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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Denn so unheilbar kann auf Erden
Niemals ein Narr gefunden werden,
Als wenn ein Mensch das that und sagte,
Was Alles er zu denken wagte.
Drum, ob im Tollhaus Wen'ge sind,
Sind toll doch Alle, die ich find:
Sieht man das Innre nackt und bloß,
Sind all wir Narren, Klein und Groß.

Ferner haben wir noch anzuführen die zweite Ausgabe von: von ('ar-
los. 'Iraxöo!!e kr> o!ne> aotes et vers imilvo 6"z Leliillsr par ^MLclvc;
et<z la Koü85izUere. vssosr. -- Die vortreffliche Bearbeitung haben
wir schon bei der ersten Ausgabe anerkannt. -- Sodann eine Uebersetzung der
Voltaireschen Zaire von Theodor Ruoff. Frankfurt a. M. Literarische An¬
stalt, in fünffüßigen Jamben. -- Ferner zwei neue Uebersetzungen von Edmund
Lobedanz (Leipzig, Brockhaus), dem geschickten Uebersetzer der Sakuntala:
Antigone von Sophokles, und Romeo von Shakespeare. In beiden war
das Hauptstreben des Verfassers, ein reines poetisches Deutsch hervorzubringen.
Er hat das Bestreben erreicht, so daß sich die beiden Gedichte wie deutsche
Originalwerke lesen, freilich nicht selten mit Aufopferung des charakteristischen
Moments.




Briefe ans Schleswig-Holstein.
Die Städte der Friesen.

Eine Wanderung von der Widaue bis zur Eider gewährt nicht eben schöne,
aber doch manche interessante Bilder. Die Marschen sind unleugbar einförmig,
und man muß es verstehen, sich Abwechslung in die Scene zu bringen, wenn
man es nicht vorzieht, rasch wieder über die Haide nach dem anmurhigen Osten
zu fliehen. Der Weg auf den Haffdeichen ist aus die Dauer langweilig und
nicht immer zu bewerkstelligen. Das Meer bei steigender Flut ist sicher ein
großartiger Anblick, es aber unaufhörlich neben sich haben, erst in schlammigen
Lachen, dann in einer unabsehbaren schiefergrauen Fläche ohne irgend welche
andere Farbe, wirkt ebenso abspannend als die Einöden der Haide. Auch die
Marschen selbst können nur auf kurze Zeit durch ihre eigenthümliche Natur
fesseln. Der fette Weizen, das fette Gras, die fetten Slaven, die fetten Rinder,
die fetten Menschen ersticken allmälig alles Denken und Empfinden im Be¬
griffe des Felder. Ein Marschhof sieht so ziemlich wie der andere aus. Der
Mangel an Wald und die Ebenheit des Bodens gestattet weite Aussichten,


Denn so unheilbar kann auf Erden
Niemals ein Narr gefunden werden,
Als wenn ein Mensch das that und sagte,
Was Alles er zu denken wagte.
Drum, ob im Tollhaus Wen'ge sind,
Sind toll doch Alle, die ich find:
Sieht man das Innre nackt und bloß,
Sind all wir Narren, Klein und Groß.

Ferner haben wir noch anzuführen die zweite Ausgabe von: von ('ar-
los. 'Iraxöo!!e kr> o!ne> aotes et vers imilvo 6«z Leliillsr par ^MLclvc;
et<z la Koü85izUere. vssosr. — Die vortreffliche Bearbeitung haben
wir schon bei der ersten Ausgabe anerkannt. — Sodann eine Uebersetzung der
Voltaireschen Zaire von Theodor Ruoff. Frankfurt a. M. Literarische An¬
stalt, in fünffüßigen Jamben. — Ferner zwei neue Uebersetzungen von Edmund
Lobedanz (Leipzig, Brockhaus), dem geschickten Uebersetzer der Sakuntala:
Antigone von Sophokles, und Romeo von Shakespeare. In beiden war
das Hauptstreben des Verfassers, ein reines poetisches Deutsch hervorzubringen.
Er hat das Bestreben erreicht, so daß sich die beiden Gedichte wie deutsche
Originalwerke lesen, freilich nicht selten mit Aufopferung des charakteristischen
Moments.




Briefe ans Schleswig-Holstein.
Die Städte der Friesen.

Eine Wanderung von der Widaue bis zur Eider gewährt nicht eben schöne,
aber doch manche interessante Bilder. Die Marschen sind unleugbar einförmig,
und man muß es verstehen, sich Abwechslung in die Scene zu bringen, wenn
man es nicht vorzieht, rasch wieder über die Haide nach dem anmurhigen Osten
zu fliehen. Der Weg auf den Haffdeichen ist aus die Dauer langweilig und
nicht immer zu bewerkstelligen. Das Meer bei steigender Flut ist sicher ein
großartiger Anblick, es aber unaufhörlich neben sich haben, erst in schlammigen
Lachen, dann in einer unabsehbaren schiefergrauen Fläche ohne irgend welche
andere Farbe, wirkt ebenso abspannend als die Einöden der Haide. Auch die
Marschen selbst können nur auf kurze Zeit durch ihre eigenthümliche Natur
fesseln. Der fette Weizen, das fette Gras, die fetten Slaven, die fetten Rinder,
die fetten Menschen ersticken allmälig alles Denken und Empfinden im Be¬
griffe des Felder. Ein Marschhof sieht so ziemlich wie der andere aus. Der
Mangel an Wald und die Ebenheit des Bodens gestattet weite Aussichten,


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[0469] Denn so unheilbar kann auf Erden Niemals ein Narr gefunden werden, Als wenn ein Mensch das that und sagte, Was Alles er zu denken wagte. Drum, ob im Tollhaus Wen'ge sind, Sind toll doch Alle, die ich find: Sieht man das Innre nackt und bloß, Sind all wir Narren, Klein und Groß. Ferner haben wir noch anzuführen die zweite Ausgabe von: von ('ar- los. 'Iraxöo!!e kr> o!ne> aotes et vers imilvo 6«z Leliillsr par ^MLclvc; et<z la Koü85izUere. vssosr. — Die vortreffliche Bearbeitung haben wir schon bei der ersten Ausgabe anerkannt. — Sodann eine Uebersetzung der Voltaireschen Zaire von Theodor Ruoff. Frankfurt a. M. Literarische An¬ stalt, in fünffüßigen Jamben. — Ferner zwei neue Uebersetzungen von Edmund Lobedanz (Leipzig, Brockhaus), dem geschickten Uebersetzer der Sakuntala: Antigone von Sophokles, und Romeo von Shakespeare. In beiden war das Hauptstreben des Verfassers, ein reines poetisches Deutsch hervorzubringen. Er hat das Bestreben erreicht, so daß sich die beiden Gedichte wie deutsche Originalwerke lesen, freilich nicht selten mit Aufopferung des charakteristischen Moments. Briefe ans Schleswig-Holstein. Die Städte der Friesen. Eine Wanderung von der Widaue bis zur Eider gewährt nicht eben schöne, aber doch manche interessante Bilder. Die Marschen sind unleugbar einförmig, und man muß es verstehen, sich Abwechslung in die Scene zu bringen, wenn man es nicht vorzieht, rasch wieder über die Haide nach dem anmurhigen Osten zu fliehen. Der Weg auf den Haffdeichen ist aus die Dauer langweilig und nicht immer zu bewerkstelligen. Das Meer bei steigender Flut ist sicher ein großartiger Anblick, es aber unaufhörlich neben sich haben, erst in schlammigen Lachen, dann in einer unabsehbaren schiefergrauen Fläche ohne irgend welche andere Farbe, wirkt ebenso abspannend als die Einöden der Haide. Auch die Marschen selbst können nur auf kurze Zeit durch ihre eigenthümliche Natur fesseln. Der fette Weizen, das fette Gras, die fetten Slaven, die fetten Rinder, die fetten Menschen ersticken allmälig alles Denken und Empfinden im Be¬ griffe des Felder. Ein Marschhof sieht so ziemlich wie der andere aus. Der Mangel an Wald und die Ebenheit des Bodens gestattet weite Aussichten,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/469>, abgerufen am 23.07.2024.