Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ersten Act vergehen drei Jahre. Zu unserm höchsten Erstaunen finden wir
Lota als Marquise von Montero wieder. Ihre vertraute Zofe bittet sie im Auf¬
trage des Publicums, sich darüber zu erklären, sie erzählt, daß bald nach der
Abreise ihres Bräutigams ihr Vater gestorben sei, der interessante Mar¬
quis sei ihr einziger Umgang gewesen, er habe sie in die Gesellschaft ein¬
geführt.


Und hier fängt meines Lebens Wendung an! --
Es knüpften an die Welt mich neue Bande,
Und neue Freuden bot mir das Geschick.
Nur meines Vaters, Diegos Zärtlichkeit
Halt' ich bis jetzt gekannt; zum ersten Male
Trat in die Welt ich ein, in die Gesellschaft,
Und meine Schönheit wurde laut gepriesen.
Wo ist das Weib, das nicht in tiefster Seele
Der Leidenschaft sich freut, die es erregt?
Und Hundert, glühend meinem Dienst geweiht,
Erzählten mir der Liebe süße Lügen u. s. w.

Kurz und gut, sie heirathet den Marquis. "Sie treffen da," sagt Eulalia
Mairan, "auf eine Unbegreiflichkeit in meiner Geschichte." Es ist Soiree und
Ball, ein Fremder wird vorgestellt, natürlich ist es Don Diego, der eben aus
Amerika zurückkommt. Er hat eine Leidenschaft, allen Leuten das Leben zu
retten. So hat er auch den Marquis aus dem Wasser gezogen. Es folgen
nun Erklärungen; sie gesteht ihm, daß sie ihn eigentlich noch liebt und sich
schwere Gewissensbisse macht, daß sie aber jetzt treue Gattin bleiben will. Bei
ihm ist die Liebe noch ebenso stark, wie früher. Er ist im Anfang sehr leiden¬
schaftlich, dann zeigt er Großmuth. Der Marquis hat die Unterredung im
Nebenzimmer mit angehört, er tritt jetzt ein. Lebte er zu den Zeiten Calderons,
so würde er tausendfaches Recht haben, beide augenblicklich umzubringen; so be¬
gnügt er sich damit, seinen Nebenbuhler herauszufordern, nachdem er ihm vor¬
her den Grund auseinandergesetzt.


Gesetzt den Fall, daß Eure Gattin Euch
Getränke, daß Ihr aus ihrem eignen Munde
Vernommen, daß sie einen andern liebte,
-- Mir raubt der Zorn die Sprache! -- sagt: was würdet
Ihr mit dem Nebenbuhler wol beginnen?

Marquis.

Diego.


Marquis, das ist ein ganz besondrer Fall,
Der mir nicht vorgekommen.

Bei den alten Spaniern wäre es der Gipfel der Ehrlosigkeit gewesen, bei
einem Duell zu zögern; hier aber haben wir bei der Vorbereitung einige rüh¬
rende Scenen. Der ungeduldige Marquis holt seinen Gegner selbst ab, daS
Duell findet statt, Don Diego entwaffnet den Marquis zweimal und weigert


ersten Act vergehen drei Jahre. Zu unserm höchsten Erstaunen finden wir
Lota als Marquise von Montero wieder. Ihre vertraute Zofe bittet sie im Auf¬
trage des Publicums, sich darüber zu erklären, sie erzählt, daß bald nach der
Abreise ihres Bräutigams ihr Vater gestorben sei, der interessante Mar¬
quis sei ihr einziger Umgang gewesen, er habe sie in die Gesellschaft ein¬
geführt.


Und hier fängt meines Lebens Wendung an! —
Es knüpften an die Welt mich neue Bande,
Und neue Freuden bot mir das Geschick.
Nur meines Vaters, Diegos Zärtlichkeit
Halt' ich bis jetzt gekannt; zum ersten Male
Trat in die Welt ich ein, in die Gesellschaft,
Und meine Schönheit wurde laut gepriesen.
Wo ist das Weib, das nicht in tiefster Seele
Der Leidenschaft sich freut, die es erregt?
Und Hundert, glühend meinem Dienst geweiht,
Erzählten mir der Liebe süße Lügen u. s. w.

Kurz und gut, sie heirathet den Marquis. „Sie treffen da," sagt Eulalia
Mairan, „auf eine Unbegreiflichkeit in meiner Geschichte." Es ist Soiree und
Ball, ein Fremder wird vorgestellt, natürlich ist es Don Diego, der eben aus
Amerika zurückkommt. Er hat eine Leidenschaft, allen Leuten das Leben zu
retten. So hat er auch den Marquis aus dem Wasser gezogen. Es folgen
nun Erklärungen; sie gesteht ihm, daß sie ihn eigentlich noch liebt und sich
schwere Gewissensbisse macht, daß sie aber jetzt treue Gattin bleiben will. Bei
ihm ist die Liebe noch ebenso stark, wie früher. Er ist im Anfang sehr leiden¬
schaftlich, dann zeigt er Großmuth. Der Marquis hat die Unterredung im
Nebenzimmer mit angehört, er tritt jetzt ein. Lebte er zu den Zeiten Calderons,
so würde er tausendfaches Recht haben, beide augenblicklich umzubringen; so be¬
gnügt er sich damit, seinen Nebenbuhler herauszufordern, nachdem er ihm vor¬
her den Grund auseinandergesetzt.


Gesetzt den Fall, daß Eure Gattin Euch
Getränke, daß Ihr aus ihrem eignen Munde
Vernommen, daß sie einen andern liebte,
— Mir raubt der Zorn die Sprache! — sagt: was würdet
Ihr mit dem Nebenbuhler wol beginnen?

Marquis.

Diego.


Marquis, das ist ein ganz besondrer Fall,
Der mir nicht vorgekommen.

Bei den alten Spaniern wäre es der Gipfel der Ehrlosigkeit gewesen, bei
einem Duell zu zögern; hier aber haben wir bei der Vorbereitung einige rüh¬
rende Scenen. Der ungeduldige Marquis holt seinen Gegner selbst ab, daS
Duell findet statt, Don Diego entwaffnet den Marquis zweimal und weigert


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0466" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101459"/>
            <p xml:id="ID_1396" prev="#ID_1395" next="#ID_1397"> ersten Act vergehen drei Jahre. Zu unserm höchsten Erstaunen finden wir<lb/>
Lota als Marquise von Montero wieder. Ihre vertraute Zofe bittet sie im Auf¬<lb/>
trage des Publicums, sich darüber zu erklären, sie erzählt, daß bald nach der<lb/>
Abreise ihres Bräutigams ihr Vater gestorben sei, der interessante Mar¬<lb/>
quis sei ihr einziger Umgang gewesen, er habe sie in die Gesellschaft ein¬<lb/>
geführt.</p><lb/>
            <quote> Und hier fängt meines Lebens Wendung an! &#x2014;<lb/>
Es knüpften an die Welt mich neue Bande,<lb/>
Und neue Freuden bot mir das Geschick.<lb/>
Nur meines Vaters, Diegos Zärtlichkeit<lb/>
Halt' ich bis jetzt gekannt; zum ersten Male<lb/>
Trat in die Welt ich ein, in die Gesellschaft,<lb/>
Und meine Schönheit wurde laut gepriesen.<lb/>
Wo ist das Weib, das nicht in tiefster Seele<lb/>
Der Leidenschaft sich freut, die es erregt?<lb/>
Und Hundert, glühend meinem Dienst geweiht,<lb/>
Erzählten mir der Liebe süße Lügen u. s. w.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1397" prev="#ID_1396"> Kurz und gut, sie heirathet den Marquis. &#x201E;Sie treffen da," sagt Eulalia<lb/>
Mairan, &#x201E;auf eine Unbegreiflichkeit in meiner Geschichte." Es ist Soiree und<lb/>
Ball, ein Fremder wird vorgestellt, natürlich ist es Don Diego, der eben aus<lb/>
Amerika zurückkommt. Er hat eine Leidenschaft, allen Leuten das Leben zu<lb/>
retten. So hat er auch den Marquis aus dem Wasser gezogen. Es folgen<lb/>
nun Erklärungen; sie gesteht ihm, daß sie ihn eigentlich noch liebt und sich<lb/>
schwere Gewissensbisse macht, daß sie aber jetzt treue Gattin bleiben will. Bei<lb/>
ihm ist die Liebe noch ebenso stark, wie früher. Er ist im Anfang sehr leiden¬<lb/>
schaftlich, dann zeigt er Großmuth. Der Marquis hat die Unterredung im<lb/>
Nebenzimmer mit angehört, er tritt jetzt ein. Lebte er zu den Zeiten Calderons,<lb/>
so würde er tausendfaches Recht haben, beide augenblicklich umzubringen; so be¬<lb/>
gnügt er sich damit, seinen Nebenbuhler herauszufordern, nachdem er ihm vor¬<lb/>
her den Grund auseinandergesetzt.</p><lb/>
            <quote> Gesetzt den Fall, daß Eure Gattin Euch<lb/>
Getränke, daß Ihr aus ihrem eignen Munde<lb/>
Vernommen, daß sie einen andern liebte,<lb/>
&#x2014; Mir raubt der Zorn die Sprache! &#x2014; sagt: was würdet<lb/>
Ihr mit dem Nebenbuhler wol beginnen?</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1398"> Marquis. </p><lb/>
            <p xml:id="ID_1399"> Diego. </p><lb/>
            <quote> Marquis, das ist ein ganz besondrer Fall,<lb/>
Der mir nicht vorgekommen.</quote><lb/>
            <p xml:id="ID_1400" next="#ID_1401"> Bei den alten Spaniern wäre es der Gipfel der Ehrlosigkeit gewesen, bei<lb/>
einem Duell zu zögern; hier aber haben wir bei der Vorbereitung einige rüh¬<lb/>
rende Scenen. Der ungeduldige Marquis holt seinen Gegner selbst ab, daS<lb/>
Duell findet statt, Don Diego  entwaffnet den Marquis zweimal und weigert</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0466] ersten Act vergehen drei Jahre. Zu unserm höchsten Erstaunen finden wir Lota als Marquise von Montero wieder. Ihre vertraute Zofe bittet sie im Auf¬ trage des Publicums, sich darüber zu erklären, sie erzählt, daß bald nach der Abreise ihres Bräutigams ihr Vater gestorben sei, der interessante Mar¬ quis sei ihr einziger Umgang gewesen, er habe sie in die Gesellschaft ein¬ geführt. Und hier fängt meines Lebens Wendung an! — Es knüpften an die Welt mich neue Bande, Und neue Freuden bot mir das Geschick. Nur meines Vaters, Diegos Zärtlichkeit Halt' ich bis jetzt gekannt; zum ersten Male Trat in die Welt ich ein, in die Gesellschaft, Und meine Schönheit wurde laut gepriesen. Wo ist das Weib, das nicht in tiefster Seele Der Leidenschaft sich freut, die es erregt? Und Hundert, glühend meinem Dienst geweiht, Erzählten mir der Liebe süße Lügen u. s. w. Kurz und gut, sie heirathet den Marquis. „Sie treffen da," sagt Eulalia Mairan, „auf eine Unbegreiflichkeit in meiner Geschichte." Es ist Soiree und Ball, ein Fremder wird vorgestellt, natürlich ist es Don Diego, der eben aus Amerika zurückkommt. Er hat eine Leidenschaft, allen Leuten das Leben zu retten. So hat er auch den Marquis aus dem Wasser gezogen. Es folgen nun Erklärungen; sie gesteht ihm, daß sie ihn eigentlich noch liebt und sich schwere Gewissensbisse macht, daß sie aber jetzt treue Gattin bleiben will. Bei ihm ist die Liebe noch ebenso stark, wie früher. Er ist im Anfang sehr leiden¬ schaftlich, dann zeigt er Großmuth. Der Marquis hat die Unterredung im Nebenzimmer mit angehört, er tritt jetzt ein. Lebte er zu den Zeiten Calderons, so würde er tausendfaches Recht haben, beide augenblicklich umzubringen; so be¬ gnügt er sich damit, seinen Nebenbuhler herauszufordern, nachdem er ihm vor¬ her den Grund auseinandergesetzt. Gesetzt den Fall, daß Eure Gattin Euch Getränke, daß Ihr aus ihrem eignen Munde Vernommen, daß sie einen andern liebte, — Mir raubt der Zorn die Sprache! — sagt: was würdet Ihr mit dem Nebenbuhler wol beginnen? Marquis. Diego. Marquis, das ist ein ganz besondrer Fall, Der mir nicht vorgekommen. Bei den alten Spaniern wäre es der Gipfel der Ehrlosigkeit gewesen, bei einem Duell zu zögern; hier aber haben wir bei der Vorbereitung einige rüh¬ rende Scenen. Der ungeduldige Marquis holt seinen Gegner selbst ab, daS Duell findet statt, Don Diego entwaffnet den Marquis zweimal und weigert

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/466
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/466>, abgerufen am 25.08.2024.