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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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müssen. Seit Menschengedenken war es nicht vorgekommen, daß auf ein Ge- '
such um Bestätigung abschläglich beschicken worden wäre. Da kurz nach dem
Regierungsantritt des jetzigen Königs der Krieg ausbrach, wurde die Förm¬
lichkeit unterlassen; als die Dänen aber gesiegt hatten, urgirte man sie und
benutzte dieselbe als Gelegenheit, den Patrioten zu schaden, Dänen an die
Stelle von Deutschen zu bringen, mitunter wol auch, um Vettern und Ge¬
vattern der Beamten auf wohlfeile Weise ein gutes Brot zu verschaffen. So >
in Husum, wo dem Apotheker Paulsen die Bestätigung seines Privilegiums
verweigert und die Apotheke für die Regierung in Anspruch genommen wurde.
Man setzte eine Commission nieder, um das Geschäft zum Behuf der Expro¬
priation zu tariren. Diese Commission bestand aus zwei Sachkundigen, denen
der Medicinalinspector als Obmann vorgesetzt war. Die Sachkundigen schätzten
den Werth der Apotheke auf mehr als 23,000 Thaler. Der Obmann aber,
der das Interesse der Regierung vertrat, erklärte rundweg, sie dürften sie nicht
höher als 17,000 Thaler tariren, da die Negierung unter keiner Bedingung
mehr dafür geben werde. Trotz aller Bemühungen Paniscus, den wirklichen
Werth seines Eigenthums zu erhalten, hatte es dabei sein Bewenden. Ein
Grund für diese Vertreibung aus seinem Besitz unter so ungünstigen Um¬
ständen wurde ihm nicht angegeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es
derselbe, der den Apotheker Karberg in Apenrade zum Bettler machte.

Karbcrg, ein Sonberburger, der früher in Hannover gelebt, zog unter
Christian VIII. nach Apenrade und kaufte hier die Apotheke für circa i3,000
Thaler preußisch, wobei er 20,000 Thaler auf das Privilegium lieh. Während
der Erhebung stand er der Gesinnung nach aus deutscher Seite, konnte sich
aber, da er fortwährend kränkelte, nicht thätlich betheiligen, und war deshalb auch
in die Amnestie eingeschlossen. Die dänische Nachsucht wußte ihn aber auf andere
Weise zu fassen und zu strafen. Zunächst wurde für das Städtchen von 3300
Einwohnern eine.zweite Apotheke concessionirt und ein Däne, Worsoe, mit
dem Privilegium bedacht. Dadurch sollte das Geschäft Karbergs aus die Hälfte
seines Werths herabgebracht werden. Man that von Seiten der Behörde
alles, um jene zweite Apotheke zu heben, wies ihr die öffentlichen Anstalten zu
und ließ die dänischen Aerzte nach Kräften für sie wirken. Das Volk aber
blieb mit dem ihm eignen conservativen Hange in der Mehrzahl bei der alten,
und Worsoe hatte nichts zu thun. Man sah jetzt, daß man die Sache bei
einem andern Henkel anfassen müsse. Die Visitationen wurden, was früher
nie der Fall gewesen, in der Form von Ueberfällen, sehr streng und sehr ge¬
nau abgehalten, aber zum Leidwesen des Physikus sand sich niemals Gelegen¬
heit, ein Monitum zu ertheilen. Als man den Besitzer auch auf diesem Wege
nicht beikommen konnte, gab man ihm -- wahrscheinlich aus Grund des Ver-
sassungsparagraphen von der Gleichberechtigung der Sprachen -- auf, binnen


müssen. Seit Menschengedenken war es nicht vorgekommen, daß auf ein Ge- '
such um Bestätigung abschläglich beschicken worden wäre. Da kurz nach dem
Regierungsantritt des jetzigen Königs der Krieg ausbrach, wurde die Förm¬
lichkeit unterlassen; als die Dänen aber gesiegt hatten, urgirte man sie und
benutzte dieselbe als Gelegenheit, den Patrioten zu schaden, Dänen an die
Stelle von Deutschen zu bringen, mitunter wol auch, um Vettern und Ge¬
vattern der Beamten auf wohlfeile Weise ein gutes Brot zu verschaffen. So >
in Husum, wo dem Apotheker Paulsen die Bestätigung seines Privilegiums
verweigert und die Apotheke für die Regierung in Anspruch genommen wurde.
Man setzte eine Commission nieder, um das Geschäft zum Behuf der Expro¬
priation zu tariren. Diese Commission bestand aus zwei Sachkundigen, denen
der Medicinalinspector als Obmann vorgesetzt war. Die Sachkundigen schätzten
den Werth der Apotheke auf mehr als 23,000 Thaler. Der Obmann aber,
der das Interesse der Regierung vertrat, erklärte rundweg, sie dürften sie nicht
höher als 17,000 Thaler tariren, da die Negierung unter keiner Bedingung
mehr dafür geben werde. Trotz aller Bemühungen Paniscus, den wirklichen
Werth seines Eigenthums zu erhalten, hatte es dabei sein Bewenden. Ein
Grund für diese Vertreibung aus seinem Besitz unter so ungünstigen Um¬
ständen wurde ihm nicht angegeben. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es
derselbe, der den Apotheker Karberg in Apenrade zum Bettler machte.

Karbcrg, ein Sonberburger, der früher in Hannover gelebt, zog unter
Christian VIII. nach Apenrade und kaufte hier die Apotheke für circa i3,000
Thaler preußisch, wobei er 20,000 Thaler auf das Privilegium lieh. Während
der Erhebung stand er der Gesinnung nach aus deutscher Seite, konnte sich
aber, da er fortwährend kränkelte, nicht thätlich betheiligen, und war deshalb auch
in die Amnestie eingeschlossen. Die dänische Nachsucht wußte ihn aber auf andere
Weise zu fassen und zu strafen. Zunächst wurde für das Städtchen von 3300
Einwohnern eine.zweite Apotheke concessionirt und ein Däne, Worsoe, mit
dem Privilegium bedacht. Dadurch sollte das Geschäft Karbergs aus die Hälfte
seines Werths herabgebracht werden. Man that von Seiten der Behörde
alles, um jene zweite Apotheke zu heben, wies ihr die öffentlichen Anstalten zu
und ließ die dänischen Aerzte nach Kräften für sie wirken. Das Volk aber
blieb mit dem ihm eignen conservativen Hange in der Mehrzahl bei der alten,
und Worsoe hatte nichts zu thun. Man sah jetzt, daß man die Sache bei
einem andern Henkel anfassen müsse. Die Visitationen wurden, was früher
nie der Fall gewesen, in der Form von Ueberfällen, sehr streng und sehr ge¬
nau abgehalten, aber zum Leidwesen des Physikus sand sich niemals Gelegen¬
heit, ein Monitum zu ertheilen. Als man den Besitzer auch auf diesem Wege
nicht beikommen konnte, gab man ihm — wahrscheinlich aus Grund des Ver-
sassungsparagraphen von der Gleichberechtigung der Sprachen — auf, binnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/502>, abgerufen am 23.07.2024.