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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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staunen, die von einer weiten Frontspannung noch durchmessen werden möchten,
durchaus keine Hindernißlinie dar, in der man eine Garantie, sei es gegen
die Ueberflüglung oder gegen einen directen Flankenstoß finden könnte. Un¬
ermeßliche weite Räume dehnen sich hier zwischen Pruth, Dniester und Dniepr
aus und finden erst eine feste Grenze in der undurchdringlichen Sumpfregion
der Pinsker und Nokitnobniche, welche sich vom Bug (Bog) aus (hierunter
den polnischen Fluß verstanden) bis zum letztgedachten Hauptstrom (Dniepr)
erstrecken. Es ist dies ein strategisches Feld, welches nur eine Macht mit
Angriffsmassen auszufüllen vermöchte: Oestreich. Die Theilnahme dieses
Grvßstaats am Kriege würde zugleich im Stande sein, die in Bessarabien
wider Rußland engagirten Streitkräfte von den umfassenden Maßnahmen zur
Deckung ihres linken Flügels und der links gewendeten strategischen Flanke zu
entbinden. Daß auf eine derartige Kooperation durchaus nicht gerechnet
werden kann, weiß heute ein jeder.

Der Verfasser denkt sich nicht nur den rechten Flügel, sondern die ganze '
Hauptmasse der Angriffsarmee auf der großen Straße längs der Küste und
den ihr zunächst gelegenen, parallellaufenden Nebenwegen vorgehend und
zwar aus doppelten Gründen: zunächst weil eine derartige Disposition die
Verpflegung, welche sich auf die großen Ortschaften an der Küste und auf die
Flotte stützen wird, ganz außerordentlich erleichtert und dann, weil auf dieser
Linie die Punkte gelegen sind, in denen und um deren willen der Feind
voraussichtlich Widerstand leisten wird. Wollte man umgekehrt mit dem
Gros eine mehr mittlere Richtung innehalten, so würde man, abgesehen
davon, daß man kaum diesem Zweck entsprechende Straßen finden dürfte,
nicht nur die Verpflegung des Armeecentrums unter viel schwierigeren
Verhältnissen zu bewerkstelligen haben, sondern, der verzögernden Ein¬
flüsse nicht zu gedenken, die hieraus entstehen möchten, würde auch ein be¬
sonderer Aufenthalt und mithin eine Verzögerung in der Aufeinanderfolge
der Schläge und Bewegungen dadurch entstehen, daß man, um den Gegner in
seinen Hauptverthcidigungspositioncn, die eben an der Küste liegen und vor¬
aussichtlich Odessa und Nikolajew sind, anzugreifen, eine Nechtsconcentrirung
vornehmen müßte, um darnach sich wieder nach links hin auSeinanderzu-
ziehen.

Der linke Armeeflügel könnte im Gegensatz zur Mitte und zum rechten,
welche letztere beide hier das HeereSgros darstellen, etwas weiter binnenwärts
geschoben werden, dergestalt, baß er bei Beginn des Feldzuges oder nachdem der
Pruth überschritten worden, welcher Fluß in Verbindung mit dem Mündungs¬
delta der Donau die Bedeutung einer ersten Basis erhalten würde, den Weg
auf Bender zu nehmen hätte, während die Hauptmasse (die Rechte und das
Centrum) den Dniester bei Akerman erreichte. Ein solches Arrangement


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staunen, die von einer weiten Frontspannung noch durchmessen werden möchten,
durchaus keine Hindernißlinie dar, in der man eine Garantie, sei es gegen
die Ueberflüglung oder gegen einen directen Flankenstoß finden könnte. Un¬
ermeßliche weite Räume dehnen sich hier zwischen Pruth, Dniester und Dniepr
aus und finden erst eine feste Grenze in der undurchdringlichen Sumpfregion
der Pinsker und Nokitnobniche, welche sich vom Bug (Bog) aus (hierunter
den polnischen Fluß verstanden) bis zum letztgedachten Hauptstrom (Dniepr)
erstrecken. Es ist dies ein strategisches Feld, welches nur eine Macht mit
Angriffsmassen auszufüllen vermöchte: Oestreich. Die Theilnahme dieses
Grvßstaats am Kriege würde zugleich im Stande sein, die in Bessarabien
wider Rußland engagirten Streitkräfte von den umfassenden Maßnahmen zur
Deckung ihres linken Flügels und der links gewendeten strategischen Flanke zu
entbinden. Daß auf eine derartige Kooperation durchaus nicht gerechnet
werden kann, weiß heute ein jeder.

Der Verfasser denkt sich nicht nur den rechten Flügel, sondern die ganze '
Hauptmasse der Angriffsarmee auf der großen Straße längs der Küste und
den ihr zunächst gelegenen, parallellaufenden Nebenwegen vorgehend und
zwar aus doppelten Gründen: zunächst weil eine derartige Disposition die
Verpflegung, welche sich auf die großen Ortschaften an der Küste und auf die
Flotte stützen wird, ganz außerordentlich erleichtert und dann, weil auf dieser
Linie die Punkte gelegen sind, in denen und um deren willen der Feind
voraussichtlich Widerstand leisten wird. Wollte man umgekehrt mit dem
Gros eine mehr mittlere Richtung innehalten, so würde man, abgesehen
davon, daß man kaum diesem Zweck entsprechende Straßen finden dürfte,
nicht nur die Verpflegung des Armeecentrums unter viel schwierigeren
Verhältnissen zu bewerkstelligen haben, sondern, der verzögernden Ein¬
flüsse nicht zu gedenken, die hieraus entstehen möchten, würde auch ein be¬
sonderer Aufenthalt und mithin eine Verzögerung in der Aufeinanderfolge
der Schläge und Bewegungen dadurch entstehen, daß man, um den Gegner in
seinen Hauptverthcidigungspositioncn, die eben an der Küste liegen und vor¬
aussichtlich Odessa und Nikolajew sind, anzugreifen, eine Nechtsconcentrirung
vornehmen müßte, um darnach sich wieder nach links hin auSeinanderzu-
ziehen.

Der linke Armeeflügel könnte im Gegensatz zur Mitte und zum rechten,
welche letztere beide hier das HeereSgros darstellen, etwas weiter binnenwärts
geschoben werden, dergestalt, baß er bei Beginn des Feldzuges oder nachdem der
Pruth überschritten worden, welcher Fluß in Verbindung mit dem Mündungs¬
delta der Donau die Bedeutung einer ersten Basis erhalten würde, den Weg
auf Bender zu nehmen hätte, während die Hauptmasse (die Rechte und das
Centrum) den Dniester bei Akerman erreichte. Ein solches Arrangement


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/75>, abgerufen am 25.08.2024.