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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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Oper kommt Don Juan auf seinen Streifzügen an das Standbild des er¬
schlagenen Comthurs. Die Inschrift erbittert ihn, er greift dem Standbild
an den Bart und ladet es zum Essen ein, um dort die Rache auszumachen.
Die Erscheinung des Comthurs beim Gastmahl ist wie in der Oper. Leporello,
oder wie er hier heißt, Catälinon, macht viele unnütze Späße, zuletzt läßt der
Comthur die Tafel abräumen, bleibt mit Don Juan allein und läßt sich von
ihm. das Ehrenwort geben, noch in derselben Nacht in seiner Gruftkapelle zum
Abendessen zu erscheinen. Don Juan ist echter Cavalier und ohne Furcht.
Er geht Nachts in die Kirche, der Comthur empfängt ihn und kann sich nicht
erwehren, seinem Muth Anerkennung zu zollen. Die Gerichte, die aufgetragen
werden, sind sonderbarer Art: eine Schüssel Scorpionen und Vipern, dazu
wird Essig und Galle getrunken. Zum Schluß muß Don Juan dem Comthur
die Hand geben und wird durch sie verbrannt. Zu spät verlangt er einen
Priester, um zu beichten. -- Das zweite Stück ist ein Lustspiel von Lope de
Vega: Das'Unmöglichste von Allen. In einem witzigen Ncithselspiel am Hof
wird darüber debattirt, was auf der Welt das Unmöglichste sei. Man kommt
zu dem Resultat, es sei, ein Weib wider ihren Willen zu hüten. Ein Edel-
man, der die Ehre seiner Schwester zu vertreten hat, wettet dagegen und ver¬
liert die Wette. Das Stück ist in einer sehr übermüthigen Laune abgefaßt,
sämmtliche Personen geben der übermüthigen Dame, die den pedantischen Bruder
betrügt, Recht, und ganz gegen die Art und Weise Calderons werden die Anstren¬
gungen des letztern, das Gesetz der Ehre aufrecht zu halten, gradezu lächerlich ge¬
macht. -- Außerdem enthält die Sammlung noch ein Frohnleichnamsstück von
Calderon: Das Festmahl des Belsazar. Bekanntlich spielten die Hauptrollen in
diesen Stücken allegorische Figuren. König Belsazar vermählt sich mit zwei Frauen,
der Eitelkeit und der Abgötterei. Der Prophet Daniel bedroht ihn mit Gottes
Strafe, der Tod, als junger Ritter gekleidet, verspricht diese Drohung auszuführen
und zeigt dem König einen Schuldschein vor, daß er in Sünden empfangen sei
und daß er sein Leben dem Tode zu zahlen habe. Als Zeugen sind unterschrieben
Adam, David und Hiob. Allein der Mahnbrief wird von der Eitelkeit zerrissen.
Im Traum erscheint dem König das bekannte Standbild mit thönernen Füßen
und bedroht ihn aufs neue; auch diesmal ohne Erfolg. Der König setzt sich
zum Gastmahl und trinkt aus den heiligen Gefäßen. Der Tod, als Lakai ge¬
kleidet, gießt ihm ein Getränk ein, aus Lebenssaft und Gift gemischt. Gleich¬
zeitig erscheinen die bekannten drei Worte mit flammender Schrift an der Wand.
Daniel legt sie aus und der Tod verrichtet sein Schavfrichteramt. Charakte¬
ristisch ist die komische Figur des Stücks, keine geringere, als der Gedanke, der
als vollkommener Narr das Recht hat, vorlaut und frech zu sein. Sein Kleid
ist aus verschiedenen Lappen zusammengesetzt und schillert in den buntesten
Farben, aus denen man den Grundton nicht herauserkennt.


Oper kommt Don Juan auf seinen Streifzügen an das Standbild des er¬
schlagenen Comthurs. Die Inschrift erbittert ihn, er greift dem Standbild
an den Bart und ladet es zum Essen ein, um dort die Rache auszumachen.
Die Erscheinung des Comthurs beim Gastmahl ist wie in der Oper. Leporello,
oder wie er hier heißt, Catälinon, macht viele unnütze Späße, zuletzt läßt der
Comthur die Tafel abräumen, bleibt mit Don Juan allein und läßt sich von
ihm. das Ehrenwort geben, noch in derselben Nacht in seiner Gruftkapelle zum
Abendessen zu erscheinen. Don Juan ist echter Cavalier und ohne Furcht.
Er geht Nachts in die Kirche, der Comthur empfängt ihn und kann sich nicht
erwehren, seinem Muth Anerkennung zu zollen. Die Gerichte, die aufgetragen
werden, sind sonderbarer Art: eine Schüssel Scorpionen und Vipern, dazu
wird Essig und Galle getrunken. Zum Schluß muß Don Juan dem Comthur
die Hand geben und wird durch sie verbrannt. Zu spät verlangt er einen
Priester, um zu beichten. — Das zweite Stück ist ein Lustspiel von Lope de
Vega: Das'Unmöglichste von Allen. In einem witzigen Ncithselspiel am Hof
wird darüber debattirt, was auf der Welt das Unmöglichste sei. Man kommt
zu dem Resultat, es sei, ein Weib wider ihren Willen zu hüten. Ein Edel-
man, der die Ehre seiner Schwester zu vertreten hat, wettet dagegen und ver¬
liert die Wette. Das Stück ist in einer sehr übermüthigen Laune abgefaßt,
sämmtliche Personen geben der übermüthigen Dame, die den pedantischen Bruder
betrügt, Recht, und ganz gegen die Art und Weise Calderons werden die Anstren¬
gungen des letztern, das Gesetz der Ehre aufrecht zu halten, gradezu lächerlich ge¬
macht. — Außerdem enthält die Sammlung noch ein Frohnleichnamsstück von
Calderon: Das Festmahl des Belsazar. Bekanntlich spielten die Hauptrollen in
diesen Stücken allegorische Figuren. König Belsazar vermählt sich mit zwei Frauen,
der Eitelkeit und der Abgötterei. Der Prophet Daniel bedroht ihn mit Gottes
Strafe, der Tod, als junger Ritter gekleidet, verspricht diese Drohung auszuführen
und zeigt dem König einen Schuldschein vor, daß er in Sünden empfangen sei
und daß er sein Leben dem Tode zu zahlen habe. Als Zeugen sind unterschrieben
Adam, David und Hiob. Allein der Mahnbrief wird von der Eitelkeit zerrissen.
Im Traum erscheint dem König das bekannte Standbild mit thönernen Füßen
und bedroht ihn aufs neue; auch diesmal ohne Erfolg. Der König setzt sich
zum Gastmahl und trinkt aus den heiligen Gefäßen. Der Tod, als Lakai ge¬
kleidet, gießt ihm ein Getränk ein, aus Lebenssaft und Gift gemischt. Gleich¬
zeitig erscheinen die bekannten drei Worte mit flammender Schrift an der Wand.
Daniel legt sie aus und der Tod verrichtet sein Schavfrichteramt. Charakte¬
ristisch ist die komische Figur des Stücks, keine geringere, als der Gedanke, der
als vollkommener Narr das Recht hat, vorlaut und frech zu sein. Sein Kleid
ist aus verschiedenen Lappen zusammengesetzt und schillert in den buntesten
Farben, aus denen man den Grundton nicht herauserkennt.


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[0468] Oper kommt Don Juan auf seinen Streifzügen an das Standbild des er¬ schlagenen Comthurs. Die Inschrift erbittert ihn, er greift dem Standbild an den Bart und ladet es zum Essen ein, um dort die Rache auszumachen. Die Erscheinung des Comthurs beim Gastmahl ist wie in der Oper. Leporello, oder wie er hier heißt, Catälinon, macht viele unnütze Späße, zuletzt läßt der Comthur die Tafel abräumen, bleibt mit Don Juan allein und läßt sich von ihm. das Ehrenwort geben, noch in derselben Nacht in seiner Gruftkapelle zum Abendessen zu erscheinen. Don Juan ist echter Cavalier und ohne Furcht. Er geht Nachts in die Kirche, der Comthur empfängt ihn und kann sich nicht erwehren, seinem Muth Anerkennung zu zollen. Die Gerichte, die aufgetragen werden, sind sonderbarer Art: eine Schüssel Scorpionen und Vipern, dazu wird Essig und Galle getrunken. Zum Schluß muß Don Juan dem Comthur die Hand geben und wird durch sie verbrannt. Zu spät verlangt er einen Priester, um zu beichten. — Das zweite Stück ist ein Lustspiel von Lope de Vega: Das'Unmöglichste von Allen. In einem witzigen Ncithselspiel am Hof wird darüber debattirt, was auf der Welt das Unmöglichste sei. Man kommt zu dem Resultat, es sei, ein Weib wider ihren Willen zu hüten. Ein Edel- man, der die Ehre seiner Schwester zu vertreten hat, wettet dagegen und ver¬ liert die Wette. Das Stück ist in einer sehr übermüthigen Laune abgefaßt, sämmtliche Personen geben der übermüthigen Dame, die den pedantischen Bruder betrügt, Recht, und ganz gegen die Art und Weise Calderons werden die Anstren¬ gungen des letztern, das Gesetz der Ehre aufrecht zu halten, gradezu lächerlich ge¬ macht. — Außerdem enthält die Sammlung noch ein Frohnleichnamsstück von Calderon: Das Festmahl des Belsazar. Bekanntlich spielten die Hauptrollen in diesen Stücken allegorische Figuren. König Belsazar vermählt sich mit zwei Frauen, der Eitelkeit und der Abgötterei. Der Prophet Daniel bedroht ihn mit Gottes Strafe, der Tod, als junger Ritter gekleidet, verspricht diese Drohung auszuführen und zeigt dem König einen Schuldschein vor, daß er in Sünden empfangen sei und daß er sein Leben dem Tode zu zahlen habe. Als Zeugen sind unterschrieben Adam, David und Hiob. Allein der Mahnbrief wird von der Eitelkeit zerrissen. Im Traum erscheint dem König das bekannte Standbild mit thönernen Füßen und bedroht ihn aufs neue; auch diesmal ohne Erfolg. Der König setzt sich zum Gastmahl und trinkt aus den heiligen Gefäßen. Der Tod, als Lakai ge¬ kleidet, gießt ihm ein Getränk ein, aus Lebenssaft und Gift gemischt. Gleich¬ zeitig erscheinen die bekannten drei Worte mit flammender Schrift an der Wand. Daniel legt sie aus und der Tod verrichtet sein Schavfrichteramt. Charakte¬ ristisch ist die komische Figur des Stücks, keine geringere, als der Gedanke, der als vollkommener Narr das Recht hat, vorlaut und frech zu sein. Sein Kleid ist aus verschiedenen Lappen zusammengesetzt und schillert in den buntesten Farben, aus denen man den Grundton nicht herauserkennt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/468>, abgerufen am 25.08.2024.