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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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wohl nicht erst gelernt zu haben, und als Papa darauf bestand, daß er gleich
fortgehen und uns nicht weiter beunruhigen sollte, steng Wolfgang an bitterlich
zu weinen und trollte sich mit seinem Geigerl weg. Ich bat, daß man ihn
mit mir möchte spielen lassen; endlich sagte Papa: Geig mit^Hrn. Schachlner,
aber so stille, daß man dich nicht hört, sonst mußt du fort. Das geschah,
Wolfgang geigte mit mir. Bald bemerkte ich mit Erstaunen, daß ich da ganz
überflüssig sehe; ich lezsie still meine Geige weg und sah Ihren Hrn. Papa
an, dem bei dieser Scene die Thränen der Bewunderung und des Trostes
über die Wangen rollten; uno so spielte er alle 6 Irio. Als wir fertig
waren, wurde Wolfgang durch unsern Beyfall so kühn, daß er behauptete
auch das erste Violin spielen zu können. Wir machten zum Spaß einen
Versuch, und wir mußten uns fast zu Tode lachen, als er auch dieß, wiewohl
mit lauter unrechten und unregelmäßigen Applicaturen doch so spielte, daß er
doch nie ganz stecken blieb."

"Zum Beschluß. Von Zärtlichkeit und Feinheit seines Gehörs."

"Fast bis in sein zehntes Jahr hatte er eine unbezwingliche Furcht vor
der Trompete, wenn sie allein, ohne andere Musik geblasen wurde; wenn man
ihm eine Trompete nur vorhielt, wär es ebensoviel als wenn man ihm eine
geladene Pistole aufs Herz setzte. Papa wollte ihm diese kindische Furcht
benehmen, und besaht mir einmal trotz seines Weigerns ihm entgegen zu
blasen, aber mein Gott! hätte ich mich nicht dazu verleiten lassen. Wolfgangerl
hörte kaum den schmetternden Ton, ward er bleich und begann zur Erde zu
sinken, und hätte ich länger angehalten, er hätte sicher daS Fraise sKrämpfe^
bekommen."

"Dieses ist beyläufig womit ich auf die gestellten Fragen dienen kann,
verzeihen Sie mir mein schlechtes Geschmier, ich bin geschlagen genug, daß
ichs nicht besser kann. Ich bin mit geziemend schuldigster Hochschätzung und
Ehrfurcht Euer Gnaden


Ergebenster Diener
Andreas Schacherer
Hochfürstl. Hostrompeter."


wobei ihm die ersten Handgriffe gezeigt werde" mußten; hier handelt es sich aber von regel¬
mäßiger Unterweisung und regelrechtem Spiel.

wohl nicht erst gelernt zu haben, und als Papa darauf bestand, daß er gleich
fortgehen und uns nicht weiter beunruhigen sollte, steng Wolfgang an bitterlich
zu weinen und trollte sich mit seinem Geigerl weg. Ich bat, daß man ihn
mit mir möchte spielen lassen; endlich sagte Papa: Geig mit^Hrn. Schachlner,
aber so stille, daß man dich nicht hört, sonst mußt du fort. Das geschah,
Wolfgang geigte mit mir. Bald bemerkte ich mit Erstaunen, daß ich da ganz
überflüssig sehe; ich lezsie still meine Geige weg und sah Ihren Hrn. Papa
an, dem bei dieser Scene die Thränen der Bewunderung und des Trostes
über die Wangen rollten; uno so spielte er alle 6 Irio. Als wir fertig
waren, wurde Wolfgang durch unsern Beyfall so kühn, daß er behauptete
auch das erste Violin spielen zu können. Wir machten zum Spaß einen
Versuch, und wir mußten uns fast zu Tode lachen, als er auch dieß, wiewohl
mit lauter unrechten und unregelmäßigen Applicaturen doch so spielte, daß er
doch nie ganz stecken blieb."

„Zum Beschluß. Von Zärtlichkeit und Feinheit seines Gehörs."

„Fast bis in sein zehntes Jahr hatte er eine unbezwingliche Furcht vor
der Trompete, wenn sie allein, ohne andere Musik geblasen wurde; wenn man
ihm eine Trompete nur vorhielt, wär es ebensoviel als wenn man ihm eine
geladene Pistole aufs Herz setzte. Papa wollte ihm diese kindische Furcht
benehmen, und besaht mir einmal trotz seines Weigerns ihm entgegen zu
blasen, aber mein Gott! hätte ich mich nicht dazu verleiten lassen. Wolfgangerl
hörte kaum den schmetternden Ton, ward er bleich und begann zur Erde zu
sinken, und hätte ich länger angehalten, er hätte sicher daS Fraise sKrämpfe^
bekommen."

„Dieses ist beyläufig womit ich auf die gestellten Fragen dienen kann,
verzeihen Sie mir mein schlechtes Geschmier, ich bin geschlagen genug, daß
ichs nicht besser kann. Ich bin mit geziemend schuldigster Hochschätzung und
Ehrfurcht Euer Gnaden


Ergebenster Diener
Andreas Schacherer
Hochfürstl. Hostrompeter."


wobei ihm die ersten Handgriffe gezeigt werde» mußten; hier handelt es sich aber von regel¬
mäßiger Unterweisung und regelrechtem Spiel.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/58>, abgerufen am 23.07.2024.