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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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feindlichen Gegenangriff in Schach zu halten vermöchten. Es ist das die
Flankendeckung, deren Nothwendigkeit, neben der Flügeldcckung, bereits ohne
Bezugnahme auf die der gegenwärtigen Erörterung unterliegenden localen Ver¬
hältnisse weiter oben besprochen wurde.

Das Flankencorps hat selbstredend nach der Richtung hin Fronte zu
machen, in welcher die Bedrohung erfolgt. Es wird, das ist klar, am zweck¬
mäßigsten seduire sein, wenn es sich in der Mitte des zu deckenden Raumes
aufgestellt befindet; und zwar wird, da dieser ein mit dem Vorschreiten der
Hauptarmee stetig wachsender ist,- seine Postirung sich dieser Bedingung ge¬
mäß von Zeit zu Zeit zu ändern haben. Es ist zugleich selbstverständlich,
daß seine Aufgabe mit.der Steigerung der räumlichen Ausdehnung der zu
deckenden Flanke eine immer größere, schwierigere wird, und die mithin billiger¬
weise ein entsprechendes Anwachsen der bezüglichen Mittel (Streitkräfte) er¬
heischt. Es ist daher ein denkbarer Fall, daß der weiter vorgetriebene Angriff
anstatt eines Flankencorpö deren zwei bedürfen wird.

Daß die Basis außerdem unter den Schutz besonderer Streitkräfte zustellen
ist, erwähne ich, als sich ebenfalls an und für sich verstehend, hier nur bei¬
läufig.

Es scheint mir mit dem oben Gesagten die Aufgabe, welche ich mir in
diesem Abschnitt des Aufsatzes stellte: Die Ansprüche, welche die Beschaffenheit
des Kriegsraumes in Betreff der Größe der Angriffskräfte erhebt, festzustellen,
gelöst zu sein. Ich bewies die Nothwendigkeit einer in ungleiche Hälften ge¬
theilten Hauptarmee, eines detaschirten Flügelcorps, eines oder zweier Flanken¬
corps und einer Besetzung der Basis mit entsprechenden Massen. Hinzuzufügen
wäre allenfalls noch, daß auch die Zwischenhafen (Dniester, Bug) nicht ohne
Deckung gelassen werden dürfen; indeß nimmt die Befestigungskunst hierbei
das Wichtigste auf sich. Zu festen Ziffern gelangte ich in dem Obigen noch
nicht; auch kann dieses letztere Resultat erst auf Grund einer Schätzung
der feindlichen Streitkräfte erreicht werden, denen die diesseitigen entsprechen
müssen.

Es wird, bevor ich auf die Ermittlung der feindlichen Streitkräfte
und daraus zu ziehende Schlüsse aus den seitens der Verbündeten benöthigten
Kraftaufwand eingehe, nothwendig sein, das russische Defensivsystem gegen¬
über einem Angriffe von der unteren Donau und dem Pruth her in der Rich¬
tung auf Perekop klar zu machen.

Die heutige Kriegswissenschaft erkennt in der Defensive, ganz allgemein
genommen, die andere Form des Krieges und einen zweiten Weg, um zu dessen
Endzweck, dem Sieg, zu gelangen. Wenn General von Willisen, (dessen Ver¬
diensten um ein richtiges Verständniß der strategischen Mechanik niemand williger
seine Anerkennung zollen kann, als der Verfasser) im Widerspruch damit dem


feindlichen Gegenangriff in Schach zu halten vermöchten. Es ist das die
Flankendeckung, deren Nothwendigkeit, neben der Flügeldcckung, bereits ohne
Bezugnahme auf die der gegenwärtigen Erörterung unterliegenden localen Ver¬
hältnisse weiter oben besprochen wurde.

Das Flankencorps hat selbstredend nach der Richtung hin Fronte zu
machen, in welcher die Bedrohung erfolgt. Es wird, das ist klar, am zweck¬
mäßigsten seduire sein, wenn es sich in der Mitte des zu deckenden Raumes
aufgestellt befindet; und zwar wird, da dieser ein mit dem Vorschreiten der
Hauptarmee stetig wachsender ist,- seine Postirung sich dieser Bedingung ge¬
mäß von Zeit zu Zeit zu ändern haben. Es ist zugleich selbstverständlich,
daß seine Aufgabe mit.der Steigerung der räumlichen Ausdehnung der zu
deckenden Flanke eine immer größere, schwierigere wird, und die mithin billiger¬
weise ein entsprechendes Anwachsen der bezüglichen Mittel (Streitkräfte) er¬
heischt. Es ist daher ein denkbarer Fall, daß der weiter vorgetriebene Angriff
anstatt eines Flankencorpö deren zwei bedürfen wird.

Daß die Basis außerdem unter den Schutz besonderer Streitkräfte zustellen
ist, erwähne ich, als sich ebenfalls an und für sich verstehend, hier nur bei¬
läufig.

Es scheint mir mit dem oben Gesagten die Aufgabe, welche ich mir in
diesem Abschnitt des Aufsatzes stellte: Die Ansprüche, welche die Beschaffenheit
des Kriegsraumes in Betreff der Größe der Angriffskräfte erhebt, festzustellen,
gelöst zu sein. Ich bewies die Nothwendigkeit einer in ungleiche Hälften ge¬
theilten Hauptarmee, eines detaschirten Flügelcorps, eines oder zweier Flanken¬
corps und einer Besetzung der Basis mit entsprechenden Massen. Hinzuzufügen
wäre allenfalls noch, daß auch die Zwischenhafen (Dniester, Bug) nicht ohne
Deckung gelassen werden dürfen; indeß nimmt die Befestigungskunst hierbei
das Wichtigste auf sich. Zu festen Ziffern gelangte ich in dem Obigen noch
nicht; auch kann dieses letztere Resultat erst auf Grund einer Schätzung
der feindlichen Streitkräfte erreicht werden, denen die diesseitigen entsprechen
müssen.

Es wird, bevor ich auf die Ermittlung der feindlichen Streitkräfte
und daraus zu ziehende Schlüsse aus den seitens der Verbündeten benöthigten
Kraftaufwand eingehe, nothwendig sein, das russische Defensivsystem gegen¬
über einem Angriffe von der unteren Donau und dem Pruth her in der Rich¬
tung auf Perekop klar zu machen.

Die heutige Kriegswissenschaft erkennt in der Defensive, ganz allgemein
genommen, die andere Form des Krieges und einen zweiten Weg, um zu dessen
Endzweck, dem Sieg, zu gelangen. Wenn General von Willisen, (dessen Ver¬
diensten um ein richtiges Verständniß der strategischen Mechanik niemand williger
seine Anerkennung zollen kann, als der Verfasser) im Widerspruch damit dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/78>, abgerufen am 25.08.2024.