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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Der Schwarze meinte aber, das ginge nicht so rasch, er werde morgen
kommen; denn er müsse erst heim und seinen Flegel holen. "Das sind blos
Flausen," sagte der Große. "Wenn du dich nicht fürchtest, so will ich dir
einen Flegel leihen." -- Der Kleine erwiderte, er brauche sich nicht zu fürchten,
aber er müsse sein eignes Zeug haben. "Nun dann schicken wir den Knecht
darnach," sprach jener. "Meinethalben, aber dann muß er einen vierspänni¬
gen Wagen nehmen; denn selber fortbringen kann er meinen Flegel nicht."
Man schickte nun den Knecht mit einem Wagen, und als er wiederkam, mu߬
ten ihm drei Männer abladen helfen; denn der Flegel war ganz von Eisen
und viele Centner schwer.

"Wirthin," sagte der Kleine im schwarzen Rock jetzt zu der Frau des
Hofbesitzers. "Die Töpfe und Teller müssen von dem Schüsselbrete herunter,
ehe wir anfangen." Die Bäuerin aber lachte ihn aus. "Nun dann stehe
ich nicht für den Schaden, wenn sie von selbst herunterfallen," sagte jener
und hieß die Knechte alles Getreide vom Boden auf die Tenne werfen. Jetzt
hob der Kleine den Flegel, und als er ihn herabfallen ließ, rollten in der
Küche und im ganzen Hause alle, Töpfe und Tiegel, Kessel und Pfannen,
Teller und Tassen klirrend herunter. Der große Drescher erschrack, als wie
vor einem Donnerschlag, besann sich aber, und nun ging es an ein Dreschen,
Schlag auf Schlag, hast du nicht gesehen, die Tenne hinunter und wieder
hinaus, daß die Stücke davon flogen. Der Große merkte, daß er dem Kleinen
nicht gewachsen war, aber er wollte seinen Ruf nicht einbüßen und so strengte
er sich über sein Vermögen an- Allein so rasch.er auch losschlug, der Mak¬
ler war immer schneller wie er, und so arbeitete er sich so lange ab, bis er
endlich todt zu Boden stürzte. Da hatte er seinen Mann gefunden. Der Be¬
sitzer des Haubergs aber ließ die Geschichte auf seinem Scheunenthor verewigen.

Andere erzählen die Entstehung des Bildes weniger diabolisch. Nach
ihnen hatte die Geschichte ihren Grund in einer Liebschaft. Ein früherer Ei¬
genthümer des Gehöfts hatte eine schöne Tochter. Um diese freiem zwei junge
Bauernsöhne. Dem Vater waren beide recht, und da er nicht wußte, welchem
er den Vorzug geben sollte, so sand er endlich den Ausweg, daß der die Hand
des Mädchens haben sollte, welcher binnen vierundzwanzig Stunden ihm das
meiste Korid ausgedroschen habe. Die Freier gingen darauf ein, und nun hub
auf der Tenne des Bauern ein Dreschen an, wie es seit der Gründung von
Witzworth noch nicht erlebt worden war. Einer war so stark wie der andere,
keiner wollte sich geben, und so draschen sie den Tag hindurch und die Nacht
hindurch. Als aber der Morgen kam, fielen beide auf einmal todt nieder, und
die Braut bekam keiner.




Grenzbote". I. 1866.63

Der Schwarze meinte aber, das ginge nicht so rasch, er werde morgen
kommen; denn er müsse erst heim und seinen Flegel holen. „Das sind blos
Flausen," sagte der Große. „Wenn du dich nicht fürchtest, so will ich dir
einen Flegel leihen." — Der Kleine erwiderte, er brauche sich nicht zu fürchten,
aber er müsse sein eignes Zeug haben. „Nun dann schicken wir den Knecht
darnach," sprach jener. „Meinethalben, aber dann muß er einen vierspänni¬
gen Wagen nehmen; denn selber fortbringen kann er meinen Flegel nicht."
Man schickte nun den Knecht mit einem Wagen, und als er wiederkam, mu߬
ten ihm drei Männer abladen helfen; denn der Flegel war ganz von Eisen
und viele Centner schwer.

„Wirthin," sagte der Kleine im schwarzen Rock jetzt zu der Frau des
Hofbesitzers. „Die Töpfe und Teller müssen von dem Schüsselbrete herunter,
ehe wir anfangen." Die Bäuerin aber lachte ihn aus. „Nun dann stehe
ich nicht für den Schaden, wenn sie von selbst herunterfallen," sagte jener
und hieß die Knechte alles Getreide vom Boden auf die Tenne werfen. Jetzt
hob der Kleine den Flegel, und als er ihn herabfallen ließ, rollten in der
Küche und im ganzen Hause alle, Töpfe und Tiegel, Kessel und Pfannen,
Teller und Tassen klirrend herunter. Der große Drescher erschrack, als wie
vor einem Donnerschlag, besann sich aber, und nun ging es an ein Dreschen,
Schlag auf Schlag, hast du nicht gesehen, die Tenne hinunter und wieder
hinaus, daß die Stücke davon flogen. Der Große merkte, daß er dem Kleinen
nicht gewachsen war, aber er wollte seinen Ruf nicht einbüßen und so strengte
er sich über sein Vermögen an- Allein so rasch.er auch losschlug, der Mak¬
ler war immer schneller wie er, und so arbeitete er sich so lange ab, bis er
endlich todt zu Boden stürzte. Da hatte er seinen Mann gefunden. Der Be¬
sitzer des Haubergs aber ließ die Geschichte auf seinem Scheunenthor verewigen.

Andere erzählen die Entstehung des Bildes weniger diabolisch. Nach
ihnen hatte die Geschichte ihren Grund in einer Liebschaft. Ein früherer Ei¬
genthümer des Gehöfts hatte eine schöne Tochter. Um diese freiem zwei junge
Bauernsöhne. Dem Vater waren beide recht, und da er nicht wußte, welchem
er den Vorzug geben sollte, so sand er endlich den Ausweg, daß der die Hand
des Mädchens haben sollte, welcher binnen vierundzwanzig Stunden ihm das
meiste Korid ausgedroschen habe. Die Freier gingen darauf ein, und nun hub
auf der Tenne des Bauern ein Dreschen an, wie es seit der Gründung von
Witzworth noch nicht erlebt worden war. Einer war so stark wie der andere,
keiner wollte sich geben, und so draschen sie den Tag hindurch und die Nacht
hindurch. Als aber der Morgen kam, fielen beide auf einmal todt nieder, und
die Braut bekam keiner.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/505>, abgerufen am 25.08.2024.