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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Ich hoffe hiermit .in ausreichend faßlicher Weise die Einflüsse entwickelt
zu haben, welche der Kricgsraum auf die Bestimmung der Größe der Angriffs¬
kräfte in jedwedem Feldzug ausübt; man wird daraus erkennen, daß der Kampf
wider einen Feind von gegebener Stärke ein durchaus verschiedener ist, je
nachdem derselbe, uns in einem weitgedehnten oder cngbegrenztcn Theater er¬
wartet und daß wir unter letzterwähnten Umständen zur Lösung unsrer Auf¬
gabe vielleicht nur die Hälfte und möglicherweise eines noch geringeren Theiles
derjenigen Mittel bedürfen werden, welche die ersteren erheischen.

Was den bessarabischen Feldzug angeht, so wird seine räumliche Aus¬
dehnung, wie die eines jeden andern, durch die Entfernung des Operations¬
objects von der Basis bestimmt. Sie wird eine andre sein, je nachdem man
Akerman und Kischenew, oder Odessa, oder endlich Nikolajew zum Ziel nimmt,
und kann sich zu ungeheuern Proportionen steigern, falls man sich vorsetzte,
weit über die Grenzen der fraglichen Provinz hinaus bis Kiew zu gelangen.
Was meine Ansicht über diesen Punkt betrifft, so erscheint mir, wie ich auch
bereits vor einem Jahre in Ihren Blättern Gelegenheit genommen, mich zu
äußern, die Firiruug des Objects bei Perekop als die einzig wohlgetroffene
Wahl, weil nur in diesem Fall die durch Bessarabien vorschreitender Opera¬
tionen sich in directe Beziehung zu denen in der Keim setzen und hier die zu
vollbringende Arbeit, den Feind aus der Halbinsel zu delvgiren, erleichtern
würden.

Da man nicht annehmen kann, daß die verbündeten Mächte bei Festhal-
tung ihres Campagneentwurfeö eine solche Hauptrücksicht außer Acht lassen
werden und dieselbe zu gebietend auftritt, um, nachdem sie einmal erkannt
worden, nicht alle Dispositionen von sich abhängig zu machen, so erscheint es
als eine gerechtfertigte Voraussetzung, daß die etwaigen Operationen sich wirk¬
lich, behufs des strategischen Hauptvorgehens, auf der Linie vom Pruth über
Odessa, Nikolajew und Cherson gegen die Landenge bewegen und hier ihr
nächstes Ziel in der großen und entscheidenden Alternative finden werden, ent¬
weder die russische Krimarmee zum Rückzug zu bestimme" oder sie mit Hilfe der
jetzt in Taurien versammelten verbündeten Streitkräfte in eine Klammer zu
fassen und zur Kapitulation zu bringen.

Nachdem hiermit ein fester Gesichtspunkt für die Beurtheilung der räum¬
lichen Beziehungen des Feldzugs gewonnen worden, ist es an der Zeit, diese
letzteren selbst hier des Näheren zu erörtern. Dem oben Gesagten zufolge er¬
scheint es zunächst wichtig, daß der rechte Flügel der vorrückenden Armee seinen
Weg die Seeküste entlang zu nehmen hat, daß mithin aus dieser Richtung
(von rechts her) keine feindliche Bedrohung, weder durch eine Flügelumgehung,
noch durch einen Einbruch in die strategische Flanke, welche das Meer selbst
> deckt, zu befürchten ist. Dagegen bietet sich nach links hin innerhalb der Di-


Ich hoffe hiermit .in ausreichend faßlicher Weise die Einflüsse entwickelt
zu haben, welche der Kricgsraum auf die Bestimmung der Größe der Angriffs¬
kräfte in jedwedem Feldzug ausübt; man wird daraus erkennen, daß der Kampf
wider einen Feind von gegebener Stärke ein durchaus verschiedener ist, je
nachdem derselbe, uns in einem weitgedehnten oder cngbegrenztcn Theater er¬
wartet und daß wir unter letzterwähnten Umständen zur Lösung unsrer Auf¬
gabe vielleicht nur die Hälfte und möglicherweise eines noch geringeren Theiles
derjenigen Mittel bedürfen werden, welche die ersteren erheischen.

Was den bessarabischen Feldzug angeht, so wird seine räumliche Aus¬
dehnung, wie die eines jeden andern, durch die Entfernung des Operations¬
objects von der Basis bestimmt. Sie wird eine andre sein, je nachdem man
Akerman und Kischenew, oder Odessa, oder endlich Nikolajew zum Ziel nimmt,
und kann sich zu ungeheuern Proportionen steigern, falls man sich vorsetzte,
weit über die Grenzen der fraglichen Provinz hinaus bis Kiew zu gelangen.
Was meine Ansicht über diesen Punkt betrifft, so erscheint mir, wie ich auch
bereits vor einem Jahre in Ihren Blättern Gelegenheit genommen, mich zu
äußern, die Firiruug des Objects bei Perekop als die einzig wohlgetroffene
Wahl, weil nur in diesem Fall die durch Bessarabien vorschreitender Opera¬
tionen sich in directe Beziehung zu denen in der Keim setzen und hier die zu
vollbringende Arbeit, den Feind aus der Halbinsel zu delvgiren, erleichtern
würden.

Da man nicht annehmen kann, daß die verbündeten Mächte bei Festhal-
tung ihres Campagneentwurfeö eine solche Hauptrücksicht außer Acht lassen
werden und dieselbe zu gebietend auftritt, um, nachdem sie einmal erkannt
worden, nicht alle Dispositionen von sich abhängig zu machen, so erscheint es
als eine gerechtfertigte Voraussetzung, daß die etwaigen Operationen sich wirk¬
lich, behufs des strategischen Hauptvorgehens, auf der Linie vom Pruth über
Odessa, Nikolajew und Cherson gegen die Landenge bewegen und hier ihr
nächstes Ziel in der großen und entscheidenden Alternative finden werden, ent¬
weder die russische Krimarmee zum Rückzug zu bestimme» oder sie mit Hilfe der
jetzt in Taurien versammelten verbündeten Streitkräfte in eine Klammer zu
fassen und zur Kapitulation zu bringen.

Nachdem hiermit ein fester Gesichtspunkt für die Beurtheilung der räum¬
lichen Beziehungen des Feldzugs gewonnen worden, ist es an der Zeit, diese
letzteren selbst hier des Näheren zu erörtern. Dem oben Gesagten zufolge er¬
scheint es zunächst wichtig, daß der rechte Flügel der vorrückenden Armee seinen
Weg die Seeküste entlang zu nehmen hat, daß mithin aus dieser Richtung
(von rechts her) keine feindliche Bedrohung, weder durch eine Flügelumgehung,
noch durch einen Einbruch in die strategische Flanke, welche das Meer selbst
> deckt, zu befürchten ist. Dagegen bietet sich nach links hin innerhalb der Di-


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[0074] Ich hoffe hiermit .in ausreichend faßlicher Weise die Einflüsse entwickelt zu haben, welche der Kricgsraum auf die Bestimmung der Größe der Angriffs¬ kräfte in jedwedem Feldzug ausübt; man wird daraus erkennen, daß der Kampf wider einen Feind von gegebener Stärke ein durchaus verschiedener ist, je nachdem derselbe, uns in einem weitgedehnten oder cngbegrenztcn Theater er¬ wartet und daß wir unter letzterwähnten Umständen zur Lösung unsrer Auf¬ gabe vielleicht nur die Hälfte und möglicherweise eines noch geringeren Theiles derjenigen Mittel bedürfen werden, welche die ersteren erheischen. Was den bessarabischen Feldzug angeht, so wird seine räumliche Aus¬ dehnung, wie die eines jeden andern, durch die Entfernung des Operations¬ objects von der Basis bestimmt. Sie wird eine andre sein, je nachdem man Akerman und Kischenew, oder Odessa, oder endlich Nikolajew zum Ziel nimmt, und kann sich zu ungeheuern Proportionen steigern, falls man sich vorsetzte, weit über die Grenzen der fraglichen Provinz hinaus bis Kiew zu gelangen. Was meine Ansicht über diesen Punkt betrifft, so erscheint mir, wie ich auch bereits vor einem Jahre in Ihren Blättern Gelegenheit genommen, mich zu äußern, die Firiruug des Objects bei Perekop als die einzig wohlgetroffene Wahl, weil nur in diesem Fall die durch Bessarabien vorschreitender Opera¬ tionen sich in directe Beziehung zu denen in der Keim setzen und hier die zu vollbringende Arbeit, den Feind aus der Halbinsel zu delvgiren, erleichtern würden. Da man nicht annehmen kann, daß die verbündeten Mächte bei Festhal- tung ihres Campagneentwurfeö eine solche Hauptrücksicht außer Acht lassen werden und dieselbe zu gebietend auftritt, um, nachdem sie einmal erkannt worden, nicht alle Dispositionen von sich abhängig zu machen, so erscheint es als eine gerechtfertigte Voraussetzung, daß die etwaigen Operationen sich wirk¬ lich, behufs des strategischen Hauptvorgehens, auf der Linie vom Pruth über Odessa, Nikolajew und Cherson gegen die Landenge bewegen und hier ihr nächstes Ziel in der großen und entscheidenden Alternative finden werden, ent¬ weder die russische Krimarmee zum Rückzug zu bestimme» oder sie mit Hilfe der jetzt in Taurien versammelten verbündeten Streitkräfte in eine Klammer zu fassen und zur Kapitulation zu bringen. Nachdem hiermit ein fester Gesichtspunkt für die Beurtheilung der räum¬ lichen Beziehungen des Feldzugs gewonnen worden, ist es an der Zeit, diese letzteren selbst hier des Näheren zu erörtern. Dem oben Gesagten zufolge er¬ scheint es zunächst wichtig, daß der rechte Flügel der vorrückenden Armee seinen Weg die Seeküste entlang zu nehmen hat, daß mithin aus dieser Richtung (von rechts her) keine feindliche Bedrohung, weder durch eine Flügelumgehung, noch durch einen Einbruch in die strategische Flanke, welche das Meer selbst > deckt, zu befürchten ist. Dagegen bietet sich nach links hin innerhalb der Di-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/74>, abgerufen am 25.08.2024.