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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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außer seine Zuhörer waren große Musikkenner, oder man mußte ihn wenigstens
betrügen, und sie dafür ausgeben."

"Dritte Frage, welche wissenschaftliche Beschäftigung liebte er am meisten?"

"Antw. Hierinfalls ließ er sich leiten, es war ihm fast Einerley, was
man ihm zu lernen gab, er wollte nur lernen und ließ die Wahl seinem
innigst geliebten Papa"), welches Feld er ihm zu bearbeiten auftrug, es schien,
als hätte er es verstanden, daß er in der Welt keinen Lehrmeister noch minder
Erzieher, wie seinen unvergeßlichen Herrn Vater hätte finden tonnen"**).

"Vierte Frage, was er für Eigenschaften, Mariner, Tagesordnung,
Eigenheiten, Neigung zum Guten und Bösen hatte?"

"Antw. Er war voll Feuer, seine Neigung hieng jedem Gegenstand sehr
leicht an; ich denke, daß er im ErmangeluugSfalle einer so vortheilhafr guten
Erziehung, wie er hatte, der ruchloseste Bösewicht hätte werden können, so
empfänglich war er sür jeden Reih, dessen Güte oder Schädlichkeit er zu prüfen
noch nicht im Stande war."

"Einige sonderbare Wunderwürdigkeiten von seinem vier- bis fünfjährigen
Alter, auf deren Wahrhaftigkeit ich schwören könnte."

"Einsaat ging ich mit Hrn. Papa nach dem Donnerstagamt zu Ihnen
nach Hause, wir trafen den vierjährigen Wvlfgangerl in der Beschäftigung
mit der Feder an."

"Papa: was machst du?"

"Wolfg.: ein Concert fürs Clavier, der erste Theil ist bald fertig."

"Papa: laß sehen."

"Wolfg.: ist noch nicht sertig."

"Papa: laß sehen, das muß was sauberes seyn."

"Der Papa nahm idus weg, und zeigte mir ein Geschmiere von Note",
die meistentheils über ausgewischte Dintendolken geschrieben waren (M. der
kleine Wolfgaugerl tauchte die Feder aus Unverstand allemal bis auf deu
Grund des Tintenfasses ein, daher mußte ihm, sobald er damit aufs Papier




") Er war so folgsam selbst in Klemigkeilc". das; er "in eine körperliche Strafe Halle"
hat. Den Vater liebte er ""gemein zärtlich. Zeta" Abend vor dem Schlafe"gehe" mühete
ihn dieser ans eine" Sessel stellen lind mit ihm zweistimmig eine von Wolfgang ersonnene
Mclbdie alt einem sinnlosen wie italienisch klingenden Text Or-i^nig. lwM singen,
worauf er dem Vater die Nascnspihc kühlte, ihm versprach, wenn er alt wäre, ih" i" einer
Glastapscl bei sich zu bewahren ""d in Ehren zu halten (Brief 12. Febr. >l77ej> und sich
zufrieden ins Bell legte. So pflegte er a"es oft zu sagen: "nach "Gott kommr gleich
der Papa".'
Auf einem besonderen Zettel ist angemerkt
"Zur dritte" Frage/' "Was man ihm inimcr zu lernen gab, dem hieng er so ga"z a", daß er alles Neblige, auch
sogar die Musik ans die Seite fehle, z. B. als er Rechnen lernrc, war Tisch, Sessel, Wände,
ja sogar der Fußboden voll Ziffern mit der Kreide überschriebe"."

außer seine Zuhörer waren große Musikkenner, oder man mußte ihn wenigstens
betrügen, und sie dafür ausgeben."

„Dritte Frage, welche wissenschaftliche Beschäftigung liebte er am meisten?"

„Antw. Hierinfalls ließ er sich leiten, es war ihm fast Einerley, was
man ihm zu lernen gab, er wollte nur lernen und ließ die Wahl seinem
innigst geliebten Papa"), welches Feld er ihm zu bearbeiten auftrug, es schien,
als hätte er es verstanden, daß er in der Welt keinen Lehrmeister noch minder
Erzieher, wie seinen unvergeßlichen Herrn Vater hätte finden tonnen"**).

„Vierte Frage, was er für Eigenschaften, Mariner, Tagesordnung,
Eigenheiten, Neigung zum Guten und Bösen hatte?"

„Antw. Er war voll Feuer, seine Neigung hieng jedem Gegenstand sehr
leicht an; ich denke, daß er im ErmangeluugSfalle einer so vortheilhafr guten
Erziehung, wie er hatte, der ruchloseste Bösewicht hätte werden können, so
empfänglich war er sür jeden Reih, dessen Güte oder Schädlichkeit er zu prüfen
noch nicht im Stande war."

„Einige sonderbare Wunderwürdigkeiten von seinem vier- bis fünfjährigen
Alter, auf deren Wahrhaftigkeit ich schwören könnte."

„Einsaat ging ich mit Hrn. Papa nach dem Donnerstagamt zu Ihnen
nach Hause, wir trafen den vierjährigen Wvlfgangerl in der Beschäftigung
mit der Feder an."

„Papa: was machst du?"

„Wolfg.: ein Concert fürs Clavier, der erste Theil ist bald fertig."

„Papa: laß sehen."

„Wolfg.: ist noch nicht sertig."

„Papa: laß sehen, das muß was sauberes seyn."

„Der Papa nahm idus weg, und zeigte mir ein Geschmiere von Note»,
die meistentheils über ausgewischte Dintendolken geschrieben waren (M. der
kleine Wolfgaugerl tauchte die Feder aus Unverstand allemal bis auf deu
Grund des Tintenfasses ein, daher mußte ihm, sobald er damit aufs Papier




") Er war so folgsam selbst in Klemigkeilc». das; er »in eine körperliche Strafe Halle»
hat. Den Vater liebte er »»gemein zärtlich. Zeta» Abend vor dem Schlafe»gehe» mühete
ihn dieser ans eine» Sessel stellen lind mit ihm zweistimmig eine von Wolfgang ersonnene
Mclbdie alt einem sinnlosen wie italienisch klingenden Text Or-i^nig. lwM singen,
worauf er dem Vater die Nascnspihc kühlte, ihm versprach, wenn er alt wäre, ih» i» einer
Glastapscl bei sich zu bewahren »„d in Ehren zu halten (Brief 12. Febr. >l77ej> und sich
zufrieden ins Bell legte. So pflegte er a»es oft zu sagen: „nach "Gott kommr gleich
der Papa".'
Auf einem besonderen Zettel ist angemerkt
„Zur dritte» Frage/' „Was man ihm inimcr zu lernen gab, dem hieng er so ga»z a», daß er alles Neblige, auch
sogar die Musik ans die Seite fehle, z. B. als er Rechnen lernrc, war Tisch, Sessel, Wände,
ja sogar der Fußboden voll Ziffern mit der Kreide überschriebe»."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/56>, abgerufen am 23.07.2024.