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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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ten, eine um so bedingtere wird, je stärker der abschneidende Gegner ist. So¬
fern man diese Beziehungen einer im Felde agirenden Truppenmacht zu ihrer
Basis richtig aufgefaßt hat, wird es nicht schwer sein, sich klar zu machen,
wie auch sie ein Marschiren in verschiedenen Kolonnen nebeneinander er¬
heischen , weil der Feind zunächst nur mittelst einer Umgehung sich zwischen
unsre Heeresmacht und ihre Basis einschieben kann, und diese selbstredend
eine um so schwierigere Unternehmung wird, je weiter er dazu ausholen
muß d. je mehr in der Breite (Fronte) unsre nebeneinander marschiren-
den Colonnen sich ausdehnen. Die Schlußfolgerung, daß die Sicherheit
der Verbindung mit der Basis der frontalen Ausdehnung einer in der Be¬
wegung begriffenen Armee stets proportional sei, würde indeß nichtsdesto¬
weniger eine unhaltbare Konsequenz sein, weil unser Gegner, falls wir
unsren Colonnen eine zu genüge Stärke geben und sie zu weit auseinander¬
ziehen, anstatt die lange und schwache, also auf einem einzelnen Punkte
wenig widerstandsfähige Linie zu umgehen, es räthlicher finden wird, sie zu
durchbrechen, in welchem Falle er entweder durch einen der Zwischenräume,
welche je zwei unsrer Colonnen zwischen sich lassen, hindurchgeht, oder, wenn
sie ihm dies streitig zu machen suchen, sie mit überlegener Macht aus dem
Wege drückt.

Allerdings ist der Einwand gerechtfertigt, daß feindliche Operationen
nothwendig an dieselben Gesetze, wie die unsrigen, gebunden sein müssen,
und daß ein Gegner, der unsre Angriffs- oder Vertheidigungslinie durch¬
bricht oder umgeht, durch eben diese Linie von seiner eignen Basis ab¬
geschnitten werden wird; indeß läßt sich dagegen erinnern, daß seine Ver¬
hältnisse durch mancherlei Umstände andere sein können, daß es ihn in
eine von der unsrigen durchaus verschiedene Lage versetzen wird, wenn
er der Vertheidiger und seine Basis aus diesem Grunde eine concentrisch
um das Operationsfeld gebogene ist, mithin ihm der Rückzug wie die Ver¬
pflegung in einer oder zwei Flankenrichtunge" offen steht, sodann wenn er im
Rücken der angreifenden Armee eigne Festungen vorfindet, welche diese noch
nicht genommen, und durch deren Entsatz er sich alle Vortheile einer Basis
zwischen der unsrigen und der Armee, gegen welche er agirt, verschaffen kann
u. s. w. Außerdem ist in Betracht zu ziehen, daß der Feind in der Regel
den Durchbruch oder die Umgehung zu einer Waffenentscheidung benutzen
d. h. mit dem strategischen Vortheil den taktischen zu verbinden suchen wird,
weil die Umstände mit seltenen Ausnahmen hierzu günstig sein werden. Daß
sie es sein werden, dafür liegt der Beweis in der Möglichkeit der in Rede
stehenden Operationen, denn mit Evidenz darf geschlossen werden, daß, wo
immer nur eine Armee in zu weitgedehnter, dünner Frome auseinander¬
gezogen worden ist, sie auch nicht Zeit finden wird, sich zu einer Erfolg


ten, eine um so bedingtere wird, je stärker der abschneidende Gegner ist. So¬
fern man diese Beziehungen einer im Felde agirenden Truppenmacht zu ihrer
Basis richtig aufgefaßt hat, wird es nicht schwer sein, sich klar zu machen,
wie auch sie ein Marschiren in verschiedenen Kolonnen nebeneinander er¬
heischen , weil der Feind zunächst nur mittelst einer Umgehung sich zwischen
unsre Heeresmacht und ihre Basis einschieben kann, und diese selbstredend
eine um so schwierigere Unternehmung wird, je weiter er dazu ausholen
muß d. je mehr in der Breite (Fronte) unsre nebeneinander marschiren-
den Colonnen sich ausdehnen. Die Schlußfolgerung, daß die Sicherheit
der Verbindung mit der Basis der frontalen Ausdehnung einer in der Be¬
wegung begriffenen Armee stets proportional sei, würde indeß nichtsdesto¬
weniger eine unhaltbare Konsequenz sein, weil unser Gegner, falls wir
unsren Colonnen eine zu genüge Stärke geben und sie zu weit auseinander¬
ziehen, anstatt die lange und schwache, also auf einem einzelnen Punkte
wenig widerstandsfähige Linie zu umgehen, es räthlicher finden wird, sie zu
durchbrechen, in welchem Falle er entweder durch einen der Zwischenräume,
welche je zwei unsrer Colonnen zwischen sich lassen, hindurchgeht, oder, wenn
sie ihm dies streitig zu machen suchen, sie mit überlegener Macht aus dem
Wege drückt.

Allerdings ist der Einwand gerechtfertigt, daß feindliche Operationen
nothwendig an dieselben Gesetze, wie die unsrigen, gebunden sein müssen,
und daß ein Gegner, der unsre Angriffs- oder Vertheidigungslinie durch¬
bricht oder umgeht, durch eben diese Linie von seiner eignen Basis ab¬
geschnitten werden wird; indeß läßt sich dagegen erinnern, daß seine Ver¬
hältnisse durch mancherlei Umstände andere sein können, daß es ihn in
eine von der unsrigen durchaus verschiedene Lage versetzen wird, wenn
er der Vertheidiger und seine Basis aus diesem Grunde eine concentrisch
um das Operationsfeld gebogene ist, mithin ihm der Rückzug wie die Ver¬
pflegung in einer oder zwei Flankenrichtunge» offen steht, sodann wenn er im
Rücken der angreifenden Armee eigne Festungen vorfindet, welche diese noch
nicht genommen, und durch deren Entsatz er sich alle Vortheile einer Basis
zwischen der unsrigen und der Armee, gegen welche er agirt, verschaffen kann
u. s. w. Außerdem ist in Betracht zu ziehen, daß der Feind in der Regel
den Durchbruch oder die Umgehung zu einer Waffenentscheidung benutzen
d. h. mit dem strategischen Vortheil den taktischen zu verbinden suchen wird,
weil die Umstände mit seltenen Ausnahmen hierzu günstig sein werden. Daß
sie es sein werden, dafür liegt der Beweis in der Möglichkeit der in Rede
stehenden Operationen, denn mit Evidenz darf geschlossen werden, daß, wo
immer nur eine Armee in zu weitgedehnter, dünner Frome auseinander¬
gezogen worden ist, sie auch nicht Zeit finden wird, sich zu einer Erfolg


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/72>, abgerufen am 25.08.2024.