhältnißmäßig kleinen
verfügt.
Da ein sehr weiter Raum die Stützung der innerhalb desselben agiren-
den Vertheidigungskräfte durch Befestigungen nicht ausschließt, so befindet
sich Nußland in der besonders günstigen Situation, für seinen. Widerstand
beide Merhoden zur Anwendung zu bringen, was in der Weise möglich
ist, daß es sich, nicht wie im Jahre 1812 ohne Vertheidigung, wesentlich ge-
fechlslos, sondern stationsweise, von Befestigung zu Befestigung zurückzieht.
Die Zersplitterung des Gegners durch die Distancen, welche er hinter sich läßt,
wird dadurch allerdings verlangsamt, aber die Gesammtentwicklung behufs seiner
beschleunigten Reducirung auf ein geringeres Kraftmaß als das der Verthei¬
digung wird dadurch in erhöhetem Grade an Sicherheit gewinnen.
Die Frage, welche sich hiernach zunächst aufdrängt, ist die, ob der Rück¬
stoß, für welchen der Zeitpunkt gekommen sein wird, sobald die Defensive das
numerische Uebergewicht gewonnen hat, ein auf die Fronte deS Angreifers
gerichteter oder gegen seine Flanke gewendeter sein soll. Bei Wahl der letzteren
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