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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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duckt wurde, nachdem der Propst Ahlmann, lange gequält und als Werkzeug
in den Händen der Dänen mißbraucht, am 1. Januar -I8S3 seine Entlassung
bekommen hatte und ohne Abschied von der Gemeinde und ohne seine Kinder
confirmiren zu dürfen ausscheiden mußte. Dieser Propst Tiedemand, der
deutscher Hauptprediger in Tondern ist, hat nichtsdestoweniger nicht nur selbst
die wenigen Kinder, die er hatte, zu Ostern d> I. in dänischer Sprache con-
firmirt, sondern dem Diaconus, Pastor Carstens am ersten Tage, als seine
Kinder zum Consirmationsunterricht bei ihm versammelt waren, den deutschen
Confirmationsunterricht untersagt. Vergebens wandten sich die Eltern an die
Nisitatoren, den Bischof, das Ministerium, den König um Erlaubniß die Kin¬
der deutsch vorbereiten und confirmiren zu lassen, Kinder, die immer deutschen
Unterricht gehabt hatten. Am 22, April vorigen Jahres mußte Pastor Carstens
seine Confirmationshandlung, selbst die Einsegnung, in dänischer Sprache vor¬
nehmen, nachdem der dänische Archidiaconus Dahl vorher eine dänische Pre¬
digt voller Anzüglichkeiten gehalten hatte.

Um Ostern wurden die beiden letzten deutschen Lehrer, Küster Claussen und
Cantor Nissen, ihres Amts entlassen und ihre Stellen mit Dänen besetzt. Ein
Jahr vorher nahm man Nissen in seiner Schule, der Mädchenschule, die bis
dahin rein deutsch geblieben war, da Nissen kein Dänisch kann, den Religions¬
unterricht, und die Mädchen wurden nun urplötzlich in dänischer Sprache in der
Religion unterrichtet. Viele behielten ihre Kinder in diesen Stunden zu Hause;
man wandte sich an den Schulinspector Pastor Dahl und dieser war damit ein¬
verstanden, daß die Eltern für anderweitigen Religionsunterricht in deutscher
Sprache selbst sorgen möchten; dessenungeachtet wies er die Mädchen, welche
infolge dessen den dänischen Religionsunterricht nicht mithalten, im Mai 18Si
aus der Schule, die sie weinend verließen und gab den über dieses Benehmen
Rechenschaft fordernden Eltern die Antwort, eS seien Umstände vorhanden, die
eS nicht gestatteten, welche, sagte er nicht.

Der Privatunterricht wird nicht gestattet. Am 16. Januar schloß
man dem Kandidaten Meyer, jetzigem Prediger einer, deutschen Gemeinde zu
Camberwell bei London, seine im besten Gange befindliche Privatschule, weil
er nicht dänisch unterrichtete. Der frühere, jetzt pensionirte Elementarlehrer
Jespcrsen und der Privatlehrer Wildenrcidt dürfen nur eine bestimmte Schüler-
zahl haben und sind überdies gehalten, außer den Religionsstunden, .die un¬
weigerlich dänisch sein müssen, noch viele andere Stunden in dänischer Sprache
zu geben. Dem entlassenen Lehrer und Küster Claussen ist jeglicher Privatunter¬
richt verboten worden. -- Am 1. und 2. August vorigen Jahres hielt Bischof
Bochen Generalvisitation in Tondern ab. In den Schulen befahl er freilich
den Lehrern, in den vier' deutschen Stunden, welche den Kindern von den
früheren dreißig in der Woche geblieben sind, nur deutsch zu sprechen. Der


duckt wurde, nachdem der Propst Ahlmann, lange gequält und als Werkzeug
in den Händen der Dänen mißbraucht, am 1. Januar -I8S3 seine Entlassung
bekommen hatte und ohne Abschied von der Gemeinde und ohne seine Kinder
confirmiren zu dürfen ausscheiden mußte. Dieser Propst Tiedemand, der
deutscher Hauptprediger in Tondern ist, hat nichtsdestoweniger nicht nur selbst
die wenigen Kinder, die er hatte, zu Ostern d> I. in dänischer Sprache con-
firmirt, sondern dem Diaconus, Pastor Carstens am ersten Tage, als seine
Kinder zum Consirmationsunterricht bei ihm versammelt waren, den deutschen
Confirmationsunterricht untersagt. Vergebens wandten sich die Eltern an die
Nisitatoren, den Bischof, das Ministerium, den König um Erlaubniß die Kin¬
der deutsch vorbereiten und confirmiren zu lassen, Kinder, die immer deutschen
Unterricht gehabt hatten. Am 22, April vorigen Jahres mußte Pastor Carstens
seine Confirmationshandlung, selbst die Einsegnung, in dänischer Sprache vor¬
nehmen, nachdem der dänische Archidiaconus Dahl vorher eine dänische Pre¬
digt voller Anzüglichkeiten gehalten hatte.

Um Ostern wurden die beiden letzten deutschen Lehrer, Küster Claussen und
Cantor Nissen, ihres Amts entlassen und ihre Stellen mit Dänen besetzt. Ein
Jahr vorher nahm man Nissen in seiner Schule, der Mädchenschule, die bis
dahin rein deutsch geblieben war, da Nissen kein Dänisch kann, den Religions¬
unterricht, und die Mädchen wurden nun urplötzlich in dänischer Sprache in der
Religion unterrichtet. Viele behielten ihre Kinder in diesen Stunden zu Hause;
man wandte sich an den Schulinspector Pastor Dahl und dieser war damit ein¬
verstanden, daß die Eltern für anderweitigen Religionsunterricht in deutscher
Sprache selbst sorgen möchten; dessenungeachtet wies er die Mädchen, welche
infolge dessen den dänischen Religionsunterricht nicht mithalten, im Mai 18Si
aus der Schule, die sie weinend verließen und gab den über dieses Benehmen
Rechenschaft fordernden Eltern die Antwort, eS seien Umstände vorhanden, die
eS nicht gestatteten, welche, sagte er nicht.

Der Privatunterricht wird nicht gestattet. Am 16. Januar schloß
man dem Kandidaten Meyer, jetzigem Prediger einer, deutschen Gemeinde zu
Camberwell bei London, seine im besten Gange befindliche Privatschule, weil
er nicht dänisch unterrichtete. Der frühere, jetzt pensionirte Elementarlehrer
Jespcrsen und der Privatlehrer Wildenrcidt dürfen nur eine bestimmte Schüler-
zahl haben und sind überdies gehalten, außer den Religionsstunden, .die un¬
weigerlich dänisch sein müssen, noch viele andere Stunden in dänischer Sprache
zu geben. Dem entlassenen Lehrer und Küster Claussen ist jeglicher Privatunter¬
richt verboten worden. — Am 1. und 2. August vorigen Jahres hielt Bischof
Bochen Generalvisitation in Tondern ab. In den Schulen befahl er freilich
den Lehrern, in den vier' deutschen Stunden, welche den Kindern von den
früheren dreißig in der Woche geblieben sind, nur deutsch zu sprechen. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/478>, abgerufen am 23.07.2024.