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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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entschieden gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache sind. Man ist zu
praktisch, um nicht zu wissen, paß die Kinder mit der deutschen Sprache durch die
halbe Welt, mit der dänischen nicht einmal bis Hamburg kommen können. Sie
nach Dänemark zu schicken, fällt niemandem im Traume ein. Selbst die dä¬
nisch Gesinnten wissen, daß dort nichts zu holen ist.

Bei diesem Vorwalten, ja bei dieser Ausschließlichkeit deutschen Sinnes
und deutscher Bildung in Tondern ist es nicht zu verwundern, daß die Stadt
im Kampfe gegen das vordringende Dänenthum sich wacker gezeigt, aber auch
viel hat leiden müssen.

Als im Juli 18S0 die dänische Armee vorrückte, flohen die Beamten alle
aus der Stadt/ Nur die beiden deutschen Advocaten Bargum und Jürgensen
blieben. Nach dem Einzug, der Dänen wurde, der alte vormalige Hardesvogt,
Justizrath Dröhse, der für einen Anhänger des dänischen Königshauses galt,
mit den Geschäften des Bürgermeisters und Stadtsecretärs betraut; für die
erecutive Polizei in Stadt und Amt ein früherer Rathsdiener aus Sonderburg
constituirt, während der Amtmann, Graf Arthur Nvventlow-lSandberg) das
Oberdirectorium hatte. Diese beiden, geborne Schleswig-Hvlsteiner, traten so¬
gleich im dänischen Sinn und Geiste auf und eine der ersten Maßregeln war,
daß den Nachtwandlern befohlen wurde, die Stunden auf dänisch abzurufen.
Man hatte daS in Tondern nie früher gehört und die ganze Bevölkerung war
darüber indignirt. Man meinte, wo noch alles deutsch wäre in Verwaltung
und Justiz, müßten die Nachtwächter auch wie bisher deutsch rufen. Der
Magistrat, Justizrath Dröhse, in dem man, waS die Danisirung betraf, sich
auf dänischer Seite völlig getäuscht hatte, an der Spitze, remonstrirte energisch
dagegen, bekam aber die Weisung, sich nicht um Dinge zu bekümmern, die
ihn nichts angingen. Der Polizeimeister schaltete nun, wie plötzlich empor¬
gekommene Leute zu thun pflegen, mit seinen vielen Polizeidienern, die zum
großen Theil aus der bekannten Schraderschen Schaar in Flensburg hergenom¬
men waren, auf das brutalste. Man dudelte Stadt und Nachbarschaft mit
unaufhörlichen Haussuchungen, die bald nach deutschen Fahnen und Erinne¬
rungen an die Erhebung, bald nach ungestempelten Maßen und Gewichten,
bald nach Waaren, welche gewisse Kaufleute hier nicht führen dürfen, stets
aber mit der Absicht, sich als Herr und Gebieter zu zeigen und sich nebenbei
Strafgelder zu verdienen, angestellt wurden. Man verurtheilte und strafte in
einer bis dahin unerhörten Weise und man brachte es mit diesem Verfahren
zu einer solchen Erbitterung der Bürger, daß die Oberbehörde nicht umhin
konnte, einzuschreiten. Am Is. Mai hörte sein Regiment auf. Moltke
bot ihm seine Gerichtsdienerstelle in Sonderburg wieder an; er wollte sie aber
nicht haben. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht, er gehört zu den
Abgegenutzten und ist eine gefallene Größe.


entschieden gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache sind. Man ist zu
praktisch, um nicht zu wissen, paß die Kinder mit der deutschen Sprache durch die
halbe Welt, mit der dänischen nicht einmal bis Hamburg kommen können. Sie
nach Dänemark zu schicken, fällt niemandem im Traume ein. Selbst die dä¬
nisch Gesinnten wissen, daß dort nichts zu holen ist.

Bei diesem Vorwalten, ja bei dieser Ausschließlichkeit deutschen Sinnes
und deutscher Bildung in Tondern ist es nicht zu verwundern, daß die Stadt
im Kampfe gegen das vordringende Dänenthum sich wacker gezeigt, aber auch
viel hat leiden müssen.

Als im Juli 18S0 die dänische Armee vorrückte, flohen die Beamten alle
aus der Stadt/ Nur die beiden deutschen Advocaten Bargum und Jürgensen
blieben. Nach dem Einzug, der Dänen wurde, der alte vormalige Hardesvogt,
Justizrath Dröhse, der für einen Anhänger des dänischen Königshauses galt,
mit den Geschäften des Bürgermeisters und Stadtsecretärs betraut; für die
erecutive Polizei in Stadt und Amt ein früherer Rathsdiener aus Sonderburg
constituirt, während der Amtmann, Graf Arthur Nvventlow-lSandberg) das
Oberdirectorium hatte. Diese beiden, geborne Schleswig-Hvlsteiner, traten so¬
gleich im dänischen Sinn und Geiste auf und eine der ersten Maßregeln war,
daß den Nachtwandlern befohlen wurde, die Stunden auf dänisch abzurufen.
Man hatte daS in Tondern nie früher gehört und die ganze Bevölkerung war
darüber indignirt. Man meinte, wo noch alles deutsch wäre in Verwaltung
und Justiz, müßten die Nachtwächter auch wie bisher deutsch rufen. Der
Magistrat, Justizrath Dröhse, in dem man, waS die Danisirung betraf, sich
auf dänischer Seite völlig getäuscht hatte, an der Spitze, remonstrirte energisch
dagegen, bekam aber die Weisung, sich nicht um Dinge zu bekümmern, die
ihn nichts angingen. Der Polizeimeister schaltete nun, wie plötzlich empor¬
gekommene Leute zu thun pflegen, mit seinen vielen Polizeidienern, die zum
großen Theil aus der bekannten Schraderschen Schaar in Flensburg hergenom¬
men waren, auf das brutalste. Man dudelte Stadt und Nachbarschaft mit
unaufhörlichen Haussuchungen, die bald nach deutschen Fahnen und Erinne¬
rungen an die Erhebung, bald nach ungestempelten Maßen und Gewichten,
bald nach Waaren, welche gewisse Kaufleute hier nicht führen dürfen, stets
aber mit der Absicht, sich als Herr und Gebieter zu zeigen und sich nebenbei
Strafgelder zu verdienen, angestellt wurden. Man verurtheilte und strafte in
einer bis dahin unerhörten Weise und man brachte es mit diesem Verfahren
zu einer solchen Erbitterung der Bürger, daß die Oberbehörde nicht umhin
konnte, einzuschreiten. Am Is. Mai hörte sein Regiment auf. Moltke
bot ihm seine Gerichtsdienerstelle in Sonderburg wieder an; er wollte sie aber
nicht haben. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht, er gehört zu den
Abgegenutzten und ist eine gefallene Größe.


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[0472] entschieden gegen die dänische Kirchen- und Schulsprache sind. Man ist zu praktisch, um nicht zu wissen, paß die Kinder mit der deutschen Sprache durch die halbe Welt, mit der dänischen nicht einmal bis Hamburg kommen können. Sie nach Dänemark zu schicken, fällt niemandem im Traume ein. Selbst die dä¬ nisch Gesinnten wissen, daß dort nichts zu holen ist. Bei diesem Vorwalten, ja bei dieser Ausschließlichkeit deutschen Sinnes und deutscher Bildung in Tondern ist es nicht zu verwundern, daß die Stadt im Kampfe gegen das vordringende Dänenthum sich wacker gezeigt, aber auch viel hat leiden müssen. Als im Juli 18S0 die dänische Armee vorrückte, flohen die Beamten alle aus der Stadt/ Nur die beiden deutschen Advocaten Bargum und Jürgensen blieben. Nach dem Einzug, der Dänen wurde, der alte vormalige Hardesvogt, Justizrath Dröhse, der für einen Anhänger des dänischen Königshauses galt, mit den Geschäften des Bürgermeisters und Stadtsecretärs betraut; für die erecutive Polizei in Stadt und Amt ein früherer Rathsdiener aus Sonderburg constituirt, während der Amtmann, Graf Arthur Nvventlow-lSandberg) das Oberdirectorium hatte. Diese beiden, geborne Schleswig-Hvlsteiner, traten so¬ gleich im dänischen Sinn und Geiste auf und eine der ersten Maßregeln war, daß den Nachtwandlern befohlen wurde, die Stunden auf dänisch abzurufen. Man hatte daS in Tondern nie früher gehört und die ganze Bevölkerung war darüber indignirt. Man meinte, wo noch alles deutsch wäre in Verwaltung und Justiz, müßten die Nachtwächter auch wie bisher deutsch rufen. Der Magistrat, Justizrath Dröhse, in dem man, waS die Danisirung betraf, sich auf dänischer Seite völlig getäuscht hatte, an der Spitze, remonstrirte energisch dagegen, bekam aber die Weisung, sich nicht um Dinge zu bekümmern, die ihn nichts angingen. Der Polizeimeister schaltete nun, wie plötzlich empor¬ gekommene Leute zu thun pflegen, mit seinen vielen Polizeidienern, die zum großen Theil aus der bekannten Schraderschen Schaar in Flensburg hergenom¬ men waren, auf das brutalste. Man dudelte Stadt und Nachbarschaft mit unaufhörlichen Haussuchungen, die bald nach deutschen Fahnen und Erinne¬ rungen an die Erhebung, bald nach ungestempelten Maßen und Gewichten, bald nach Waaren, welche gewisse Kaufleute hier nicht führen dürfen, stets aber mit der Absicht, sich als Herr und Gebieter zu zeigen und sich nebenbei Strafgelder zu verdienen, angestellt wurden. Man verurtheilte und strafte in einer bis dahin unerhörten Weise und man brachte es mit diesem Verfahren zu einer solchen Erbitterung der Bürger, daß die Oberbehörde nicht umhin konnte, einzuschreiten. Am Is. Mai hörte sein Regiment auf. Moltke bot ihm seine Gerichtsdienerstelle in Sonderburg wieder an; er wollte sie aber nicht haben. Was aus ihm geworden ist, weiß ich nicht, er gehört zu den Abgegenutzten und ist eine gefallene Größe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/472>, abgerufen am 23.07.2024.