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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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wird für die meisten Leser doch etwas zu viel sein. Der Verfasser hält sich so
objectiv, als die Sache erfordert; wo er aber einmal auf politisches Raisonne-
ment eingeht, und das geschieht namentlich in Bezug aus die Schleswig-hol-
steinische Angelegenheit,, freuen wir uns, mit ihm vollständig übereinstimmen
zu können. Er stellt die Schmach Deutschlands mit einer edlen Wärme dar,
aber er ist keineswegs hoffnungslos, und da es keinen Punkt gibt, der für
die einstige Entwicklung unsers Vaterlands so wichtig wäre, als diese bisher
so unglücklich geführte Angelegenheit, so ist auch in dieser Hinsicht das Buch
eine beachtenswerthe Erscheinung.

Wenn wir in der Darstellung Helgolands von der Person des Verfassers
wenig bemerken, so drängt sich diese in den pariser Briefen um so zudringlicher
auf, und leider müssen wir zusetzen, es ist keine sehr anziehende Persönlichkeit,
die uns begegnet. Diese Art von Humor, die weiter nichts ausdrückt, als
eine Mischung von krankhaft gesteigerter Anmaßung und unsicherm Selbst
gefühl, sollte doch endlich aus der Literatur verschwinden. -- Wir wollen einige
Belege anführen. -- Herr Saphir kommt in Dresden an; er will etwas zu
essen haben, aber sämmtliche Kellner sind von dem Gedanken erfüllt, daß
Pepita da ist (S. 11.) "Die Pepita sprach wie Reesa zu Nathan dem Weisen:
Du athmest Wand an Wand mit ihr und eilst nicht, deine Reesa zu um¬
armen? Sie haben eine lebendige Phantasie, können Sie sich die Pepita als
Reesa denken und mich als Nathan? Warum nicht? Weise bin ich doch wol
genug? An Kameelen festes mir auch nicht u. s. w." -- "Ich ließ fragen,
ob die Pepita mich empfangen wollte; das Stubenmädchen meinte, sie wüßte
nicht, ob die Pepita so spät Abends noch empfangen würde, ich beruhigte die
Zweiflerin über diesen Punkt, und als sie zurückkam und mir die Kunde brachte,
die Pepita will mich vorlassen, sah sie mich erstaunt an und dachte: Daß
muß ein großes Thier sein!" -- Darauf hat Herr Saphir noch mehre weitere
Gedanken und fährt dann S. 13 fort: "Das alles dachte ich, als ich der
Pepita Abends -- um die Geisterstunde -- ins spanische Auge sah, und ich
las darinnen Seite 18, Zeile 20 u. s. w.: Carrachos! Ihr Deutsche seid doch
rechte --! Hier schlug die Pepita das Auge nieder, wodurch ich nicht weiter
lesen konnte. Ein Auge war ihr vor Schlaf schon zu, sie kam mir vor wie
die Eboli und ich wie Carlos. Beim wunderbaren Gott! das Weib ist schön!
Dann betrachtete ich ihre Haare und sagte zu mir: Vergessen Sie nicht, mein
Prinz, das ist spanischer Haarboden! Ich entfloh und schlief darauf so ruhig,
als hätte ich gar keine Gemüthsbewegung gehabt, und sah zwischen mir und
der Pepita nichts als ein doppeltes t, ein et, eine Thür und: die Tugend!
Bei ähnlichen Gelegenheiten empfehle ich Vätern, Müttern, Ehemännern immer
nur das doppelte t: Thür und Tugend. Es ist immer besser zwei Schild¬
wachen als eine." -- In dieser faden Weise geht es weiter fort. Auch die


Grenzboten. I. -I8S6. 8

wird für die meisten Leser doch etwas zu viel sein. Der Verfasser hält sich so
objectiv, als die Sache erfordert; wo er aber einmal auf politisches Raisonne-
ment eingeht, und das geschieht namentlich in Bezug aus die Schleswig-hol-
steinische Angelegenheit,, freuen wir uns, mit ihm vollständig übereinstimmen
zu können. Er stellt die Schmach Deutschlands mit einer edlen Wärme dar,
aber er ist keineswegs hoffnungslos, und da es keinen Punkt gibt, der für
die einstige Entwicklung unsers Vaterlands so wichtig wäre, als diese bisher
so unglücklich geführte Angelegenheit, so ist auch in dieser Hinsicht das Buch
eine beachtenswerthe Erscheinung.

Wenn wir in der Darstellung Helgolands von der Person des Verfassers
wenig bemerken, so drängt sich diese in den pariser Briefen um so zudringlicher
auf, und leider müssen wir zusetzen, es ist keine sehr anziehende Persönlichkeit,
die uns begegnet. Diese Art von Humor, die weiter nichts ausdrückt, als
eine Mischung von krankhaft gesteigerter Anmaßung und unsicherm Selbst
gefühl, sollte doch endlich aus der Literatur verschwinden. — Wir wollen einige
Belege anführen. — Herr Saphir kommt in Dresden an; er will etwas zu
essen haben, aber sämmtliche Kellner sind von dem Gedanken erfüllt, daß
Pepita da ist (S. 11.) „Die Pepita sprach wie Reesa zu Nathan dem Weisen:
Du athmest Wand an Wand mit ihr und eilst nicht, deine Reesa zu um¬
armen? Sie haben eine lebendige Phantasie, können Sie sich die Pepita als
Reesa denken und mich als Nathan? Warum nicht? Weise bin ich doch wol
genug? An Kameelen festes mir auch nicht u. s. w." — „Ich ließ fragen,
ob die Pepita mich empfangen wollte; das Stubenmädchen meinte, sie wüßte
nicht, ob die Pepita so spät Abends noch empfangen würde, ich beruhigte die
Zweiflerin über diesen Punkt, und als sie zurückkam und mir die Kunde brachte,
die Pepita will mich vorlassen, sah sie mich erstaunt an und dachte: Daß
muß ein großes Thier sein!" — Darauf hat Herr Saphir noch mehre weitere
Gedanken und fährt dann S. 13 fort: „Das alles dachte ich, als ich der
Pepita Abends — um die Geisterstunde — ins spanische Auge sah, und ich
las darinnen Seite 18, Zeile 20 u. s. w.: Carrachos! Ihr Deutsche seid doch
rechte —! Hier schlug die Pepita das Auge nieder, wodurch ich nicht weiter
lesen konnte. Ein Auge war ihr vor Schlaf schon zu, sie kam mir vor wie
die Eboli und ich wie Carlos. Beim wunderbaren Gott! das Weib ist schön!
Dann betrachtete ich ihre Haare und sagte zu mir: Vergessen Sie nicht, mein
Prinz, das ist spanischer Haarboden! Ich entfloh und schlief darauf so ruhig,
als hätte ich gar keine Gemüthsbewegung gehabt, und sah zwischen mir und
der Pepita nichts als ein doppeltes t, ein et, eine Thür und: die Tugend!
Bei ähnlichen Gelegenheiten empfehle ich Vätern, Müttern, Ehemännern immer
nur das doppelte t: Thür und Tugend. Es ist immer besser zwei Schild¬
wachen als eine." — In dieser faden Weise geht es weiter fort. Auch die


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[0065] wird für die meisten Leser doch etwas zu viel sein. Der Verfasser hält sich so objectiv, als die Sache erfordert; wo er aber einmal auf politisches Raisonne- ment eingeht, und das geschieht namentlich in Bezug aus die Schleswig-hol- steinische Angelegenheit,, freuen wir uns, mit ihm vollständig übereinstimmen zu können. Er stellt die Schmach Deutschlands mit einer edlen Wärme dar, aber er ist keineswegs hoffnungslos, und da es keinen Punkt gibt, der für die einstige Entwicklung unsers Vaterlands so wichtig wäre, als diese bisher so unglücklich geführte Angelegenheit, so ist auch in dieser Hinsicht das Buch eine beachtenswerthe Erscheinung. Wenn wir in der Darstellung Helgolands von der Person des Verfassers wenig bemerken, so drängt sich diese in den pariser Briefen um so zudringlicher auf, und leider müssen wir zusetzen, es ist keine sehr anziehende Persönlichkeit, die uns begegnet. Diese Art von Humor, die weiter nichts ausdrückt, als eine Mischung von krankhaft gesteigerter Anmaßung und unsicherm Selbst gefühl, sollte doch endlich aus der Literatur verschwinden. — Wir wollen einige Belege anführen. — Herr Saphir kommt in Dresden an; er will etwas zu essen haben, aber sämmtliche Kellner sind von dem Gedanken erfüllt, daß Pepita da ist (S. 11.) „Die Pepita sprach wie Reesa zu Nathan dem Weisen: Du athmest Wand an Wand mit ihr und eilst nicht, deine Reesa zu um¬ armen? Sie haben eine lebendige Phantasie, können Sie sich die Pepita als Reesa denken und mich als Nathan? Warum nicht? Weise bin ich doch wol genug? An Kameelen festes mir auch nicht u. s. w." — „Ich ließ fragen, ob die Pepita mich empfangen wollte; das Stubenmädchen meinte, sie wüßte nicht, ob die Pepita so spät Abends noch empfangen würde, ich beruhigte die Zweiflerin über diesen Punkt, und als sie zurückkam und mir die Kunde brachte, die Pepita will mich vorlassen, sah sie mich erstaunt an und dachte: Daß muß ein großes Thier sein!" — Darauf hat Herr Saphir noch mehre weitere Gedanken und fährt dann S. 13 fort: „Das alles dachte ich, als ich der Pepita Abends — um die Geisterstunde — ins spanische Auge sah, und ich las darinnen Seite 18, Zeile 20 u. s. w.: Carrachos! Ihr Deutsche seid doch rechte —! Hier schlug die Pepita das Auge nieder, wodurch ich nicht weiter lesen konnte. Ein Auge war ihr vor Schlaf schon zu, sie kam mir vor wie die Eboli und ich wie Carlos. Beim wunderbaren Gott! das Weib ist schön! Dann betrachtete ich ihre Haare und sagte zu mir: Vergessen Sie nicht, mein Prinz, das ist spanischer Haarboden! Ich entfloh und schlief darauf so ruhig, als hätte ich gar keine Gemüthsbewegung gehabt, und sah zwischen mir und der Pepita nichts als ein doppeltes t, ein et, eine Thür und: die Tugend! Bei ähnlichen Gelegenheiten empfehle ich Vätern, Müttern, Ehemännern immer nur das doppelte t: Thür und Tugend. Es ist immer besser zwei Schild¬ wachen als eine." — In dieser faden Weise geht es weiter fort. Auch die Grenzboten. I. -I8S6. 8

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/65>, abgerufen am 25.08.2024.