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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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vier Wochen seine deutschen Gehilfen durch Dänen zu ersetzen. Bitten um
Verlängerung dieser Frist waren fruchtlos. Man dachte jetzt am Ziele zu sein.
Aber Karberg machte, wenn auch mit großen Kosten, das unmöglich Scheinende
möglich, und der Versuch, ihn ohne großes Aussehen los zu werden, war zum
dritten Mal gescheitert.

Da mußte der Amtmann (dessen Eifer in dieser Angelegenheir von bösen
Zungen mit dem Umstand erklärt wird, daß Worsoe ihm verschwägert ist) zu
einem Staatsstreiche greifen, und am 2-1. Februar klebte ein Gerichtsdiener an
das Fenster der Apotheke einen Zettel mit den Worten: "Apotheket er lukkel",
die Apotheke ist geschlossen. Es hieß aus die Beschwerde des Betreffenden ein¬
fach, der König habe sich nicht bewogen gefunden, sein Privilegium zu er¬
neuern. Karberg, der sein Geschäft bis -1860 schuldfrei zu haben hoffte, war
ein Bettler. Er betrug sich aber wie ein Mann, ließ jedem seiner Leute eine
Flasche Wein geben und trank selbst eine, "weil so etwas nicht alle Tage vor¬
komme." Dann supplicirte er, ihm ein Jahr Zeit zum Verkauf der Apotheke
zu lassen oder sie nach vorheriger Taxation durch die Behörde anzukaufen.
Bis Ende Juli halte er noch keine Antwort. Wie diese aber auch beschaffen
sein möge, unter allen Umständen ist sein Fall ein Beispiel, auf welche perfide
Weise man hier die deutsche Gesinnung -- denn nur um die Gesinnung han¬
delte es sich -- zu verfolgen und zu strafen, mit welchen Mitteln man sich
namentlich der intelligenten und wohlhabenden Deutschen in Schleswig zu ent¬
ledigen bemüht ist.

Südlich von Husum bemerkt man bald, daß man sich in dem gesegneten
Eiderstedt befindet. Die Marsch ist fast ohne Unterbrechung mit dem schönsten
und fettesten Viehe bedeckt, und statt der baumlosen Wiesen des Friesenlandes
erheben sich auf der endlosen grünen Fläche zahllose Baumgruppen, die in dem
bläulichen Dufte der Ferne wie Hügel aussehen, in der Nähe aber zu kleinen
Wäldchen werden, aus denen das hohe, fast pyramidenförmige Dach eines
Haubergs (so nennt man hier die Marschhöse) emporragt. Unter diesen Stroh¬
dächern birgt sich ein unglaublicher Reichthum. Güter im Werthe von sech¬
zig- bis achtzigtausend Thalern sind nichts Ungewöhnliches. Der Boden ist
etwa zu zwei Dritteln Weideland und man findet häufig Weiden, die hundert
Jahre und darüber keinen Pflug gefühlt haben. Werden solche alte Weiden
dann aufgebrochen, so zeigen sie eine ans Fabelhafte grenzende Ergiebigkeit.
In gutes kraftvolles Land säet der Eiderstedter zweimal, ja dreimal hinter¬
einander Raps, und es gibt Beispiele, daß jedes Jahr von derselben Ferne
dreißig Tonnen Raps auf das Demat (u, 22S Quadratruthen) und darüber
gewonnen worden sind. Weit einträglicher aber ist, namentlich seit zwischen
Tönningen und England eine directe Dampfschiffahrt eingerichtet ist, die Auf¬
zucht von Ochsen, die man mager von jütischen Händlern kauft, spätestens


vier Wochen seine deutschen Gehilfen durch Dänen zu ersetzen. Bitten um
Verlängerung dieser Frist waren fruchtlos. Man dachte jetzt am Ziele zu sein.
Aber Karberg machte, wenn auch mit großen Kosten, das unmöglich Scheinende
möglich, und der Versuch, ihn ohne großes Aussehen los zu werden, war zum
dritten Mal gescheitert.

Da mußte der Amtmann (dessen Eifer in dieser Angelegenheir von bösen
Zungen mit dem Umstand erklärt wird, daß Worsoe ihm verschwägert ist) zu
einem Staatsstreiche greifen, und am 2-1. Februar klebte ein Gerichtsdiener an
das Fenster der Apotheke einen Zettel mit den Worten: „Apotheket er lukkel",
die Apotheke ist geschlossen. Es hieß aus die Beschwerde des Betreffenden ein¬
fach, der König habe sich nicht bewogen gefunden, sein Privilegium zu er¬
neuern. Karberg, der sein Geschäft bis -1860 schuldfrei zu haben hoffte, war
ein Bettler. Er betrug sich aber wie ein Mann, ließ jedem seiner Leute eine
Flasche Wein geben und trank selbst eine, „weil so etwas nicht alle Tage vor¬
komme." Dann supplicirte er, ihm ein Jahr Zeit zum Verkauf der Apotheke
zu lassen oder sie nach vorheriger Taxation durch die Behörde anzukaufen.
Bis Ende Juli halte er noch keine Antwort. Wie diese aber auch beschaffen
sein möge, unter allen Umständen ist sein Fall ein Beispiel, auf welche perfide
Weise man hier die deutsche Gesinnung — denn nur um die Gesinnung han¬
delte es sich — zu verfolgen und zu strafen, mit welchen Mitteln man sich
namentlich der intelligenten und wohlhabenden Deutschen in Schleswig zu ent¬
ledigen bemüht ist.

Südlich von Husum bemerkt man bald, daß man sich in dem gesegneten
Eiderstedt befindet. Die Marsch ist fast ohne Unterbrechung mit dem schönsten
und fettesten Viehe bedeckt, und statt der baumlosen Wiesen des Friesenlandes
erheben sich auf der endlosen grünen Fläche zahllose Baumgruppen, die in dem
bläulichen Dufte der Ferne wie Hügel aussehen, in der Nähe aber zu kleinen
Wäldchen werden, aus denen das hohe, fast pyramidenförmige Dach eines
Haubergs (so nennt man hier die Marschhöse) emporragt. Unter diesen Stroh¬
dächern birgt sich ein unglaublicher Reichthum. Güter im Werthe von sech¬
zig- bis achtzigtausend Thalern sind nichts Ungewöhnliches. Der Boden ist
etwa zu zwei Dritteln Weideland und man findet häufig Weiden, die hundert
Jahre und darüber keinen Pflug gefühlt haben. Werden solche alte Weiden
dann aufgebrochen, so zeigen sie eine ans Fabelhafte grenzende Ergiebigkeit.
In gutes kraftvolles Land säet der Eiderstedter zweimal, ja dreimal hinter¬
einander Raps, und es gibt Beispiele, daß jedes Jahr von derselben Ferne
dreißig Tonnen Raps auf das Demat (u, 22S Quadratruthen) und darüber
gewonnen worden sind. Weit einträglicher aber ist, namentlich seit zwischen
Tönningen und England eine directe Dampfschiffahrt eingerichtet ist, die Auf¬
zucht von Ochsen, die man mager von jütischen Händlern kauft, spätestens


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/503>, abgerufen am 26.08.2024.