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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Operation kann nicht in einer einzigen Colonne ausgeführt werden; vielmehr
erheischen es die Gesetze der strategischen Dynamik, daß die betreffenden Kräfte
eine gewisse Breitenausdehnung einnehmen. Die kunstgerechte Bezeichnung
für diesen letzteren Begriff ist Fronte. Daß man im taktischen Sinne (auf
dem Schlachtfelde) eine Fronte herstellt, indem man seine Streitmacht senkrecht
auf die eigne Angriffsrichtung oder auf die des Feindes, nebeneinander in
linearer Form, entwickelt, weiß jedermann; weniger geläufig indeß ist die Vor¬
stellung, daß die Nothwendigkeit, auf jedwedem Schlachtfelde Fronte zu formt¬
reu zugleich die Bedingung des Marschirens in mehrern Colonnen nebenein¬
ander enthält, indem anderen Falles der Aufmarsch zu viel Zeit hinweg¬
nehmen würde. (Daß diese Regel, wie eine jede andere, ihre Ausnahmen hat,
versteht sich von selbst.) Zu dieser lediglich die Bereitschaft für taktische Ent¬
scheidungen: Schlachten, Treffen, Gefechte, betreffenden Rücksicht tritt eine
andere, nicht minder bedeutende, auf die Verpflegung Bezug nehmende. Es ist
leicht faßlich, daß eine Streitmasse,. welche in einer einzigen Colonne marschiren
würde, direct nur in linearer, also geringster Dimension das durchzogene
Land in Contribution setzen könnte, und die Queue der Heersäule auf das
angewiesen wäre, was Töte , und Centrum übriggelassen, ein Quantum,
welches sich in vielen Fällen auf nichts reduciren dürfte. Marschirt dieselbe
Streitmacht dagegen in mehrern Colonnen nebeneinander, so setzt sie unter
allen Umständen eine Fläche in die Nothwendigkeit, ihr den Bedarf ein
Lebensmitteln für Menschen und Pferde zu liefern, und die Queue kommt
weniger in den Fall, infolge des Verbrauchs der Spitze und der Mitte, Man¬
gel zu leiden, weil jede Colonne verhältnißmäßig kurz ist. -- Hierzu treten
noch andere Umstände und Verhältnisse, welche in den ununterbrochenen
Beziehungen, die eine operirende Truppenmasse mit ihrer rückgelegenen Basis
zu erhalten hat, ihren Ausgangspunkt finden. Gelänge es nämlich dem Feind,
diese rückwärtige Verbindung aufzuheben, mit anderen Worten, die Operationö-
kräfte von der Basis abzuschneiden, so würden diese sich in der Verlegenheit
befinden, so lange als sie die fragliche Communication nicht wiedergewonnen,
alles dessen entbehren zu müssen, was sie im Wege der Contributionen nicht
beizutreiben vermögen, weil es sich auf dem fraglichen Flächenraum nicht vor¬
findet, also im Besonderen Munition und Kriegsmaterial aller Art, den
nachgesandten Ersatz an Mannschaften, Pferden u. f. w. Eine solche Lage
ist unter allen Umständen eine Äußerst peinliche, auch wenn sie sich blos auf
einige Tage beschränkt; gefährlich wird sie, je nach dem numerischen Ver¬
hältnisse, in welchem die feindlichen Massen, welche die Unterbrechung unsrer
Verbindung mit der Basis bewirkten, zu den diesseitigen OperationStruppeu
stehen, und zwar darum, weil die Wahrscheinlichkeit, die Communication wieder¬
zugewinnen, in umgekehrter Proportion zu ihm steht, oder mit anderen Wor-


Operation kann nicht in einer einzigen Colonne ausgeführt werden; vielmehr
erheischen es die Gesetze der strategischen Dynamik, daß die betreffenden Kräfte
eine gewisse Breitenausdehnung einnehmen. Die kunstgerechte Bezeichnung
für diesen letzteren Begriff ist Fronte. Daß man im taktischen Sinne (auf
dem Schlachtfelde) eine Fronte herstellt, indem man seine Streitmacht senkrecht
auf die eigne Angriffsrichtung oder auf die des Feindes, nebeneinander in
linearer Form, entwickelt, weiß jedermann; weniger geläufig indeß ist die Vor¬
stellung, daß die Nothwendigkeit, auf jedwedem Schlachtfelde Fronte zu formt¬
reu zugleich die Bedingung des Marschirens in mehrern Colonnen nebenein¬
ander enthält, indem anderen Falles der Aufmarsch zu viel Zeit hinweg¬
nehmen würde. (Daß diese Regel, wie eine jede andere, ihre Ausnahmen hat,
versteht sich von selbst.) Zu dieser lediglich die Bereitschaft für taktische Ent¬
scheidungen: Schlachten, Treffen, Gefechte, betreffenden Rücksicht tritt eine
andere, nicht minder bedeutende, auf die Verpflegung Bezug nehmende. Es ist
leicht faßlich, daß eine Streitmasse,. welche in einer einzigen Colonne marschiren
würde, direct nur in linearer, also geringster Dimension das durchzogene
Land in Contribution setzen könnte, und die Queue der Heersäule auf das
angewiesen wäre, was Töte , und Centrum übriggelassen, ein Quantum,
welches sich in vielen Fällen auf nichts reduciren dürfte. Marschirt dieselbe
Streitmacht dagegen in mehrern Colonnen nebeneinander, so setzt sie unter
allen Umständen eine Fläche in die Nothwendigkeit, ihr den Bedarf ein
Lebensmitteln für Menschen und Pferde zu liefern, und die Queue kommt
weniger in den Fall, infolge des Verbrauchs der Spitze und der Mitte, Man¬
gel zu leiden, weil jede Colonne verhältnißmäßig kurz ist. — Hierzu treten
noch andere Umstände und Verhältnisse, welche in den ununterbrochenen
Beziehungen, die eine operirende Truppenmasse mit ihrer rückgelegenen Basis
zu erhalten hat, ihren Ausgangspunkt finden. Gelänge es nämlich dem Feind,
diese rückwärtige Verbindung aufzuheben, mit anderen Worten, die Operationö-
kräfte von der Basis abzuschneiden, so würden diese sich in der Verlegenheit
befinden, so lange als sie die fragliche Communication nicht wiedergewonnen,
alles dessen entbehren zu müssen, was sie im Wege der Contributionen nicht
beizutreiben vermögen, weil es sich auf dem fraglichen Flächenraum nicht vor¬
findet, also im Besonderen Munition und Kriegsmaterial aller Art, den
nachgesandten Ersatz an Mannschaften, Pferden u. f. w. Eine solche Lage
ist unter allen Umständen eine Äußerst peinliche, auch wenn sie sich blos auf
einige Tage beschränkt; gefährlich wird sie, je nach dem numerischen Ver¬
hältnisse, in welchem die feindlichen Massen, welche die Unterbrechung unsrer
Verbindung mit der Basis bewirkten, zu den diesseitigen OperationStruppeu
stehen, und zwar darum, weil die Wahrscheinlichkeit, die Communication wieder¬
zugewinnen, in umgekehrter Proportion zu ihm steht, oder mit anderen Wor-


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[0071] Operation kann nicht in einer einzigen Colonne ausgeführt werden; vielmehr erheischen es die Gesetze der strategischen Dynamik, daß die betreffenden Kräfte eine gewisse Breitenausdehnung einnehmen. Die kunstgerechte Bezeichnung für diesen letzteren Begriff ist Fronte. Daß man im taktischen Sinne (auf dem Schlachtfelde) eine Fronte herstellt, indem man seine Streitmacht senkrecht auf die eigne Angriffsrichtung oder auf die des Feindes, nebeneinander in linearer Form, entwickelt, weiß jedermann; weniger geläufig indeß ist die Vor¬ stellung, daß die Nothwendigkeit, auf jedwedem Schlachtfelde Fronte zu formt¬ reu zugleich die Bedingung des Marschirens in mehrern Colonnen nebenein¬ ander enthält, indem anderen Falles der Aufmarsch zu viel Zeit hinweg¬ nehmen würde. (Daß diese Regel, wie eine jede andere, ihre Ausnahmen hat, versteht sich von selbst.) Zu dieser lediglich die Bereitschaft für taktische Ent¬ scheidungen: Schlachten, Treffen, Gefechte, betreffenden Rücksicht tritt eine andere, nicht minder bedeutende, auf die Verpflegung Bezug nehmende. Es ist leicht faßlich, daß eine Streitmasse,. welche in einer einzigen Colonne marschiren würde, direct nur in linearer, also geringster Dimension das durchzogene Land in Contribution setzen könnte, und die Queue der Heersäule auf das angewiesen wäre, was Töte , und Centrum übriggelassen, ein Quantum, welches sich in vielen Fällen auf nichts reduciren dürfte. Marschirt dieselbe Streitmacht dagegen in mehrern Colonnen nebeneinander, so setzt sie unter allen Umständen eine Fläche in die Nothwendigkeit, ihr den Bedarf ein Lebensmitteln für Menschen und Pferde zu liefern, und die Queue kommt weniger in den Fall, infolge des Verbrauchs der Spitze und der Mitte, Man¬ gel zu leiden, weil jede Colonne verhältnißmäßig kurz ist. — Hierzu treten noch andere Umstände und Verhältnisse, welche in den ununterbrochenen Beziehungen, die eine operirende Truppenmasse mit ihrer rückgelegenen Basis zu erhalten hat, ihren Ausgangspunkt finden. Gelänge es nämlich dem Feind, diese rückwärtige Verbindung aufzuheben, mit anderen Worten, die Operationö- kräfte von der Basis abzuschneiden, so würden diese sich in der Verlegenheit befinden, so lange als sie die fragliche Communication nicht wiedergewonnen, alles dessen entbehren zu müssen, was sie im Wege der Contributionen nicht beizutreiben vermögen, weil es sich auf dem fraglichen Flächenraum nicht vor¬ findet, also im Besonderen Munition und Kriegsmaterial aller Art, den nachgesandten Ersatz an Mannschaften, Pferden u. f. w. Eine solche Lage ist unter allen Umständen eine Äußerst peinliche, auch wenn sie sich blos auf einige Tage beschränkt; gefährlich wird sie, je nach dem numerischen Ver¬ hältnisse, in welchem die feindlichen Massen, welche die Unterbrechung unsrer Verbindung mit der Basis bewirkten, zu den diesseitigen OperationStruppeu stehen, und zwar darum, weil die Wahrscheinlichkeit, die Communication wieder¬ zugewinnen, in umgekehrter Proportion zu ihm steht, oder mit anderen Wor-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/71>, abgerufen am 25.08.2024.